Landkarte des Bodensees aus Sebastian Münsters Cosmographie, um 1550.
Schweizerisches Nationalmuseum

Streit am Bodensee

Der Handel über den Bodensee war im Spätmittelalter ein lukratives Geschäft. Und wer Geld hatte, besass die Macht. Stadt und Kloster St. Gallen stritten sich deswegen. Profitiert davon haben die Eidgenossen.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor.

Schön ist es nicht. Seit mehr als 500 Jahren steht ein grober Klotz am Bodensee. Das «Gredhaus» von Steinach zeugt vom Handel über den See – und von der Rivalität zwischen Stadt und Kloster St. Gallen. Im Früh- und Hochmittelalter waren die Klöster zu grosser Macht und ausgedehntem Besitz gekommen. Im Spätmittelalter jedoch verloren sie angesichts von Bevölkerungswachstum und zahlreichen Stadtgründungen an Bedeutung. Jenes von St. Gallen musste in den Appenzellerkriegen (1400 – 1429) empfindliche Niederlagen einstecken – die Stadt St. Gallen stellte sich damals auf die Seite der Aufständischen.

Auch wirtschaftlich schwächelte das Kloster. 1438 verkaufte es deshalb dem St. Galler Bürger Hugo von Watt Land und Rechte in Steinach. 1459 gelangte beides in den Besitz der Stadt und diese baute Hafenanlagen sowie 1473 ein Lagerhaus: das Gredhaus («Gred» ist ein altes Wort für eine Lagerfläche). Via Steinach intensivierten die St. Galler den Handel über den See. Dieser war in Zeiten dichter Wälder und schlechter Strassen eher Verbindung als Grenze und St. Gallens Kontakte nach Norden waren deutlich stärker als etwa jene in Richtung Zürich. Südwärts wurde vor allem Getreide verschifft, nordwärts Käse, Wein und Butter. Die Arbeitsteilung war für St. Galler, Thurgauer und Appenzeller lukrativ – sie rächte sich aber später mehrfach bei Hungersnöten. Auch zahlreiche Schiffe mit Tuch, Leinwand und Stickereien stachen im Lauf der Jahrhunderte von Steinach aus in den See.

Das Gredhaus von Steinach auf einer alten Fotografie, um 1920.
Schweizerisches Nationalmuseum

Eine Druckgrafik aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Stadt St. Gallen mit dem dominanten Kloster.
Schweizerisches Nationalmuseum

Eine Druckgrafik aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Stadt St. Gallen mit dem dominanten Kloster.
Schweizerisches Nationalmuseum

Aber zurück ins Jahr 1473: Nachdem das Gredhaus seine Funktion einige Zeit erfüllt hatte, eskalierte die Rivalität zwischen Stadt und Kloster St. Gallen erneut. Daraufhin beschloss der Abt, das Kloster nach Rorschach zu verlegen und begann 1487 mit dem Bau einer Anlage. Für die Stadt war das ein Problem: Das Kloster war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und St. Gallen befürchtete zudem, dass das kleine Rorschach zur ernsten Konkurrenz werden könnte. Im Juli 1489 stürmten deshalb St. Galler, Rheintaler und Appenzeller die Baustelle und steckten sie in Brand.

Der «Rorschacher Klosterbruch» war keine besonders kluge Aktion. Der Abt rief die Eidgenossen zu Hilfe und diesen hatten die Aufständischen nichts entgegenzusetzen. Die Stadt musste Schadenersatz leisten, verlor Rechte und Gebiet und damit auch das Gredhaus in Steinach. Das Kloster hingegen sicherte sich die Macht über den grössten Teil des heutigen Kantonsgebiets inklusive Steinach für weitere 400 Jahre. Und die Eidgenossen schnappten sich das Rheintal als «Gemeine Herrschaft» und erreichten so im geschichtsträchtigen Jahr 1491 zwar nicht die Neue Welt, aber immerhin erstmals das Ufer des Bodensees.

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