Bundesrätlicher Auftritt
Es gab eine Zeit vor dem Handy, eine Zeit, in der Pressefotografen die Augen einer ganzen Nation waren. Viele ihrer Bilder sind heute in Vergessenheit geraten. Zum Beispiel Bundesrat Rudolf Mingers Auftritt in der Berner Reithalle im November 1940.
Bühne frei für Bundesrat Minger: Am Samstag, 30. November 1940, hält Rudolf Minger, seines Zeichens der erste Bundesrat der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (heute: SVP), in der grossen Halle der Berner Reitschule eine Rede. Wir sehen ihn seitlich von hinten, spähen hinter einer Säule hervor.
Mitten in der Rede fängt die Kamera einen scheinbar unaufgeregten Moment ein. Es ist ein Moment der Vorbereitung, des Ansetzens – oder vielleicht des Innehaltens, des Abwartens einer Reaktion. Keine wilden Gesten, kein von Rhetorik verzerrtes Gesicht – und trotzdem transportiert das Bild eine gewisse Spannung, einen gefrorenen Moment der Konzentration.
Mit den Augen des Pressefotografen sehen wir zudem, was das Publikum nur zum Teil sieht: Das unmittelbare Umfeld des Redners. Der Chef des Militärdepartements steht zwischen zwei Säulen, hinter dem Holzgeländer einer Galerie, die nach vorne hin mit Nadelzweigen geschmückt ist. Die beiden Mikrofone, weit vom Redner entfernt, lassen beim Betrachten beinahe einen Ton erklingen, jenen charakteristischen, rauschenden Ton historischer Aufzeichnungen. Zwei Kisten sind behelfsmässig zu einem Rednerpult aufgetürmt. Mit ihnen findet die Bieler Firma der Gebrüder Schnyder Einzug in dieses geschichtliche Dokument. Zu dem Zeitpunkt gibt es den Seifen- und Waschmittelproduzenten «schon mehr als 100 Jahre». Der Familienbetrieb wird noch bis Ende der 1980er-Jahre im Geschäft bleiben.
Links von Bundesrat Minger steht ein leerer Stuhl. Er ist nicht die einzige Leerstelle, die den Blick auf sich zieht. Im Dunkel der Halle steht das Publikum, nur schwach sind einige Gesichter als helle Punkte erkennbar. Wenn Rudolf Minger hier für die Einführung eines obligatorischen militärischen Vorunterrichts für 16- bis 19-jährige Diensttaugliche weibelt, können wir die Reaktionen des Publikums nur erahnen. Einen Tag später, am Abstimmungssonntag, ist das Verdikt dann aber eindeutig: 55,7 Prozent der Stimmenden lehnen die Vorlage ab – inmitten des Zweiten Weltkriegs und sehr zu Mingers Enttäuschung.
Die Pressebildagentur ASL
Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL). Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen. Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.