Sie regierten, kassierten, politisierten oder wurden schwanger. Nonnen im Mittelalter führten ein anderes Leben als man denkt.
Marco Heer

Nonnen – starke Frauen im Mittelalter

Nonnen im Mittelalter, da denkt man an Frauen, die zurückgezogen in einem Kloster leben, um sich ganz dem Glauben zu widmen. Doch ein Blick zurück zeigt ein anderes Bild.

Andrej Abplanalp

Andrej Abplanalp

Historiker und Kommunikations-Chef des Schweizerischen Nationalmuseums.

Nonnenklöster haben eine lange Tradition. Bereits im fünften Jahrhundert bildeten Frauen erste religiöse Gemeinschaften, um zusammen zu leben. Die Gründe, warum sie diesen Weg einschlugen, waren nebst einer religiösen Überzeugung vielfältig: Spiritualität, Flucht vor einer Zwangsehe, Hoffnung auf Bildung, Abschiebung durch die Familie aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen. Wer jetzt aber an Frauen denkt, die hinter hohen Klostermauern ein zurückgezogenes Leben führen, der täuscht sich. Nonnen beschäftigten sich sehr wohl mit weltlichen Angelegenheiten und hatten oft auch grosse politische Macht. Ein Paradebeispiel dafür ist Elisabeth von Wetzikon.

In der Äbtissin des Fraumünsterklosters Zürich vereinten sich kirchliche und weltliche Macht in einer Person. Elisabeth von Wetzikon (1235 – 1298) gehörte in der Region Zürich zu den einflussreichsten Personen des 13. Jahrhunderts. Als Fürstäbtissin herrschte sie nicht nur über das Kloster, sondern über die ganze Stadt. In dieser Funktion war sie oberster Richterin, wählte den Bürgermeister und hatte das Recht, Münzen prägen zu lassen oder Zoll zu erheben. An dieser Frau führte damals kein Weg vorbei.

Übergabeurkunde der Fraumünsterabtei an die Stadt Zürich, 8. Dezember 1524.
Stadtarchiv Zürich, I.A.501

Von der Äbtissin zur Ehefrau und Mutter

Gut zwei Jahrhunderte später hatten sich die Zeiten geändert. Die Reformation spaltete die Gesellschaft und mitten drin stand das Zürcher Fraumünsterkloster. Zu dieser Zeit leitete Katharina von Zimmern die Geschicke der Gemeinschaft. Sie war 1496 gewählt worden und blieb 28 Jahre im Amt. Um einen handfesten Konflikt zu verhindern, übergab sie das Kloster 1524 der Stadt. Dieser Schritt hatte auch private Auswirkungen. Katharina von Zimmern erhielt eine hohe Abfindung und heiratete ein Jahr später den Söldnerführer Eberhard von Reischach, dem sie zwei Kinder gebar. Wenn eine ehemalige Äbtissin einen Soldaten heiratet und Mutter wird, ist das schon ungewöhnlich. Wenn sie aber während ihrer Amtszeit im Kloster bereits eine Tochter geboren hat, ist das heute für uns eine Sensation. Genau dies war bei Katharina von Zimmern der Fall. Erst kürzlich stiessen Historikerinnen auf Quellen, die dies bestätigen. Wer der Vater dieser unehelichen Tochter war, ist jedoch noch nicht bekannt.

Diese beiden Beispiele zeigen, dass Nonnen im Mittelalter weit mehr als asketische und keusche Frauen waren, die sich nur für die Welt innerhalb der Klostermauern interessierten. Ihr Leben war spannend, politisch und vielseitig.

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