Tod und Krieger / Tod und Dirne Totentanz. Ausschnitt aus der Kopie des Originals von Niklaus Manuel an der Klostermauer des ehemaligen Dominikanerklosters in Bern.
Tod und Krieger / Tod und Dirne  Totentanz. Ausschnitt aus der Kopie des Originals von Niklaus Manuel an der Klostermauer des ehemaligen Dominikanerklosters in Bern. Bernisches Historisches Museum. Foto: Christine Moor

Totentanz

Wie Niklaus Manuel Deutsch (1484–1530) die kriegerischsten Zeiten der Eidgenossenschaft durchlebte und zum Vorkämpfer der Reformation wurde.

Christophe Vuilleumier

Christophe Vuilleumier

Christophe Vuilleumier ist Historiker und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte. Er hat verschiedene Beiträge zur Schweizer Geschichte des 17. und 20. Jahrhunderts publiziert.

Der Dichter, Maler, Schnittmeister, Literat, Politiker und Söldner Niklaus Manuel Deutsch kam 1484 in Bern zur Welt, zu einer Zeit, als die Eidgenossen ihre Macht sowohl im Süden als auch im Norden festigten. Er war der Sohn eines ursprünglich aus Chieri im Piemont stammenden Apothekers, dessen Nachnamen er übernahm. Er germanisierte ihn und änderte «Aleman» zu «Deutsch». Dies zeigte er auch mit dem Monogramm auf seinen Werken: Ein Dolch unter den Initialen N. M. D. Wie die ersten Bilder, Glasgemälde um 1508, vermuten lassen, liess der junge Berner sich bei einem Glasmacher ausbilden. Allerdings sind uns nicht alle Etappen seiner Ausbildung bekannt. Jedenfalls scheinen seine Anfänge von finanziellen Schwierigkeiten geprägt gewesen zu sein. Mit 25 Jahren heiratete er Katarina Frisching, die Tochter eines Berner Hauptmanns. Dank dieser Verbindung wurde er 1512 Mitglied des Grossen Rats.
Porträt von Niklaus Manuel, geschaffen von Heinrich Pfenninger, 1783.
Porträt von Niklaus Manuel, geschaffen von Heinrich Pfenninger, 1783. Schweizerisches Nationalmuseum
Zu Beginn des Folgejahres schloss er sich den Berner Söldnertruppen an, die in Italien gegen Frankreich kämpften. Ein Grund dafür war sicherlich seine finanzielle Lage, aber auch seine neue politische Stellung gab den Ausschlag. Aufgrund seines bereits von seinen Zeitgenossen geschätzten künstlerischen Talents baten ihn seine Offiziere, das Berner Juliusbanner zu gestalten. Gemeinsam mit 13'000 weiteren Reisläufern marschierte Niklaus in das von seinen Landsleuten im Dienste des Herzogs von Mailand gehaltene und von 10'000 Franzosen belagerte Novara ein. Am Morgen des 6. Juni überraschen die Schweizer die französische Armee in ihrem Lager und konnten so das Artilleriefeuer schnell stoppen. Sie stiessen frontal mit den Franzosen und ihren Unterstützern zusammen, liessen 1500 Mann auf dem Feld zurück, schafften es aber dennoch, ihre Gegner einzukreisen und töteten zwischen 5000 und 10'000 Gegner. Die siegreichen Berner übernahmen die Praxis, die bereits in den Schwabenkriegen zur Anwendung gekommen war: Gnadenlos töteten sie die deutschen Landsknechte im Solde Frankreichs, die nach der Schlacht gefangen genommen worden waren. Niklaus Manuel Deutsch kehrte mit einer verletzten Hand und beeindruckt von der Gewalt und der Unmenschlichkeit der Kämpfe nach Hause zurück. Er sprühte geradezu vor Kreativität und kaufte 1514 das Haus in der Gerechtigkeitsgasse, das er bis zu seinem Tod bewohnen sollte.
Zeichnung eines Mädchens, 1518.
Zeichnung eines Mädchens, 1518. Schweizerisches Nationalmuseum
Die Niederlage bei Marignano 1515 beeinflusste den Künstler noch tiefgreifender und liess seine kritische Betrachtung des Söldnerwesens und des moralischen und kirchlichen Zerfalls reifen. Diese humanistische Gesinnung hielt ihn nicht davon ab, im Februar 1516 mit dem Berner Expeditionskorps erneut nach Italien zu ziehen und die Arbeit am von der Stadt Grandson in Auftrag gegebenen Retabel zu unterbrechen. Dieses Mal diente er dem Hauptmann Albrecht von Stein als Sekretär und nutzte seine Freizeit für Silberstift-Zeichnungen. Mit Sinnlichkeit und Wucht zeichnete er berühmte Personen, machte anschauliche Skizzen von Soldaten, Landschaften oder religiösen Motiven. Nach seiner Rückkehr vom Feldzug schuf er ein Werk nach dem anderen. Zu erwähnen sind die Chordekoration des Berner Münster von 1517 und das unumstrittene Meisterwerk seiner künstlerischen Karriere: die Enthauptung Johannes des Täufers von 1520, das bis heute im Kunstmuseum Basel aufbewahrt wird.
Die Enthauptung Johannes des Täufers, um 1517.
Die Enthauptung Johannes des Täufers, um 1520. Kunstmuseum Basel
Zwei Jahre später gebot ihm Albrecht von Stein erneut, seinen Harnisch anzulegen, seine Waffen zu schleifen und nach Italien zu ziehen. Er kämpfte 1522 in der Schlacht von Bicocca, in der 4000 Schweizer und ihr oberster Befehlshaber den Tod fanden. Der Schock über diese vernichtende Niederlage trieb Niklaus endgültig zurück in die Schweiz, wo er zu Ehren seiner gefallenen Waffenbrüder ein Gedicht schrieb, auch das «Bicocca-Lied» genannt. Die Niederlage bestärkte ihn in seinen Überzeugungen; er stürzte sich in politische, diplomatische sowie konfessionelle Auseinandersetzungen, so lange, bis sein Engagement es ihm 1523 erlaubte, Landvogt in Erlach zu werden. Der protestantische Bildersturm riss ihn mit – zweifellos gab er in diesem Moment seine künstlerische Aktivität zugunsten seines literarischen Schaffens, mit dem er die Reformation eifrig unterstützte, auf.
Das Urteil des Paris, um 1517/18.
Das Urteil des Paris, um 1517/18. Kunstmuseum Basel
Niklaus Manuel Deutsch behielt sein Amt als Landvogt bis zum Jahr 1528, in dem auch die Berner Disputation stattfand und er in den Kleinen Rat aufstieg. Als Venner zu Gerbern und Anhänger von Zwingli in einer Stadt, in der die Reformation Realität geworden war, spielte er beim Bildersturm eine massgebliche Rolle bei der Zerstörung von Werken, zu denen er selbst beigetragen hatte. In den darauffolgenden zwei Jahren wirkte er in vielen Missionen bei den Eidgenossen und starb schliesslich am 28. April 1530 in Bern. Niklaus Manuel Deutsch hat der Nachwelt zahlreiche Werke hinterlassen, die überall auf der Welt zu bestaunen sind, unter anderem im Kunstmuseum Basel, im Kunstmuseum Bern, in Winterthur im Rahmen der Sammlung Oskar Reinhart, im Kupferstichkabinett in Berlin, im Getty-Museum in Los Angeles, im Louvre und in New York in der Frick Collection.
Der Tod als Kriegsknecht umfasst ein junges Weib (Rückseite), 1517.
Der Tod als Kriegsknecht umfasst ein junges Weib (Rückseite), 1517. Kunstmuseum Basel

begehrt. umsorgt. gemartert. Körper im Mittelalter

15.03.2024 14.07.2024 / Landesmuseum Zürich
Menschliche Körper waren im Mittelalter Schauplatz von Widersprüchen: Sie wurden glorifiziert, unterdrückt, umsorgt und bestraft. Mit zahlreichen Leihgaben aus dem In- und Ausland wirft die Ausstellung einen kulturhistorischen Blick auf den Körper im Mittelalter und gibt Impulse, auch unser heutiges Bild des Körpers zu reflektieren.

Serie: 50 Schweizer Persönlichkeiten

Die Geschich­te einer Region oder eines Landes ist die Geschich­te der Menschen, die dort leben oder lebten. Diese Serie stellt 50 Persön­lich­kei­ten vor, die den Lauf der Schweizer Geschich­te geprägt haben. Einige sind besser bekannt, einige beinahe vergessen. Die Erzählun­gen stammen aus dem Buch «Quel est le salaud qui m’a poussé? Cent figures de l’histoire Suisse», heraus­ge­ge­ben 2016 von Frédéric Rossi und Christo­phe Vuilleu­mier im Verlag inFolio.

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