Goldschläger-Werkstatt im Stadtmuseum Schwabach.
Goldschläger-Werkstatt im Stadtmuseum Schwabach. Wikimedia

Goldene Zeiten im Osten

Der Dreissigjährige Krieg verwüstete Europa. Die Schweiz, nicht in den Krieg verwickelt, litt ebenfalls. Viele wanderten aus. Nord- und auch ostwärts. Dort fanden einige wie Goldschläger Heinrich Schlatter ihr Glück.

Katrin Brunner

Katrin Brunner

Katrin Brunner ist selbstständige Journalistin mit Schwerpunkt Geschichte und Chronistin von Niederweningen.

Als Heinrich Schlatter 1663 im Wehntal, nahe der deutschen Grenze, geboren wurde, war der Dreissigjährige Krieg bereits seit 15 Jahren beendet. Trotzdem waren die Folgen davon in Europa noch immer spürbar. Hungersnöte und Seuchen hatten den Süden Deutschlands entvölkert. Die Schweiz war zwar grösstenteils von den Kriegswirren verschont geblieben. Aber die Lebensbedingungen waren auch hier schlecht und zwangen zahlreiche Familien auszuwandern. Als Heinrich zwei Jahre alt war, versuchte der Vater, eigentlich Müller von Beruf, seine Familie zusätzlich als Steinmetz durchzubringen. Kein einfaches Unterfangen, die Lebensmittelpreise sanken rapide und immer Menschen verschuldeten sich. Zudem war die Bevölkerungszahl anders als in den ehemaligen Kriegsländern hoch, was eine zusätzliche Belastung für die Gesellschaft war. So erstaunt es nicht, dass in den Jahren nach dem Krieg tausende von Zürchern, Bernern und Schaffhausner in den Südwesten Deutschlands gezogen sind. Dort waren Jahre zuvor rund ein Drittel der deutschen Zivilbevölkerung dem Morden des Krieges und den folgenden Hungersnöten zum Opfer gefallen.
Die Schlacht um Freiburg im Breisgau, 1644.
Der Dreissigjährige Krieg war brutal und forderte viele Opfer. Wikimedia

Seltener und gefragter Beruf

Der 20-jährige Heinrich erlernte den ungewöhnlichen, aber begehrten Beruf des Goldschlägers. Die Spuren des Lehrlings führen zuerst ins reformierte Basel. Zusammen mit Zürich war die Stadt am Rhein Zentrum der Schweizer Goldschlägerkunst. Hier wurde feines Blattgold hergestellt, welches von Schreinern, Architekten oder Juwelieren für Möbel, Gebäudedekorationen oder Schmuckstücke verwendet wurde. Mit der konfessionellen Spaltung Europas, welche bereits im 16. Jahrhundert mit den Hugenottenkriegen und deren Vertreibung in protestantisch dominierte Gebiete einen ersten Höhepunkt erlebte, kam die Monopolstellung der beiden Städte in der Herstellung von Blattgold aber arg ins Wanken. Die ortsansässigen Handwerkerzünfte kritisierten den massiven Anstieg der gut ausgebildeten protestantischen Konkurrenz. Heinrich, sein Bruder Jakob und 22 weitere junge Männer zog es daher weiter. 1687 kamen die Schweizer in Berlin an. Dort erholte sich das wirtschaftliche Leben zusehends, nachdem Kurfürst Friedrich Wilhelm Mitte des 17. Jahrhunderts die Macht übernommen hatte. Kurz nach seiner Ankunft in der deutschen Stadt heiratete Heinrich Schlatter die «Jungfer Catharina Typken». Dazu führte er eine Gold- und Silbertressen-Manufaktur und ein Geschäft für «Galanteriewaren». Damit liess sich genug Geld für seine Frau und die neun Kinder verdienen.
Blattgold, das Resultat der Arbeit eines Goldschlägers.
Blattgold, das Resultat der Arbeit eines Goldschlägers. Pixabay

Der Ruf des Zars gefolgt

Der russische Zar Peter der Grosse war ein grosser Freund der westlichen Kultur und Kunst. Verschiedene Reformen und eine Architektur nach westlichem Vorbild prägten die von ihm gegründete Stadt St. Petersburg. Peter I. holte sich eine ganze Armee von Fachleuten aus dem Westen: Winzer, Käser, Kaufleute und eben auch Goldschläger. 1718 ging Heinrich Schlatter nach St. Petersburg. Mit ihm reiste auch sein damals zehnjähriger Sohn Johann Wilhelm. Sie galten zu dieser Zeit bereits als Deutsche. Zusammen mit Schlatters wanderten so zu Beginn des 18. Jahrhunderts rund zehntausend Deutsche und Schweizer nach Russland aus. Heinrich Schlatter war als höherer Beamter im neugegründeten Bergbaukollegium beschäftigt. Sohn Johann Wilhelm, oder «Iwan Andrejewitsch Slater», wie er sich in seiner neuen Heimat nannte, lernte die russische Sprache und stieg bereits in jungen Jahren zum talentierten Bergbauingenieur auf. Er schrieb als Erster ein Buch über den Bergbau in russischer Sprache. Es folgten weitere vielbeachtete Schriften über den Bergbau. Die Familie Schlatter blieb in Russland. Sie scheinen ihr Glück in der Fremde gefunden zu haben.
Porträt von Zar Peter I. auch der Grosse genannt.
Porträt von Zar Peter I. auch der Grosse genannt. Wikimedia

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