
Dichterin Sisis langer Weg ins Buchregal
Kaiserin Elisabeth «Sisi» von Österreich-Ungarn war auch eine Dichterin. Warum ihre persönlichen Notizen im Bundesarchiv liegen und warum sie erst 1984 publiziert worden sind...
Regli brachte die wertvolle Fracht nach Bern, wo sie im Amtszimmer des Bundespräsidenten geöffnet wurde. Die Anwesenden, neben von Steiger waren auch der Bundeskanzler, der Chef der Abteilung Verwaltungsangelegenheiten, der Sekretär des Justiz- und Polizeidepartements und der Bundesanwalt anwesend, waren wohl etwas perplex, als sie die Gedichtbände der östereichischen Kaiserin sahen. Die Männer hatten angenommen, wichtige Dokumente in der Kassette zu finden. Vielleicht hofften sie auch, einen Abschiedsbrief von Kronprinz Rudolf zu entdecken. Der Sohn von Sisi hatte sich Ende Januar 1889 das Leben genommen.


In ihren Tagebüchern kritisierte Sisi den österreichischen Hof und die Monarchie. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie diese Staatsform für nicht mehr zeitgemäss hielt. Weil sie davon ausging, dass ihre liberalen und antiklerikalen Texte in der Heimat nicht gut angekommen und eventuell sogar vernichten worden wären, vermachte sie ihre Tagebücher nach einer langjährigen Sperrfrist der Schweiz. Elisabeth kritisierte aber nicht nur, sondern versuchte sich auch als Dichterin. Sie verehrte den scharfzüngigen Deutschen Heinrich Heine und schrieb Gedichte in seinem Stil.
Und auf der Nordsee wilder Wogen,u003cbru003e Geliebter, lagst du hingestreckt,u003cbru003eMit tausend Fasern eingesogenu003cbru003e Hab ich dich salz- und schaumbedeckt


Brief an Ludwig, Herzog von Bayern, vom 6. Oktober 1951. Schweizerisches Bundesarchiv


Die Gedichte von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn wurden 1984 veröffentlicht und sind bis heute im Buchhandel erhältlich. Ein Teil des Erlöses fliesst jeweils dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zu. Das hatte der Bundesrat 1980 beschlossen und damit den letzten Willen von Sisi umgesetzt.