Gameplay von «Traps'n'Treasures». YouTube

Videoga­mes Made in Switzerland

Game Design kann man heute in der Schweiz studieren. Vor der Jahrtausendwende fristeten Schweizer Gameentwicklerinnen und Gameentwickler aber ein Schattendasein. Einzelne Produktionen aus unserem Land sorgten dennoch für Aufsehen.

Yannick Rochat

Yannick Rochat

Yannick Rochat ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am College of Humanities der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Er ist Mitbegründer des UNIL-EPFL GameLab.

Die breite Öffentlichkeit ist sich zu oft nicht bewusst, dass auf allen aktuellen Konsolen – Playstation, Xbox, Nintendo Switch – sowie auf Smartphones, Tablets und Computern auch Spiele aus Schweizer Produktion verfügbar sind. Einige dieser Spiele haben sogar internationale Anerkennung gefunden, wie die «Farming Simulator»-Serie, die Hobby-Landwirte seit rund zehn Jahren zum Bewirtschaften digitaler Bauernhöfe einlädt, oder das kürzlich erschienene «Mundaun», in dem sich in einem Bündner Bergdorf und der umliegenden Landschaft verschiedene Schweizer Sagen entdecken lassen (die Spielsprache ist Rumantsch!). Über dessen Veröffentlichung hat sogar die Washington Post berichtet.
Beitrag der Tagesschau zu «Mundaun». SRF
Wie es bei so vielen anderen Medien der Fall ist, decken die Bücher und Dokumentationen, welche die Geschichte der Videospiele erzählen, zu oft nur die grössten Produktionsländer wie die USA und Japan ab. Dabei werden in der Schweiz schon seit beinah einem halben Jahrhundert Videospiele entwickelt. Erst seit Kurzem haben Universitäten und Museen damit begonnen, diese lokale Videospielgeschichte zu erforschen und erzählen.
Die Videospielentwicklung in der Schweiz war lange eine Sache von Amateuren. Sie taten dies ohne kommerzielle Absicht, sondern als Hobby, wie beispielsweise Bundesrat Alain Berset, der dem Blick in einem Interview einmal verriet, schon Anfang der 1980er-Jahre Videospiele programmiert und auf Kassetten aufgezeichnet zu haben. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden Videospiele an Universitäten, in Computerclubs oder zu Hause entwickelt. Nach und nach sorgen einzelne Produktionen für Aufsehen, wie zum Beispiel «Traps'n'Treasures» von Roman Werner auf dem Amiga-Computer. In diesem Spiel versucht man als Pirat seine von einem Gegner entführte Schatzkiste und Schiffsbesatzung wiederzufinden. Inspirieren lässt man sich zu dieser Zeit von importierten Werken. Schweizer Entwickler sind ziemlich einsam und Kooperationen innerhalb des Landes anscheinend selten.
Gameplay von «Traps'n'Treasures». MsStandart / YouTube
Dass dies heute nicht mehr der Fall ist, zeigt der neudeutsche Begriff «Swiss Game Design». Ab den 1990er-Jahren demokratisierte das Internet den Zugang zu kreativen Tools wie Flash. Ab 2008 ermöglicht der Apple App Store die schnelle Erstellung von Videospielanwendungen und einen einfachen Zugang zu einem internationalen Publikum. Schweizer Videospiele werden zahlreich und sind es auch heute noch: Sie sind heute auf allen Plattformen (Konsolen, Computer, Handys) zu finden. Ein Beispiel ist «Orbital», einem vom Bitforge-Studio entwickelten Geschicklichkeitsspiel, bei dem es darum geht, Punkte durch das Abschiessen von Blasen zu sammeln.
Über lange Zeit waren Entwicklerinnen und Entwickler Autodidakten und sie sind es oft heute noch. Seit 2005 gibt es in der Schweiz eine Ausbildung in Game-Design an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Einige Absolventen blieben in der Schweiz, andere gingen ins Ausland, um Karriere zu machen, wie Daniel Lutz, ZHdK-Absolvent und Creative Director von «Hitman GO» und «Lara Croft GO» bei Square Enix. In diesen beiden Spielen lassen sich die Welten bekannter Franchise-Spiele durch ein Puzzlespiel erkunden, bei dem man, wie bei einer Schachpartie, den nächsten Zug antizipieren muss.
Trailer von «Lara Croft GO» Tomb Raider / YouTube
Gleichzeitig unterstützt der Bund seit 2010 die Entwicklung von Videospielen mit dem Programm «Game Culture». Dank dieser und der darauffolgenden Initiativen haben die Entwicklerinnen und Entwickler Zugang zu Tagungen und Festivals auf der ganzen Welt – ein unerlässlicher Faktor in einem globalisierten Markt. Mit Ausnahme bestimmter Lern- und Informationsspiele (Prävention, Politik, Lernen) werden Videospiele in der Schweiz nicht nur für ein Schweizer Publikum entwickelt.
Heute folgen andere kantonale Hochschulen sowie Privatschulen dem Beispiel der ZHdK. 2018 gab es in der Schweiz zwischen 100 bis 150 Entwicklungsstudios. Einige dieser Studios diversifizieren ihre Aktivitäten, indem sie beispielsweise in Auftrag gegebene Spiele, Anwendungen oder sogar Websites entwickeln. Denn in der Schweiz kann – wie in anderen Ländern – nur ein kleiner Teil der angebotenen Videospiele einen Gewinn erzielen.
Das erfolgreichste Schweizer Videospiel: Farming Simulator. Farming Simulator / YouTube
Die Coronakrise hat der Branche leider geschadet. Obwohl Videospiele 2020 einen enormen Aufschwung erlebten, werden die negativen Auswirkungen in der Schweiz wie im Rest der Welt, wo viele Produktionen bereits verschoben wurden, wahrscheinlich bald zu spüren sein. Für Schweizer Studios ist die Gefahr eines Investitionsrückgangs sowohl von privaten als auch von öffentlichen Seiten nicht ermutigend. Es bleibt zu hoffen, dass diese Unternehmen die Gesundheitskrise überleben. So können sie weiterhin ein auf der ganzen Welt verstreutes Publikum für digitale Unterhaltung erreichen.

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