
Die Suche nach Utopia
Die Suche nach Utopia und der idealen Gesellschaft, einer gerechteren Welt und einem glücklichen Leben ist so alt wie die Menschheit selbst. Jede Zeit bringt ihre eigenen Utopien hervor, der von Thomas Morus erschaffene Begriff stammt aus dem Jahr 1516.
In Morus’ Buch «Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia» berichtet ein Seemann, der fünf Jahre mit den Bewohnern Utopias verbracht haben soll, über die ideale Gesellschaft auf der Insel. Auf Utopia gibt es kein privates Eigentum und keinen Geldverkehr: Lebensmittel sind in Speichern gelagert und die Einwohner können abholen, was sie brauchen. Spitalpflege ist für alle kostenlos, man trägt Einheitskleidung, Schneider gibt es nicht. Morus liefert sogar ein utopisches Alphabet und ein Gedicht in dieser Kunstsprache. Dass Morus’ Phantasie aber ein Kind ihrer Zeit ist, zeigt sich in der Tatsache, dass die Sklaverei auch auf Utopia vorkommt und sogar als nötig betrachtet wird. Sklaven sind entweder Menschen anderer Länder oder Kriminelle, erbliche Sklaven gibt es nicht. Auch andere Eigenschaften Utopias scheinen aus der Sicht des 21. Jahrhunderts wenig «utopisch»: Um alle Einwohner bei bestem Benehmen zu halten, gibt es keine Privatsphäre, keine Wirtshäuser und private Versammlungen sind verboten.
Im 19. Jahrhundert erfreuen sich utopische Erzählungen grosser Beliebtheit, zum Beispiel Edward Bellamys «Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887» (Original: Looking Backward: 2000–1887) und Theodor Herztkas «Freiland» waren Ende des 19. Jahrhunderts Bestsellers. Zu dieser Zeit bildet sich aber bereits unter dem von John Stuart Mill geprägten Begriff Dystopia ein Gegengenre heraus. Die Dystopie entwirft keinen idealen Staat, sondern zeigt die schrecklichsten aller möglichen Welten. Bereits als negativ empfundene Erscheinungen der Gegenwart werden dabei in die schlimmste denkbare Form gesteigert.
Der SRF Literaturclub diskutiert «1984» von George Orwell. SRF
Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie lässt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird. Und wenn die Menschheit da angelangt ist, hält sie Umschau nach einem besseren Land und richtet ihre Segel dahin. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien.


