
Lôzane Bouge: eine Demonstration, drei Perspektiven
Früher prägten Pressefotografien das öffentliche Bild beinahe exklusiv. Doch das änderte sich während der Jugendunruhen der 1980er-Jahre im Kampf um öffentlichen Freiraum. Foto- und Videokameras waren an allen drei Fronten dabei: Bei der Presse, den Demonstrierenden und der Polizei.
Drei Parteien waren vor Ort. Die Polizei, die Demonstrierenden und einige Pressefotografen. Alle Seiten waren bewaffnet mit Kameras. Dank der zu Beginn der 1970er-Jahre entwickelten Videotechnik konnten auch die jungen Demonstrierenden eigene Filme mit wenig Geld erstellen. Die Aufzeichnungen der Verkehrskameras, die Pressefotos und die Videoaufnahmen zeigen zwar teilweise die gleichen Szenen, bezeugen aber drei verschiedene Sichtweisen und zugrundeliegende Motive.
Die Aufzeichnungen der Verkehrskamera der Polizei

Das Video der Bewegung Lôzane Bouge

Die Pressebilder des Fotografen der Agentur ASL




Die Filmkamera zeigt die Sicht der Demonstrierenden vom Dach der Terrasse aus, während sie ihr Transparent aufhängen. Archives de la Ville de Lausanne
Die Hausbesetzung, Festnahmen und Aufnahmen



Die Polizei verwendete die Aufzeichnungen der Verkehrskameras, die beim Place de la Gare zur Überwachung stationiert waren. Solche Aufnahmen von Teilnehmenden waren wertvolle Beweise, wenn es zu Prozessen kam. Bildmaterial zur Überwachung wurde aktiv erstellt, um Personen zu identifizieren und ihre Daten zu sammeln.
Die Pressefotografen waren auf der Suche nach dem richtigen Moment für erfolgreiche Pressebilder. Ihre Kameraeinstellungen prägten das öffentliche Bild der Jugendunruhen in den Medien.
Die Jugendbewegung Lôzane Bouge aber filmte, um ihr eigenes Bild der Unruhen zeigen zu können und so eine Gegenöffentlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit zu erschaffen, die von den etablierten Institutionen dominiert wurde. Ihre Besetzung öffentlicher Räume – also Räume, in denen sich Menschen versammeln und informieren können, – beschränkte sich nicht nur auf Demonstrationen und kulturelle Jugendzentren, sondern zielte auch auf die Bildwelt ab. Die Videoaufnahmen wurden so für Lôzane Bouge zum Mittel, für die eigenen Anliegen einzustehen und ihr eigene Sichtweise zu verbreiten. Hier liegen die Anfänge einer neuen Medienwelt, in der nicht nur professionelle Medien, sondern auch die Demonstrierenden selbst filmen und fotografieren. Die Jugendbewegungen nahmen vorweg, was heute mit Social Media nicht mehr wegzudenken ist.
Die Pressebildagentur ASL

Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL). Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen. Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.