
Wettkampf auf Rädern: Der Rollstuhlsport als Integrationsmodell?
Es ist heute selbstverständlich, dass nach den Olympischen Spielen die Paralympics stattfinden, an denen Menschen mit Behinderungen antreten. Doch erst seit 1988 sind die beiden Sportanlässe untrennbar miteinander verbunden. Ein Blick in die Geschichte des Behindertensports.
Doch woher kommen solche Erfolge und wie hat sich der Sport für Menschen im Rollstuhl überhaupt entwickelt? Welche Faktoren spielten da eine Rolle? War und ist dies ein geradliniger Weg der Integration? Dieser Beitrag geht der Geschichte des Rollstuhlsports in seiner internationalen und schweizerischen Entwicklung nach. Er beschränkt sich auf den Rollstuhlsport, weil mit ihm der Behindertensport begann und er für die Entwicklung der Paralympics zentral war.
Menschen mit Behinderungen erlebten lange und teilweise immer noch Ausschluss. Sei es im täglichen Leben durch Barrieren baulicher Art, aber auch durch Vorurteile und Beschimpfungen, falsches Mitleid und schwierige allgemeine Bedingungen in der Berufswelt. Vieles hat sich zum Besseren gewandelt, ist aber längst nicht gut. Der Sport bot nicht immer die heutige Offenheit, im Verlauf der Geschichte gab es immer auch Möglichkeiten der Teilhabe.
Die Geschichte der paralympischen Bewegung. YouTube / Paramlympic Games

Die Spiele wurden jährlich wiederholt und zunehmend populär. 1952 kamen erstmals holländische Sportlerinnen und Sportler nach Mandeville. Die Wettkämpfe bekamen deshalb ab 1953 den Zusatz «International Games». Der Rollstuhlsport beschränkte seine internationalen Spiele noch lange auf die Sommersportarten.
1960 wurden die Wettkämpfe direkt anschliessend an die Olympischen Sommerspiele in Rom an denselben Sportstätten durchgeführt. Diese Koppelung führte zu mehr Aufmerksamkeit und war eine bewusste Nutzung von Synergien unter olympischen Rahmenbedingungen: Die ersten Paralympics waren geboren. Nun sollten diese äquivalent zu den Olympischen Spielen der «Fussgänger», alle vier Jahre durchgeführt werden.

Erst 1988 in Seoul und dann 1992 in Barcelona gelang die endgültige Zusammenführung und vor allem auch der sportpolitische Durchbruch. Staaten, die Olympische Spiele durchführen wollen, sind mittlerweile auch zur Veranstaltung der Paralympics verpflichtet. Dies hat eine positive Wirkkraft: Die Publikumszahlen steigen an; die Übertragung und mediale Berichterstattung wurden besser und nehmen stetig zu.
Die Erfolge der Schweizerinnen und Schweizer im Behindertensport lassen sich, wie eingangs erwähnt, sehen. Interessant ist, dass die Schweiz schon früh im Behindertensport aktiv war. Dies, obwohl die Schweiz keine Geschichte der Kriegsversehrten hatte. Schon 1956 reiste eine Schweizer Delegation nach Stoke Mandeville. In Rom 1960 waren bereits 60 Athletinnen und Athleten dabei und Denis Favre holte im Schwimmen die erste Schweizer Goldmedaille. Typisch für die Schweiz war und ist, dass neben der langanhaltenden Förderung durch das Bundesamt für Sport, stets ein Milizsystem parallel dazu existierte: Es gibt zahlreiche Verbände wie «ProcapSport» und «Plusport Behindertensport Schweiz», oder die «Schweizer Paraplegiker Vereinigung», die der Paraplegiker Stiftung angegliedert ist. Diese vertraten ihre sportpolitischen Interessen erfolgreich und organisieren auch internationale und nationale Wettkämpfe.
Die Paraplegiker der Region Zürich beim Training für die Paralympics in Tel Aviv 1969. SRF
Die zunehmende Professionalisierung auf allen Ebenen war jedoch nicht zu stoppen. Mit den internationalen Erfolgen kamen auch die stärkere Förderung und mediale Aufmerksamkeit. Ein weiterer Baustein zur verstärkten Anerkennung und zur sportlichen Weiterentwicklung war sicher auch, dass grundsätzlich Mittel und Möglichkeiten der technischen Innovation vorhanden waren. In einem Land der Tüftler und Ingenieurinnen und durch das fortschrittliche Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil (1990) war dies einfacher möglich als in anderen Ländern. Gerade im Rollstuhlsport ist technische Innovation ein Wettkampfvorteil. Die Topzeiten von Manuela Schär, Edith Wolf-Hunkeler, Marcel Hug, Heinz Frei und weiteren Athletinnen und Athleten sind auch aufgrund der individuellen Einzelanfertigung von allerbesten Rollstühlen möglich.

Bericht über die Erfolge der Schweizer Delegation an den Paralympics in Atlanta 1996, mit einem Interview mit Edith Hunkeler, die spätere siebenfache paralympische Sportlerin des Jahres. SRF
Swiss Sports History

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Swiss Sports History, dem Portal zur Schweizer Sportgeschichte, entstanden. Die Plattform bietet schulische Vermittlung sowie Informationen für Medien, Forschende und die breite Öffentlichkeit. Weitere Informationen finden Sie unter sportshistory.ch.