
Klosterarbeiten – virtuoses Kunsthandwerk
Im Zuge der Gegenreformation gewannen Reliquien wieder an Bedeutung. In Frauenklöstern verzierten Ordensschwestern in stundenlanger Handarbeit die Gebeine von Heiligen, um sie – ganz im Stil des Barocks – in Klosterkirchen den Gläubigen zu präsentieren.
«…in disen 6 Stucken [verwendeten sie ] zechen taussent bärlin, und etwelche hundert sechs und dreissig ring von goldt und köstlichen Steinen, auch vill hundert guete granaten, welche nit gezelt werden…»
Dass die Namen der vier Ordensschwestern und ihre Arbeiten in den Klosterannalen erwähnt wurden, ist ein Glücksfall, wie auch die dort überlieferte Anleitung zur Montage der Skelette der 1753 im Kloster eingetroffenen Katakombenheiligen Candidus und Clara.

Seit der letzten grossen Liturgiereform um die Mitte des 20. Jahrhunderts verschwanden viele glänzend geschmückte Märtyrer und Reliquiare hinter Abdeckungen von Seitenaltären oder auf Dachböden von kirchlichen Gebäuden. So wurden auch Candidus und Clara nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) aus der Klosterkirche Namen Jesu entfernt.

Heute werden diese Techniken unter der Bezeichnung «Klosterarbeiten» zusammengefasst. Ein Begriff, der oft für Verwirrung sorgt, denn im Zuge der Wiederbelebung sakraler Kunsthandwerkstechniken im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelte er sich als Sammelbegriff für verschiedene Verarbeitungen unterschiedlicher Materialien, wie Draht, Perlen, Glassteine, Papier, Wachs, etc. in kunsthandwerklichen Tätigkeiten für die Liturgie, in der Volksfrömmigkeit und als profane Freizeitbeschäftigung. Im Laufe der Zeit wandelte sich die einst klösterliche Fronarbeit zur Liebhaberei für Nichtgeweihte. Durch den Unterbruch der mündlichen Überlieferung und nur vereinzelten schriftlichen Quellen zu Techniken und Materialien, entstanden grosse Wissenslücken, die es der Klosterarbeit heute erschwert, sich aus dem Hobbybereich zu emanzipieren.


Und heute? Vielleicht mögen uns Klosterarbeiten und ihre Herstellung nicht mehr zeitgemäss erscheinen. Ist es sakrales oder profanes Kunsthandwerk, das nur als Randerscheinung wahrgenommen wird oder doch Kunst, die mit ihrer konzeptionellen Gestaltung und plakativen Erscheinung die Betrachtenden spiegelt? Klosterarbeiten bleiben komplexe sinnliche, kreative und handwerkliche Gestaltungsarbeiten mit einer unendlichen Vielfalt an Möglichkeiten, die auch Menschen des 21. Jahrhunderts zu faszinieren vermögen.
