Der um 1700 von Johann Viktor I. von Besenval angelegte Barockgarten des Schloss Waldegg bei Solothurn.
Der um 1700 von Johann Viktor I. von Besenval angelegte Barockgarten des Schloss Waldegg bei Solothurn. Schloss Waldegg

Barocke Gärten in der Schweiz

In Frankreich war die Gestaltung des Barocken Garten strengen Regeln unterworfen und diente der Darstellung von Macht und Reichtum. Auch hierzulande bauten sich Patrizier und Handelsherren ihre Gärten nach französischen Vorbild – allerdings in gut schweizerischer Bescheidenheit.

Julia Burbulla

Julia Burbulla

PD Dr. Julia Burbulla ist Kunsthistorikerin und forscht an der Universität in der Abteilung für Architekturgeschichte und Denkmalpflege.

Unter dem Sonnenkönig Louis XIV. löste Frankreich Italien in der Vorherrschaft der Gartenbaukunst ab. Der Barockgarten bezieht sich auf die Schlossarchitektur und führt diese in ihrer geometrischen Formensprache weiter. Er ist Ausdruck von Macht und Repräsentation, aber auch Ort der Erholung und Kulisse für opulente Feste. Kein Freund der Barocken Gartenkunst war der französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire (1694-1778). In der Korrespondenz mit dem Preussenkönig Friedrich II. unterzog er das Barocke Gartenkonzept einer harschen Kritik und gab dem Englischen Landschaftsgarten den Vorzug. Der Anblick der beschnittenen Natur wecke bei ihm nicht nur Langeweile, sondern sogar Empörung:
«Symmetrisch bepflanzte Gärten, Zwergbäume an der Schnur erzogen, Gärten, ich muss euch fliehen; Zu viel Kunst stösst mich ab und langweilt mich: Ich ziehe die weiten Wälder vor; Die Natur ist frei und kühn, Unregelmässig in ihren Zügen, Sie passt zu meiner Fantasie.» Voltaire, 1734
In seinem Roman «Candide oder der Optimismus» von 1759 wiederholte Voltaire die Kritik und stellte das ersehnte Land «Eldorado» als fruchtbare, nützliche und paradiesische Natur dar. Interessanterweise bezog Voltaire in seiner gärtnerischen Praxis eine weniger rigorose Haltung. Die Gärten seiner Anwesen in der Republik Genf und nahe der französisch-schweizerischen Grenze, Les Délices (ab 1755) und Ferney (ab 1758), kombinierten zentrale Elemente barocker Ordnungsprinzipien mit «natürlich» anmutenden Zonen und integrierten die Kultur des Nutzgartens. Letzterer war für Voltaire der Garant, um der kontrovers debattierten Kostspieligkeit absolutistischer Gärten à la Versailles oder Schönbrunn ein Ende zu setzen. Mit dieser Haltung traf er auch ganz den Nerv der Zeit. In der alten Eidgenossenschaft wurde die reiche barocke Gartenkultur immer als bescheidenere «Mischform» präsentiert. Je nach persönlicher Vorliebe, topografischen Möglichkeiten oder auch finanziellen Mitteln drangen Elemente aus dem Nutzgarten oder dem italienischen Renaissancegarten ein.
Blick auf Monsieurs Voltaire’s Le Délices, Radierung von François Marie Isidore Quéverdo, 1769.
Blick auf Monsieurs Voltaire’s Le Délices, Radierung von François Marie Isidore Quéverdo, 1769. Bibliothèque de Genève
Grundsätzlich besteht der Aufbau eines Barockgartens aus dem Schloss beziehungsweise des Landhauses als Zentrum, von wo aus die Zentralachse dem Gartenbesucher einen endlosen Blick in die Umgebung ermöglicht. Architektur, Innenarchitektur und Garten beziehen sich aufeinander. Symmetrische Wege, Wasserkanäle, Wasserbecken und -spiele sowie eine komplexe Rangordnung verschiedener Geländequartiere aus Parterres, beschnittenen Büschen, Kabinetten, Waldstücken oder Lustgängen ergänzen diese Symbiose. Alle Gestaltungselemente sind durch geometrische Formen, Kreise, Ovale, Dreiecke, Vierecke etc., bestimmt und werden häufig durch ein mythologisches Skulpturenprogramm erweitert.
Der geometrische und auf Symmetrie bedachte französische Garten ist Ort der Repräsentation und Vorbild für den europäischen Barockgarten. Blick in den Garten des Schlosses Versailles.
Der geometrische und auf Symmetrie bedachte französische Garten ist Ort der Repräsentation und Vorbild für den europäischen Barockgarten. Blick in den Garten des Schlosses Versailles. Schweizerisches Nationalmuseum
Ein barocker Garten bis fast an den Horizont: Maximilian de Geers «Nymphenburg von der Münchner Seite», um 1730.
Ein barocker Garten bis fast an den Horizont: Maximilian de Geers «Nymphenburg von der Münchner Seite», um 1730. Victoria & Albert Museum
Die frühen Beispiele aus Solothurn, Bern und Neuenburg orientierten sich ganz an diesen gartenkünstlerischen Gesichtspunkten und passten sie gleichzeitig an die spezifischen Bedürfnisse an. So verzichtete man beispielswiese bei der terrassierten Gartenanlage des Schlosses Blumenstein (Kanton Solothurn) auf die unbehinderte Sicht. Der Garten des Schlosses Waldegg kombinierte französische mit italienischen Einflüssen: Wegführung und Symmetrie sind Französisch; die Brunnengrotten oder die Bodenmodellierung verweisen auf italienische Konzepte. Spätere Bauten in der Romandie banden die vorhandenen Kulturlandschaften aus Platzgründen stärker ein als jene in der deutschen Schweiz oder im umliegenden Ausland.
Undatierter Planentwurf für einen Landsitz mit Gärten. Zeichnung von Erasmus Ritter.
Undatierter Planentwurf für einen Landsitz mit Gärten. Zeichnung von Erasmus Ritter. Burgerbibliothek Bern
Ähnliche eidgenössische Anpassungen belegen auch die Gartensäle beziehungsweise Gartenzimmer im Spätbarock. Wände und Decken entführen den Betrachter in illusionistische Architektur- und Gartenszenen und nehmen damit Entwürfe des Aussenraumes wieder auf. Es entsteht eine räumliche Gesamtinszenierung aus Architektur, Interieur und Gartenkunst, die die politische Macht und die ökonomische Potenz des Besitzers oder der Besitzerin unterstreichen. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist der Festsaal des Schlosses Hindelbank im Kanton Bern aus dem Jahr 1725. Dabei geht es nicht um die Verbildlichung absolutistischer Machtdemonstration im Stile Ludwig XIV., sondern um die Darstellung aristokratisch-patrizischer Lebensform inklusive eines verfeinert-künstlerischen Lebensstils.
Der Garten setzt sich im Innendekor fort: Festsaal im Schloss Hindelbank, um 1725.
Der Garten setzt sich im Innendekor fort: Festsaal im Schloss Hindelbank, um 1725.
Der Garten setzt sich im Innendekor fort: Festsaal im Schloss Hindelbank, um 1725. Eduard Widmer

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