
Grenchner Spionagekamera für die Stasi und den CIA
1960 kam eine ungewöhnliche Kamera auf den Markt: Die Tessina aus Grenchen. Es war damals die kleinste 35mm-Kamera der Welt. Sie wurde nie ein Bestseller, war aber bei diversen Geheimdiensten beliebt.
Die Tessina kam 1960 auf den Markt. Sie war als zweiäugige Spiegelreflex-Kamera angelegt. Aufnahme- und Sucherobjektiv befanden sich auf der Schmalseite. Und sie hatte einen Motor, der von einem Federwerk angetrieben wurde. Der Federmotor erzeugte beim Filmtransport ein charakteristisches Fiepen. Die Tessina war damals die kleinste Kamera, die mit dem herkömmlichen 35mm-Kleinbildfilm arbeitete und auch die kleinste zweiäugige Spiegelreflexkamera der Welt.
In der gleichen Zeit kam auch die Minox auf den Markt: Auch sie wurde in Spionagekreisen geschätzt, nutzte aber ein wesentlich kleines Negativformat. Erfolgreicher war hingegen die Rollei35, die ebenfalls mit Kleinbildfilm arbeitete und 1966 auf den Markt kam.
Auch wenn die Kamera kein finanzieller Erfolg wurde und vor allem in der Anfangszeit mit zahlreichen Konstruktionsproblemen zu kämpfen hatte: Die Tessina war ein Wunderwerk der Mechanik und wird deshalb noch heute von Sammlern geschätzt. Sie war Imagewerbung für die Firma und zeigte die Qualität der Grenchner Feinmechanik.
Mittendrin in der Watergate-Affäre
Daniel Ellsberg, ein Militärspezialist der Denkfabrik RAND, hatte im Frühjahr 1971 der New York Times und der Washington Post 7000 Seiten eines Geheimberichts zugespielt, den die Regierung in Auftrag gegeben hatte, um die Gründe für das anhaltende Scheitern des Krieges zu erhellen. Die Dokumente belegten, dass die US-Regierung das Parlament und die Öffentlichkeit jahrelang belogen hatte; sie erhielten den Namen «Pentagon Papers». Die beiden Zeitungen veröffentlichten Auszüge aus den Papieren, bis ihnen dies gerichtlich untersagt wurde. Der Präsident kochte vor Wut und beauftragte eine kleine Task Force, das Leck zu finden. Die Gruppe erhielt den internen Spitznamen «The Plumbers».
Obwohl die «Plumbers Task Force» Ende 1971 aufgelöst wurde, arbeiteten Howard Hunt und seine Komplizen weiterhin für das Weisse Haus. Am 17. Juni 1972 organisierten sie einen Einbruch in das Wahlkampfbüro der Demokratischen Partei im Watergate-Gebäude in Washington DC. Ein Nachtwächter bemerkte den Einbruch und alarmierte die Polizei, woraufhin das FBI fünf Personen verhaftete. In ihrem Gepäck fanden sie zahlreiche Spionagewerkzeuge, darunter zwei Kleinbildkameras. Ob sich darunter auch eine Tessina befand, ist nicht bekannt.
Diese Verhaftung löste weitere Untersuchungen aus, in deren Verlauf die beiden Reporter der Washington Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, mit Hilfe der FBI-Quelle «Deep Throat» weitere beunruhigende Details aufdeckten. Unter dem Druck der Beweise trat Nixon schliesslich am 9. August 1974 zurück.
Es gab Kameras in Schlüsseletuis und Einkaufstaschen, in Halstüchern, Regenschirmen und Geldbörsen oder sogar versteckt in einem Gipsverband für den Einsatz «vor Krankenhäusern». Besonders raffiniert war auch das Modell «Zigarette» von 1972: Beim Öffnen kamen zunächst Zigarettenfilter zum Vorschein, die herausgenommen werden konnten. Zwei Zigaretten waren echt. Die Erfinder erhielten eine «Erfinderprämie» von je 50 Mark.
Nebenrolle in einem Hitchcock-Thriller
Er will an die Pläne für die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba gelangen. Bevor er mit dem Kubaner Rico Parra den Balkon des Hotels betritt, wo der Revolutionär seine Anhänger begrüssen will, wird bei einer Leibesvisitation die Tessina entdeckt: «Was ist das», wollen die Kubaner wissen. «Das ist mein Fotoapparat», antwortet Dubois. «Das ist eine lustige kleine Kamera», meint Parra, und Dubois ergänzt: «Eine sehr gute».
Filmausschnitt, in der die Tessina kurz zu sehen ist (01:19). YouTube
Heute ist die Tessina ein begehrtes Sammlerobjekt, das in der einfachsten Ausführung für rund 500 Franken zu haben ist. Besonders farbige Versionen und Spezialanfertigungen sind deutlich teurer. Zahlreiche Museen haben sie in ihren Sammlungen, so auch das Schweizerische Nationalmuseum.


