
Jugend und Sport: Schwitzen fürs Vaterland?
Auf den Sport wirkten spätestens ab dem 19. Jahrhundert gesundheitspolitische, erzieherische und militärische Anspruchsgruppen ein. Ablesen lässt sich dies an der Geschichte des staatlichen Sportförderungsprogramms «Jugend+Sport» und seiner Vorgängerinstitutionen.
Die Annahme des neuen Verfassungsartikels 1970 markierte demnach eine Wende beziehungsweise eine Entmilitarisierung der staatlichen Sportförderung in der Schweiz, denn bis dahin war die Sportförderung des Bundes im Rahmen der Militärorganisation geregelt: Ab 1874 schrieb der Bund den Kantonen vor, einen obligatorischen Turnunterricht in der Schule für alle Knaben ab dem 10. Altersjahr einzuführen, um diese optimal auf den Wehrdienst vorbereiten zu können. Ergänzend sollte nach dem Abschluss der obligatorischen Schulzeit die sportliche Vorbereitung der Jugendlichen auf die Rekrutenschule in einem militärischen Vorunterricht verfeinert werden.
Der Zweite Weltkrieg bewirkte kurzfristig eine stärkere Betonung militärischer Gesichtspunkte: Fussball oder Schwingen sollten beispielsweise zur Schulung von Härte und Ausdauer dienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich im Schulturnen endgültig pädagogische und volksgesundheitliche Vorhaben durch, «die Erziehung zu körperlicher Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft» wurde in der Eidgenössischen Turnschule von 1960 nur noch in der Einleitung erwähnt.
Auch die Kursteilnehmenden hatten kaum das Gefühl, an einem grossen militärpolitischen Vorhaben mitzumachen. Historiker Jean-François Martin erinnert sich beispielsweise, wie er im Rahmen des Vorunterrichts an einem Skilager teilnehmen konnte: «Die Preise waren sehr niedrig und wir konnten dort Skier leihen. Ich und meine Familie fuhren nicht Ski, daher war das ein Glück. Am ersten Tag kam ein Oberst, der uns für die Vorbereitung für die Landesverteidigung dankte. Dann ging er wieder und wir fuhren Ski. Ich erinnere mich, dass die Leiter VU-Leiter waren, weil sie dadurch einen Zuschuss bekamen. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich militarisiert wurde, obwohl ich ein sehr militärisches Dienstbüchlein hatte.» Der zivile Anspruch war trotz militärischem Rahmen eindeutig gesetzt.
Ein bisschen Militär steckt also doch noch im Sport: Als Ersatzkrieg auf Sportplätzen und in Wettkampfhallen.
Swiss Sports History

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Swiss Sports History, dem Portal zur Schweizer Sportgeschichte, entstanden. Die Plattform bietet schulische Vermittlung sowie Informationen für Medien, Forschende und die breite Öffentlichkeit. Weitere Informationen finden Sie unter sportshistory.ch.


