Porträt von Frieda Hauswirth, abgedruckt in ihrem Buch Meine indische Ehe.
Porträt von Frieda Hauswirth, abgedruckt in ihrem Buch Meine indische Ehe. Schweizerische Nationalbibliothek

Eine Welten­bür­ge­rin aus Gstaad

Frieda Hauswirth war Schweizerin, US-Bürgerin, britische Untertanin. Eine lange Reise durch Länder und Behördenbüros.

Claire Blaser

Claire Blaser

Claire Louise Blaser ist Historikerin und doktoriert an der ETH Zürich.

Am 31. März 1960 erhielt die Eidgenössische Polizeiabteilung in Bern einen ungewöhnlichen Besuch: Der zuständige Beamte W. Meyer schildert in einer Besuchsnotiz, eine Frau Frieda Mathilde Hauswirth habe in Erfahrung bringen wollen, «ob und wie sie wieder in den Besitz des Schweizerbürgerrechts kommen könne». Dieses hatte sie verloren, als sie 1910 in Kalifornien den US-Amerikaner Arthur Lee Munger Jr. geheiratet hatte. Frieda Hauswirth sei «bekanntlich eine angesehene Schriftstellerin», deren schriftstellerische Tätigkeit «in der Zeitschrift Ghandi’s [sic] lobend erwähnt worden» sei, notierte Meyer weiter. Zudem könne sie «einige interessante Anerkennungsschreiben» vorweisen, «so z.B. vom jetzigen indischen [Vize]präsidenten [Sarvepalli Radhakrishnan] und vom indischen Dichter-Philosophen Rabin[d]ra[nath] Tagore». Eines dieser Schreiben halte ausdrücklich fest, dass Hauswirth «Schweizerin sei bzw. gewesen sei und es als solche doch verstanden habe, das indische Wesen zu erfassen und zu schildern».
Blick in Meyers Notizen über Frieda Hauswirth.
Blick in Meyers Notizen über Frieda Hauswirth. Schweizerisches Bundesarchiv
Tatsächlich stand der Name Frieda Hauswirth in der deutschsprachigen Schweiz während den 1930er-Jahren vor allem für eines: Indien. Innerhalb von fünf Jahren hatte sie sieben Bücher veröffentlicht, die sich alle auf die eine oder andere Weise mit dem Land befassten. Ihr mit Abstand erfolgreichstes Werk war Meine indische Ehe, eine autobiografische Erzählung, die 1933 veröffentlicht und von der Zürcher Illustrierten als Serienroman abgedruckt wurde.
Buchcover von Frieda Hauswirths Meine indische Ehe, 1933.
Buchcover von Frieda Hauswirths Meine indische Ehe, 1933. Schweizerische Nationalbibliothek
Die Einführung der Serie in der Zürcher Illustrierten zeigt, wie die Autorin damals in der Schweiz wahrgenommen wurde: «Warum bringt … eine Schweizerin den Mut auf, zu den ungezählten Schriften [über Indien] noch ein weiteres Indienbuch zu liefern und auf eine grosse Leserschaft zu hoffen? Weil sie, die Bernerin Frieda Hauswirth-Das, mit ihren Aufzeichnungen die gesamte Indien-Literatur um etwas Absonderliches, etwas Einmaliges bereichert. … Sie ist mit einem Hindu verheiratet und diese ihre Ehe öffnet ihr Einblicke in ein Indien, das kein Weisser vor ihr so von Grund auf kennenlernen, so zutiefst aus dem Weltanschaulichen heraus begreifen durfte.» Hauswirths Bücher und ihre Beschreibungen von Indien basierten in der Tat auf ihrer langjährigen Erfahrung in Indien und als Unterstützerin der indischen Unabhängigkeits- und Frauenbewegungen.
Meine indische Ehe wurde von der Zürcher Illustrierten als Serienroman abgedruckt.
Meine indische Ehe wurde von der Zürcher Illustrierten als Serienroman abgedruckt. e-periodica
Frieda Hauswirth war 1886 in Gstaad im Kanton Bern in eine Bauernfamilie geboren worden und wuchs im abgelegenen Bergdorf auf, das damals noch weit entfernt von der späteren glamourösen und weltweit bekannten Tourismusdestination war. 1907 war die junge Frau nach Kalifornien ausgewandert, um an der Stanford-Universität zu studieren. Dort lernte sie einige indische Studenten kennen, die sich damals in wachsender Zahl an nordamerikanische Universitäten einschrieben. Sie begann sich für deren Geschichte und Politik zu interessieren. 1915 liess sie sich von ihrem ersten Ehemann Arthur Lee Munger Jr. scheiden und heiratete zwei Jahre später den indischen Agraringenieur Sarangadhar Das, der ebenfalls in Kalifornien studiert hatte. Gemeinsam zogen sie nach Indien und liessen sich 1920 zuerst in Bombay, später in Kalkutta, Kochi und Cuttack nieder. Zu Frieda Hauswirths Freundeskreis in Indien gehörten viele Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft, mit denen sie sich regelmässig austauschte. Die Bernerin bereiste und lebte in verschiedensten Regionen des Subkontinents und lernte so das Land in seiner Diversität kennen.
Familie Hauswirth auf einer Fotografie von 1900. Die junge Frieda sitzt vorne links.
Familie Hauswirth auf einer Fotografie von 1900. Die junge Frieda sitzt vorne links. Altes Archiv der Gemeinde Saanen
Frieda Hauswirth schrieb auf Englisch und bevor ihre Bücher auf Deutsch übersetzt wurden, erschienen sie in den USA und England. Letzteres bescherte ihnen auch eine limitierte Zirkulation innerhalb der Herrschaftsgebiete des britischen Empires – inklusive Indien. Die Leserschaft in Indien blieb jedoch klein und die Kritiken mittelmässig. Generell wurde über die lästige Gewohnheit von weissen Europäerinnen und Europäern lamentiert, die über Indien und seine gesellschaftlichen Strukturen schreiben. Immerhin wurde aber festgestellt, das Hauswirths Bücher im Gegensatz zu den meisten dieses Genres nicht «übertrieben oder verzerrt», «zu kritisch oder zu wohlwollend» oder «von persönlichen Vorurteilen gefärbt» seien. Die Kosmopolitin Frieda Hauswirth sei «doch sehr heimatverbunden geblieben», stellten die Beamten in Bern fest. Und Meyer zeigte sich beeindruckt, dass Hauswirth «noch sehr gut den Dialekt des Saanenlandes, namentlich in der Betonung und im Tonfall» sprach und «bloss hie und da Mühe [hatte], das eine oder andere Wort zu finden». Er bestätigte Hauswirth, dass sie, gestützt auf Artikel 19 des neuen Bürgerrechtsgesetzes von 1952, ein Gesuch auf Wiedereinbürgerung stellen könne. Dieser Artikel regelte die Wiedereinbürgerung von Witwen oder geschiedenen und getrennt lebenden Frauen, die durch Heirat ihr Schweizer Bürgerrecht verloren hatten.
Porträt von Frieda Hauswirth.
Gegen Ende Ihres Lebens wurde Frieda Hauswirth wieder Schweizerin. Museum der Landschaft Saanen
Hauswirths Fall war allerdings komplex: Während sie das Schweizer Bürgerrecht durch ihre erste Ehe verloren hatte, kostete ihr die zweite Eheschliessung mit Sarangadhar Das 1917 das US-Bürgerrecht. Stattdessen wurde sie zum «British Subject», zur «englischen Untertanin», wie sie selbst auf ihrem Wiedereinbürgerungsgesuch schrieb. Nach der Scheidung von Sarangadhar Das stellte Frieda Hauswirth ein Gesuch auf Wiedereinbürgerung in den USA, das 1943 genehmigt wurde. Die ungewöhnlich vielen Wechsel ihrer bürgerrechtlichen Identität sind grösstenteils auf Geschlechterdiskriminierung im Bürgerrecht demokratischer Staaten wie der USA und der Schweiz zurückzuführen. So war es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich, dass der Bürgerstatus von Frauen an den ihrer männlichen Ehepartnern gekoppelt wurde. In den USA hatten zusätzlich gesetzlich verankerter Rassismus und in Indien die repressiven Staatsmechanismen der Kolonialregierung einen Einfluss auf Hauswirths Bürgerstatus.
Genehmigt: Die Behörden hatten keine Einwände gegen eine Wiedereinbürgerung von Frieda Hauswirth.
Genehmigt: Die Behörden hatten keine Einwände gegen eine Wiedereinbürgerung von Frieda Hauswirth. Schweizerisches Bundesarchiv
Schliesslich stimmten die Behörden der Wiedereinbürgerung von Frieda Hauswirth zu, obwohl diese die Frist dafür um mehr als zehn Jahre überzogen hatte. Ob es sich dabei um ein amtliches Versehen handelte oder ob etwa gar der einstige Ruhm der Schweizer Schriftstellerin die behördliche Kulanz erhöht hatte, bleibt bis heute ungeklärt. Frieda Hauswirth starb im März 1974 mit 88 Jahren auf jeden Fall so, wie sie geboren wurde: als Schweizer Staatsbürgerin. Sie verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens in Kalifornien. Ihre Asche jedoch wurde auf ihren Wunsch hin nach Saanen überbracht und im dortigen Friedhof beigesetzt.

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