Kolorierte Lithographie des Col-des-Roches von Johann-Friedrich Wirz und Samuel-Ferdinand Gallot, um 1820. Animation von Klaas Kaat. Musée d’histoire du Locle

Vom Wasser angetrie­ben, vom Ehrgeiz geleitet

Dank politischem Geschick erhielt Jonas Sandoz die Konzession, um in den Höhlen am Col-des-Roches Mühlen zu betreiben. Diese baute er erfolgreich aus – doch dann kam er in Zahlungsschwierigkeiten.

Caroline Calame

Caroline Calame

Caroline Calame ist Historikerin und Konservatorin bei der Stiftung der unterirdischen Mühlen des Col-des-Roches, Redakteurin der Nouvelle Revue Neuchâteloise und Präsidentin des Institut Neuchâtelois.

Im August 1660 teilte Jonas Sandoz den Neuenburger Behörden mit, dass er eine alte Mühle auf dem Col-des-Roches in der Nähe von Le Locle wieder in Betrieb nehmen wolle. Sie wurde ihm von seinem Vater Daniel Sandoz am 6. Dezember 1659 überschrieben. Genauer genommen übertrug Daniel seinem Sohn die Wasserkonzession ab Le Chastelard bis zu den Toren von Le Locle. Nebst dem Recht auf diesen Wasserlauf und dessen Verteilung erhielt sein Sohn auch den dortigen Boden, «um eine Getreide- und eine Dreschmühle zu bauen». Zu dieser Zeit war das Recht zur Nutzung eines Wasserlaufs streng geregelt. Um eine Mühle zu bauen oder zu betreiben, benötigte man eine Genehmigung vom Staatsrat, der das Fürstentum Neuenburg im Auftrag der Familie Orléans-Longueville regierte. Im Gegenzug verpflichtete sich der Mühlenbesitzer zur Zahlung eines Zinses, der nach der Anzahl der Maschinen und der voraussichtlichen Rentabilität seiner Mühle berechnet wurde.
Das Werk Theatrum machinarum molarium, oder Schau-Platz der Mühlen-Bau-Kunst aus dem Jahr 1735 erläuterte und illustrierte verschiedene Mühlentypen. In den unteriridischen Mühlen von Col-des-Roches gab es neben einer Getreide- auch eine Ölmühle zur Herstellung von Öl aus Nüssen sowie eine Dreschmühle zum Quetschen von Hanf und Flachs oder Obst.
Das Werk Theatrum machinarum molarium, oder Schau-Platz der Mühlen-Bau-Kunst aus dem Jahr 1735 erläuterte und illustrierte verschiedene Mühlentypen. In den unteriridischen Mühlen vom Col-des-Roches gab es neben einer Getreide- auch eine Ölmühle zur Herstellung von Öl aus Nüssen sowie eine Dreschmühle zum Quetschen von Hanf und Flachs oder Obst. e-rara
Die von Jonas Sandoz erworbene Mühle wurde 1549 von den Brüdern Pierre und Jacques Descombes gebaut, aber rasch aufgegeben, da sie sich in der Mitte des Tals von Le Locle befindet, wo der Fluss Bied träge dahinfliesst. Der Ort eignet sich daher nicht für die Nutzung von Wasserkraft und Jonas Sandoz bat den Staatsrat um die Erlaubnis, «sie zu verlegen und ihnen eine andere Basis und einen anderen Platz zu geben, als den, auf dem die genannten Wasserräder früher angebracht waren». Die Mühle flussabwärts in Richtung Westen zu verlegen, brachte sie an einen viel geeigneteren, wenn auch unwahrscheinlichen Ort: die Höhle vom Col-des-Roches. Mehr als 20 Meter unter dem Erdboden hatte die Natur diese Höhlen gegraben. Das Wasser aus dem Tal von Le Locle sammelt sich dort und fällt etwa 10 Meter in die Tiefe. Ein idealer Ort, um Wasserkraft zu erzeugen. Allerdings musste dafür jahrzehntelang unterirdisch in der Kälte, Feuchtigkeit und Dunkelheit gearbeitet werden.
Der Standort der Mühlen war ursprünglich ein grosses Sumpfgebiet. Stich aus 1803.
Der Standort der Mühlen war ursprünglich ein grosses Sumpfgebiet. Stich aus 1803. Musée d’histoire du Locle
Drei Einwohner von Le Locle hatten diese Aufgabe bereits in Angriff genommen – acht Jahre vor Jonas Sandoz. Am 23. November 1652 erhielten Isaac Vuagneux, Balthazard Calame und Daniel Renaud das Recht, den Lauf des Flusses Bied zu nutzen und eine Mühle mit zwei Rädern am Col-des-Roches zu bauen. Angesichts der Ansprüche von Jonas Sandoz bereiten sie sich darauf vor, ihre Rechte zu verteidigen. Doch der Kampf ist ungleich: Jonas Sandoz verfügte als Steuerverwalter des Bezirks Montagnes neuchâteloises und späterer Statthalter am Gerichtshof von Le Locle (1678) über prestigeträchtige Ämter. Darüber hinaus war er ein starker, autoritärer und streitsüchtiger Charakter, der nichts lieber tat, als zu schikanieren und im Laufe seines Lebens zahlreiche Prozesse führte. Am 2. August 1660 erteilte ihm der Staatsrat die Konzession für den Bied ab dem Ausgang von Le Locle – also die Summe der Konzessionen von 1549 und 1652 – sowie das Recht, vier Räderwerke für Getreidemühlen sowie zwei für Öl- und Dreschmühlen zu bauen. Die Gründer der Mühle mussten gehen, erhielten aber eine finanzielle Entschädigung.
Dank dem Ausbau der Höhlen entwickelten sich die Mühlen zu einer unterirdischen Fabrik. Animation von Klaas Kaat. Musée d’histoire du Locle
Was zu Jonas Sandoz' Sieg führte, ist nicht bekannt. Es ist jedoch dokumentiert, welche Hebel er in einem anderen Fall 20 Jahre später in Bewegung setzte. Im Jahre 1682 entdeckte er eine Eisenmine am Mont-Sassel (heute Chapeau de Napoléon) im Val-de-Travers und beschloss sofort, diese zu nutzen. Auch hier sollte eine Konzession beantragt werden. Jonas wendete sich jedoch nicht an den Neuenburger Staatsrat, sondern direkt an den Herzog von Enghien, der als einer von zwei Vormunden den geistesschwachen Prinzen von Neuenburg vertrat. Der Herzog von Enghien leitete den Antrag mit einer mehr als positiven Vorankündigung an den Staatsrat weiter. Dass Jonas bereit war, einen enormen Zins von 3500 Pfund pro Jahr zu bezahlen, war wohl ein Argument. Die Konzessionsurkunde wurde am 20. Januar 1683 ausgestellt und für 20 Jahre abgeschlossen.
Die Karte aus dem Jahr 1694 zeigt das Fürstentum Neuenburg.
Die Karte aus dem Jahr 1694 zeigt das Fürstentum Neuenburg. e-rara
Im Fall von Mont-Sassel machte Sandoz einen Fehler. Er hatte nicht verstanden, dass die Metallindustrie im Val-de-Travers im Niedergang war, vor allem wegen des übermässigen Holzverbrauchs. Ohne gesicherte Holzversorgung konnte die Eisenmine nicht wirtschaftlich betrieben werden. Sandoz’ Finanzen waren schlecht und so sah er sich bereits 1684 gezwungen, den Herzog von Enghien um einen Zahlungsaufschub für seinen Zins zu bitten. Am Col-des-Roches hingegen war seine Arbeit höchst erfolgreich. Er installierte fünf Wasserräder in der Höhle – weniger als die sechs, auf die er gemäss seiner Konzession Anspruch hatte. Die Höhle liess er ausgraben, um Hohlräume für die Räder zu schaffen, aber auch Kanäle, damit das Wasser von einem Rad zum anderen fliessen konnte sowie Durchgänge und Treppen für die Arbeiter. Eine gigantische Arbeit, die mit einfachen Mitteln durchgeführt und angeblich bereits nach drei Jahren abgeschlossen wurde. Im Februar 1663 gewährte der Staatsrat Jonas Sandoz in Anerkennung «der grossen Arbeit und der grossen Kosten, die er für den Bau der genannten Räder aufgewendet hat» die Erlaubnis, alle Maschinen, die er für erforderlich hielt, zu installieren und mit seinen Wasserrädern zu betreiben. Eine erstaunliche Grosszügigkeit, wurden doch üblicherweise in einer Konzession die erlaubten Maschinen genau beschrieben werden und der Zins in Abhängigkeit vom Ertrag der Mühle festgelegt.
Die unterirdischen Mühlen sind einzigartig in Europa und können ganzjährig besichtigt werden. In den Mühlen herrscht eine konstante Temperatur von 7 Grad. Animation von Klaas Kaat. Guillaume Perret
Gegen Ende der 1680er-Jahre wurde Jonas Sandoz vom Misserfolg der Eisenminen von Mont-Sassel eingeholt. Er musste die Mühlen von Col-des-Roches an seine Gläubiger «Buisson et Jandin» aus Genf sowie «Couvreur, Hartner et Compagnie» aus Lyon abtreten. Seine Gläubiger hatten kein Interesse daran, den Besitz im Tal von Le Locle zu behalten. Im Dezember 1691 verkauften sie die Mühlen an, die in der Folge häufig die Besitzer wechselten. Die neuen Besitzer nahmen immer wieder Verbesserungen an den Mühlen vor. Um 1830 wurden die Mühlen oberirdisch installiert, so dass in der Höhle nur noch die Wasserräder standen. Im Jahr 1845 wurde ein grosses Gebäude errichtet, in dem modernere, sogenannt englische Mühlen untergebracht wurden. Zwei Turbinen ersetzten 1854 die Wasserräder. Ende des 19. Jahrhunderts machte die Einführung der Elektrizität die Wasserkraftnutzung überflüssig. Die Mühlen wurden stillgelegt und die Gebäude ab 1899 dem Grenzschlachthof Col-des-Roches zugeteilt. Nach dessen Schliessung im Jahr 1966 wurde die Anlage restauriert und 1987 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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