
Ein Uhrmacher fällt aus der Zeit
Edouard Kaiser aus La Chaux-de-Fonds stammte aus einer Uhrmacherfamilie und widmete einen Teil seines malerischen Werks einer Handwerkskunst im Umbruch.

Der Vergleich weist auf eine wichtige Verschiebung des Fokus hin. Während bei de la Tour die mystisch aufgeladene Atmosphäre im Vordergrund steht, ist es bei Kaiser die akribische Dokumentation der Tätigkeit. Alles in seiner Komposition ist darauf angelegt, dass wir diesem in Würde gealterten Handwerker sehr genau auf die Finger schauen, auch wenn wir ohne Spezialwissen zur Uhrenproduktion rasch überfordert sind. Wird hier gerade gefeilt, punziert, graviert?


Die Uhrenherstellung, die zunächst als Heimarbeit in die ärmlichen Juragegenden mit ihren Bauern auf Suche nach Broterwerb ausgelagert worden war, wurde immer mehr von quasi-industriellen Manufakturen geprägt. Die damit verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, der wachsende Druck durch Akkordarbeit führte schliesslich zu Aufständen der Arbeiterschaft.
Kleine Werkstätten wurden meist auf wenig einträgliche Reparaturdienstleistungen reduziert. Am Ende des Jahrhunderts geriet zudem die Vormachtstellung, die sich die Schweizer Uhrenindustrie um 1870 auf dem Weltmarkt erobert hatte, durch die neue amerikanische Konkurrenz heftig unter Druck.


Auf der Pariser Weltausstellung 1900 feierte Kaiser mit diesem Gemälde einen grossen Erfolg: Es wird in der internationalen Kunstschau mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Anders als ebenfalls ausgestellte (und nicht prämierte) Werke von Ferdinand Hodler oder Cuno Amiet wird es sogar im offiziellen Ausstellungskatalog abgebildet.

Weniger Berührungsängste hatten die zeitgenössischen Fotografen. Gerade im Zusammenhang mit ausgesprochen realistischen Gemälden wie dem «L'Horloger» stellt sich daher die Frage nach dem Verhältnis zur Fotografie.
Kaiser ist hier für eine Pointe gut. Sein «Alter Uhrmacher» ist wohl weitgehend eine malerisch in Farbe umgesetzte Fotografie. Das Gemälde ähnelt bis in Details einer Szene, die der berühmte Genfer Fotograf Fred Boissonnas um 1890 fotografiert hat. Boissonnas vertrieb seine Fotografien gewerbsmässig, sie waren verbreitet.

Kaisers medialer Transfer einer Fotografie weist auf seine Klientel hin: bürgerliche Kreise, in deren Wertehorizont ein Gemälde einen höheren Rang einnahm als eine Fotografie. Fotografien wurden an der Weltausstellung 1900 in Paris noch zusammen mit anderem Handwerk ausgestellt, nicht in der Kunstschau.
