Das Peccia-Tal im Kanton Tessin.
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Kahlschlag in Peccia
Das Tessiner Dorf Peccia wurde im 19. Jahrhundert gleich zwei Mal vom Berg verschüttet. Die Einheimischen hatten aus wirtschaftlicher Not begonnen, Holz zu exportieren. Mit gravierenden Folgen.
«Nichts gelernt haben die Leute, gar nichts!», enervierte sich ein Besucher aus der Deutschschweiz. Schon fünf Jahre zuvor war Peccia von einem Bergrutsch heimgesucht worden. 27 Häuser und Ställe waren damals verschüttet worden. Und jetzt? Wieder genau dasselbe! Die Leute hatten nicht aufgehört, die Hänge abzuholzen. Immer mehr und noch mehr hatten die Tessiner ihren Wäldern zugesetzt, ihre eigenen Gesetze missachtet und sogar den Forst angegangen, der sie vor Lawinen und Murgängen schützten sollte.
Die Einheimischen sahen die Sache naturgemäss etwas anders. Sie hatten schlicht keine andere Wahl. Das Tessin war bitter arm und schuld daran waren nicht zuletzt die Miteidgenossen. 300 Jahre war das Tessin «eidgenössisches Untertanengebiet» gewesen. 300 Jahre unter fremder Herrschaft, in denen sich das Gebiet kaum entwickelt hatte. Rechtlich hatte sich die Lage seit der Helvetik zwar deutlich verbessert. Arm war man trotzdem noch. Also exportierten die Ticinesi, was sie hatten: Arbeitskräfte und Holz. Zehntausende waren schon in die Lombardei ausgewandert, Tausende nach Übersee. Und Mailands Hunger nach Bau- und Brennholz war quasi grenzenlos. Also war das ganze Jahr über von den Berghängen das Klopfen der Holzfäller zu hören. Beispielsweise oberhalb von Peccia.
Das schnell wachsende Mailand hatte grossen Bedarf an Holz. Auch aus dem Tessin.
Wikimedia (Mailand), Schweizerisches Nationalmuseum (Holz)
Dort legten die Männer im Winter Eiskanäle an, auf denen sie die Stämme ins Tal schickten. Beim Dorf hatten sie ein Wehr errichtet, 20 Meter hoch und 80 Meter breit. Der See, der so entstand, hatte eine Brücke, vier Heuschober und vier Mühlen unter Wasser gesetzt. Wenn er im Frühling geleert wurde, schwemmte er hunderte Stämme die Maggia hinunter und in den Lago Maggiore. Zwischen Tenero und Locarno stauten sich die Stämme wieder und bedeckten den See als eine einzige riesige Holzdecke. Gegen 100'000 grosse Stämme verliessen das Tessin jedes Jahr in Richtung Lombardei. Hinzu kam ein Vielfaches an Kleinholz.
Die Bemühungen zur Aufforstung scheiterten an den Holzhändlern, den Ziegen und der Korruption. So ging der Kahlschlag bis in die 1860er-Jahre ungemindert weiter. Am Ende war so manches früher dicht bewaldete Tal kahl. Uralte Wälder waren gerodet, Bergrutsche forderten Dutzende Tote und die Erosion vernichtete wertvolles Kulturland. Als in den 1870er-Jahren die Gotthardbahn gebaut wurde, musste der Bund Holz für die Bauarbeiten im Tessin importieren.
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