
Geburt und Tod der Partisanenrepublik Ossola
Im Herbst 1944 befreiten Partisanen das Ossolatal und gründeten eine eigene Republik. Starke Unterstützung erhielten sie aus dem Tessin. Nach der Rückeroberung durch die Deutschen flohen Tausende in die Schweiz.
Herbst 1943 bis Sommer 1944
Die deutsche Präsenz in Norditalien verursachte einen massiven Zustrom von aufgelösten italienischen Soldatenverbänden und ehemaligen alliierten Gefangenen ins Locarnese. Aber sie waren nicht allein, zahlreiche Zivilisten und mindestens 30 jüdische Familien – insgesamt etwa 150 Personen – schafften im Herbst 1943 die Flucht in die Region Locarno. Dieser Andrang brachte die Region schnell in eine humanitäre Notlage. Um den Zustrom zu bewältigen, hatte die Schweizer Armee zwei Sammellager am Rande von Locarno eingerichtet: das erste in Quartino und das zweite in Cugnasco. Mitte Oktober 1943 wurden fast alle Flüchtlinge mit Nachtzügen durch den Gotthard Richtung Norden weitergeleitet. Insgesamt verliessen fast 20'000 Soldaten und Zivilisten das Tessin, um später in der Deutschschweiz und der Romandie interniert zu werden.
Im gleichen Zeitraum tötete die Leibstandarte Adolf Hitler mindestens 50 Juden in der Region Intra-Meina-Lago d'Orta. Die Beteiligung des Bataillons an den Massakern führte, im Gegensatz zu anderen deutschen Kriegsverbrechen in dieser Gegend, immerhin zu einige Urteilen. Zwei Offiziere wurden 1968 in Osnabrück zu lebenslanger Haft verurteilt, drei andere zu längeren Haftzeiten. Allerdings waren die Verurteilten bereits 1970 wieder auf freiem Fuss. Wegen eines Formfehlers beim Prozess!
Tessin wird Informationsdrehscheibe
Diese Situation veranlasste die Deutschen, ihre Tätigkeit in der Region zu verstärken. Die Aktionen gipfelte in der Ermordung von rund 200 Partisanen im Juni 1944. Unter der Führung von Oberstleutnant Ernst Weis «säuberten» 4200 Soldaten die Region des Val Grande, nördlich von Intra. Trotz einer Dezimierung der Partisanenverbände verbesserte sich die Lage der Deutschen nicht. Im Gegenteil. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde die Region von Locarno ein Faktor der Partisanenbewegung. Nicht nur konnten die ossolanischen Partisanen die Grenze leicht überqueren, auch wurde das Tessin zur wichtigen Drehscheibe des Widerstands gegen Deutsche und Faschisten. Hier wurde informiert und koordiniert und es wurde immer wieder unbürokratisch geholfen.
Die Partisanenrepublik Ossola und Locarno
Diese «Freie Republik» überlebte weniger als 40 Tage, vom 10. September bis zum 17. Oktober 1944. Die Führung bestand aus ehemaligen politischen Flüchtlingen, welche wenige Tage zuvor, meistens aus den Tessin, ins Ossolagebiet zurückkehrten. Die Tessiner Unterstützung wuchs schlagartig an. Lebensmittel, Geld und sogar Waffen und Munition wurden geliefert. Gleichzeitig bauten Tessiner und Ossolaner rasend schnell Wirtschaftsverbindungen auf, um Produkte in die Schweiz exportieren zu können, denn dies war der einzige Weg für die von Faschisten umschlossene Region.
Mehrere Tessiner Politiker, darunter die Sozialdemokraten Guglielmo Canevascini und Francesco Borella sowie der Gemeindepräsident von Locarno, Giovan-Battista Rusca, besuchten die Partisanenrepublik und sorgen dafür, dass die Unterstützung aus der Schweiz weiter intensiviert wurde. Diese politischen Kontakte bedeuteten auch eine zwar inoffizielle, aber wichtige Anerkennung des jungen Staats auf politischem Parkett.
Rückeroberung und Flüchtlingswelle


