Die schwimmenden Brücken auf dem Zürichsee
Das linke und das rechte Zürichseeufer scheint im Volksmund einiges zu trennen: Die «Pfnüselküste» und die «Goldküste». Wie gegensätzlich die Seeufer auch sein mögen, in einem Punkt herrscht Einigkeit: das verbindende Element sind die Zürichsee-Fähren.
Die «Pfnüselküste» steht wegen des früher auftretenden Schattens im Verdacht, bei ihren Bewohnern zu vermehrten Erkältungen zu führen. Die Südhanglage sorgt dagegen an der «Goldküste» für wesentlich mehr Sonnenstunden. Die eine Seite von Industrie geprägt, die andere als Wohngegend der Wohlhabenden. Wie kam es dazu, dass die beiden Zürichseeufer durch eine Fähre miteinander verbunden wurden?
Schwierige Anfänge
Der Zürichsee ist von Rapperswil bis Zürich rund 28 km lang, dabei aber nie mehr als 4 km breit. Der Idee, die zeitaufwändige Seeumfahrung durch eine Fährverbindung ungefähr in der Seemitte – zwischen Horgen und Meilen – zu verkürzen, wehte zunächst ein rauer Wind entgegen. Stammte sie doch ausgerechnet von einem Basler, dem Ingenieur und ehemaligen Direktor der Oberrheiner Schleppschifffahrtsgesellschaft, Julius Ott. Eine gemeinderätliche Studienkommission der Gemeinde Horgen befragte die Bevölkerung erstmals im September 1930 nach ihrer Meinung zu einer Fährverbindung. Diese würde es ermöglichen, «auf dem kürzesten Wege in die Ostschweiz zu gelangen ohne die schmale und gefährliche [!] Strasse über den Rapperswiler Damm oder die verkehrsdichten Strassen der Stadt Zürich benützen zu müssen». Erst als auf dem Bodensee und dem Vierwaldstättersee die ersten Autofähren in der Schweiz ihren Betrieb erfolgreich aufnahmen, gelangte das Projekt 1932 mit der Gründung der «Zürichsee-Fähre Horgen-Meilen AG» zum Durchbruch. Die Inbetriebnahme des ersten Fährschiffs «Schwan» verzögerte sich jedoch. Die mit zwei Dieselmotoren der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur und vier Propellern ausgerüstete Fähre war bei ihrer Wasserung nicht zu navigieren, sie endete in einer Karussellfahrt. Erst nach Nachrüstungen mit Steuerrudern und etlichen Mehrkosten nahm die Fähre am 4. November 1933 ihren Betrieb auf.
Nachhaltiger Erfolg
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten wandelte sich die Zürichsee-Fähre zu einem Erfolgsmodell. Bis Ende 1934 beförderte das Fährschiff «Schwan» insgesamt 190’812 Personen, 14’307 Fahrräder, 11’708 Personenwagen, 1087 Lastwagen und 1102 Fuhrwerke ans andere Seeufer. Obwohl die Betriebskosten stark anstiegen, erhielt die Zürichsee-Fähre ihren Betrieb nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zunächst aufrecht. Gleichzeitig waren jedoch aufgrund der Rationierung des Benzins kaum noch Personenwagen auf den Schweizer Strassen unterwegs. Infolgedessen musste der Fährenbetrieb am 1. November 1942 eingestellt werden. Der Wirtschaftsaufschwung in der Nachkriegszeit führte zu einer Vervielfachung der Anzahl Autos. Immer wieder mussten Fahrzeuge in Horgen und Meilen zurückgewiesen werden, weil die Fähre schon voll besetzt war. Nach dem bereits 1969 erfolgten Neubau der Fähre «Schwan» wurde ein Ausbau der Flotte notwendig: zur Fährenfamilie stiessen 1979 die «Meilen», 1991 die «Horgen», 1998 die «Zürisee» und 2003 die «Burg». Hergestellt wurden die Fährschiffe allesamt von der Bodan-Werft im deutschen Kressbronn. Der Flottenausbau machte sich bezahlt, weil die Nachfrage weiterhin anstieg und zum 10-Minuten-Takt übergegangen werden konnte. Am Wochenende des «Züri Fäschts» im Sommer 2007 benutzten rund 20'000 Fahrzeuge und über 33'000 Personen die Ausweichroute über den See.
Aussergewöhnliche Ereignisse
Abgesehen vom täglichen Normalbetrieb spielten sich zwischen Horgen und Meilen bereits aussergewöhnliche Ereignisse ab. Unvergessen bleibt die Rettung der bekannten Experimentalfilmerin Isa Hesse-Rabinovitch (1917-2003) am 20. Mai 1996. Die Schwiegertochter von Hermann Hesse verwechselte das Gas- mit dem Bremspedal, worauf ihr Opel Corsa die Spanngurte der Fähre «Meilen» durchschlug und mitsamt der 78-jährigen Fahrerin in den 13 Grad kalten Zürichsee fiel. Während das Auto zu einem U-Boot mutierte, sprang der Fährenmann Ruedi Rohr ins Wasser und rettete Frau Hesse und ihren Hund «Gipsy». Aufgrund seines mutigen Eingreifens schaffte es Rohr auf die Titelseite der Boulevardzeitung «Blick». Im gleichen Jahr entdeckte Roger Cardinal von «Condor Films» die Zürichsee-Fähren als Kulisse für seinen Film «Lost Daughter». Richard Chamberlain, der später mit der Serie «Die Dornenvögel» Weltruhm erlangen sollte, fährt darin auf der Fähre «Schwan» in den Meilener Hafen ein.
Nur selten konnten Naturgewalten den zuverlässigen Fährenbetrieb behindern. Eine Ausnahme war der Orkan «Lothar», der am 26. Dezember 1999 auf dem Zürichsee für meterhohe Wellen sorgte. Die nach Meilen ausgelaufene Fähre «Horgen» konnte infolgedessen nicht an der dortigen Ländeanlage andocken. Dem Schiffsführer blieb nur die Umkehr zum Ausgangspunkt.