Die Chiffriermaschine CX-52 und ein Spionage-Skandal
Die CX-52 war eine der ersten von der Firma «Crypto AG» in der Schweiz hergestellten Chiffriermaschinen. Sie ist ein begehrtes Sammlerobjekt und Symbol für den grössten Spionageskandal seit dem Zweiten Weltkrieg.
Das Gerät sieht harmlos aus und gleicht etwas einer Registrierkasse: Man stellt über eine Wählscheibe den Buchstaben ein, den man verschlüsseln will, betätigt einen Hebel an der rechten Seite und liest dann auf dem äusseren Rand der Scheibe den verschlüsselten Buchstaben ab. Die Verschlüsselung regelt man mit den sechs Rotoren, die auf der Vorderseite des Gerätes sichtbar sind. Die CX-52 war das erste Gerät, welches der Schwede Boris Hagelin mit seiner Schweizer Firma Crypto AG im Jahr 1952 auf den Markt brachte. Wurde es richtig bedient, dann war es sicher. Später produzierte Hagelin weitere Varianten des Gerätes, die einfach zu knacken waren.
Die Geschichte von Boris Hagelin und seiner Firma Crypto AG liest sich heute wie ein Agentenroman: Boris Hagelin (1892-1983), geboren in Russland, war Elektroingenieur und trat 1922 in die schwedische Firma AB Cryptograph ein, die damals der Familie Nobel gehörte. Bald konnte er die Firma übernehmen und führte sie unter den Namen AB Cryptoteknik weiter. Dort entwickelte er verschiedene Chiffriermaschinen. Eine davon konnte er im Zweiten Weltkrieg der US-Armee verkaufen: Die US-Armee produzierte davon unter dem Namen M-209 mehr als 140 000 Stück. Schweden schränkte nach dem Krieg den Export von Chiffriermaschinen ein, weil man sie als Rüstungsgüter betrachtete. So kam Boris Hagelin in die Schweiz und gründete 1952 die Crypto AG.
Boris Hagelin hatte durch seine Geschäfte beste Kontakte mit den USA, namentlich mit dem legendären Kryptologen William F. Friedman (1891-1969), der ursprünglich ebenfalls aus Russland stammte und später Leiter der Kryptografie Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes NSA wurde. 2015 hat die NSA Tausende von Dokumenten von Friedman freigegeben, davon betreffen 400 Boris Hagelin und die Crypto AG. Heute wissen wir: Friedman und Hagelin vereinbarten schon anfangs der 1950er-Jahre eine weitgehende Zusammenarbeit und tauschten sich regelmässig aus.
An der CX-52 hatte die NSA anfänglich wenig Freude: Sie war schwer zu knacken. Aber man fand bald einen Trick: Wurde die CX-52 nicht richtig bedient, war sie für den Geheimdienst eine leichte Beute. Deshalb produzierte die NSA «alternative» Handbücher für die Crypto AG. Bei späteren Maschinen produzierte die Firma Crypto AG verschiedene Versionen der Maschinen, sichere und weniger sichere. Die sicheren gingen an die Nato-Staaten und die Schweiz, alle übrigen Staaten erhielten weniger sichere Maschinen. Der amerikanische Geheimdienst redete fortan bei allen Entwicklungen der Crypto AG mit.
1970 verkaufte Boris Hagelin seine Firma. Über eine Tarnfirma übernahmen der deutsche Bundesnachrichtendienst und die CIA die Crypto AG. Es gab schon in den 1970er-Jahren Crypto-Mitarbeiter, welche Verdacht schöpften. In einem Fall ermittelte die Bundesanwaltschaft sogar – allerdings ohne Resultat. 1992 wurde der Verkaufsingenieur Hans Bühler in Teheran verhaftet mit dem Vorwurf er sei ein Spion. Er blieb neun Monate in Haft. Nach seiner Rückkehr entliess ihn die Firma Crypto AG. Bühler enthüllte darauf in den Medien den wahren Grund für seine Verhaftung: Die Iraner hatten den Verdacht, die Crypto-Geräte hätten eine Hintertür für den US-Geheimdienst. Der Verdacht konnte nicht stichhaltig bewiesen werden, er liess sich aber nicht aus der Welt schaffen. Im Februar 2020 tauchte ein Geheimdienstdokument auf, das die Vorgänge rund um die Crypto AG detailliert beschrieb und diese Vermutungen bestätigten: Es handelte sich um eine gemeinsame Operation des Bundesnachrichtendienstes BND und der CIA. Sie trug den Namen Thesaurus später Rubikon, der Tarnname für Crypto lautete Minerva. Demnach waren diese Dienste in der Lage den verschlüsselten Nachrichtenverkehr von über 130 Staaten mitzulesen.