Die Schweiz und ihr Geld
Vor 1850 bezahlte man in der Schweiz mit Dicken, Rösseler oder Cornuto. Erst seit 1850 ist der Franken die einheitliche nationale Währung. Ein Blick in die Geldbörsen vergangener Tage.
Die Schweiz hat mit dem Schweizer Franken seit 1850, das heisst kurz nach der Gründung des modernen Bundesstaats 1848, dieselbe Währung. Diese einheitliche Münzprägung von Franken und Rappen und ihren Mehrfachen täuscht darüber hinweg, dass in der Alten Eidgenossenschaft eine beachtliche Vielfalt von Münzsystemen und zugehörigen Wertstufen geprägt wurde: Im Ancien Régime verfügten alle 13 eidgenössischen Orte – mit Ausnahme von Appenzell Ausserrhoden – über eigene Münzstätten. An vielen Orten in der Schweiz konnte zudem mit fremden Münzsorten bezahlt werden, und schon im Mittelalter hatten sich zahlreiche Bistümer, Fürstabteien, aber auch Herzöge oder Grafen das Münzrecht verleihen lassen. So erstaunt es nicht, dass es in der Schweiz im Verlauf der Zeit unzählige Münzsorten mit unterschiedlichsten Namen gegeben hat, von denen heute kaum jemand mehr weiss. Oder hätten Sie gedacht, dass man in der Schweiz früher mit einem Dicken oder einem Rösseler bezahlen konnte? Oder dass, wenn man in Lausanne im 16. Jahrhundert nach dem Preis fragte und als Antwort «Cornuto!» zu hören bekam, dies tatsächlich die erhoffte Antwort und keine Beleidigung war?
Einige der heute abenteuerlich klingenden Münznamen leiteten sich von den Bildern auf diesen Münzen ab: Ein Kreuzer trug ein Kreuz, ein Cavallotto einen Reiter, ein Testone einen Kopf. Doch diese Münznamen wurden in der Schweiz oft verändert, nicht zuletzt aufgrund der Sprachgrenzen: Während der zuerst in Venedig geprägte Testone in der Schweiz bald keinen Kopf mehr als Münzbild trug und deswegen aufgrund der im Vergleich zur Breite auffällig dicken Münze schlicht «Dicken» genannt wurde, wurden die einen Reiter – in der Schweiz zumeist der heilige Martin – wiedergebenden Cavallotti im deutschen Sprachgebrauch zumeist als «Rösseler» übersetzt. Die im savoyischen Raum geprägten Cavallotti wiederum wurden als «Cornuto» (Gehörnter) bezeichnet, weil die geflügelte Helmzier auf der Vorderseite als Hörner missverstanden wurde.
Wie der Franken zu seinem Namen kam
Neben den Bildern wurde auch die auf den Münzen mitgeprägte Schrift zum Anlass genommen, um Wertstufen zu bezeichnen: Der Franken leitet sich von französischen Münzen mit der Bezeichnung FRANCORVM REX ab, dem Titel «König der Franken» des französischen Königs, wobei FRANCORVM oftmals mit FRANC abgekürzt wurde. Auch der Dukat, eine weit verbreitete Goldmünze, die erstmals im Jahr 1482 in Venedig geprägt wurde, hat so seinen Namen erhalten: SIT T XPE DAT Q TV REGIS ISTE DVCAT (Es sei Dir, Christus, dieses Herzogtum zur Herrschaft gegeben) steht auf den ersten Dukaten auf der Rückseite geschrieben. Der Münzname leitet sich somit vom lateinischen Wort für Herzogtum ab.
Aber auch die Prägeorte von Münzen konnten zu deren Namen werden: So wurde ab dem Spätmittelalter in weiten Teilen der Schweiz der Haller oder Heller als kleinste Wertstufe geprägt. Der Name leitet sich von Schwäbisch Hall ab, wo seit dem 13. Jahrhundert eine wichtige Reichsmünzstätte betrieben wurde. Die dort geprägten Silbermünzen liefen auch in Teilen der Schweiz um, der Name Haller wurde schliesslich für das eigene Kleingeld übernommen. Auch der Taler, der seinerseits wiederum Namensgeber des Dollars war, leitet seinen Namen von einem Prägeort ab: Das um 1516 entdeckte reiche Silbervorkommen von Sankt Joachimsthal (heute: Jáchymov in Tschechien) führte ab 1519 zu einer beachtlichen Produktion von Guldinern – Silbermünzen im Wert eines Goldguldens. Diese wurden bald unter der Bezeichnung «Joachimsthaler» bekannt, später verkürzt zu «Taler». Auch wenn in der Schweiz bereits ab 1493 Guldiner geprägt worden waren, so etablierte sich in der Folge dennoch auch hier die Bezeichnung «Taler» für diese rund 29 Gramm schweren Silbermünzen.
Missverständnisse bei der Namensgebung
Manche Münznamen verdanken wir aber auch Missverständnissen oder gar Schmähungen: Der Münzname Angster, ein um 1340 erstmals im Raum Basel nachweisbarer doppelter Pfennig, hat seinen Namen vermutlich von angustus, dem lateinischen Wort für eng, spärlich, gering. Ob man sich dabei auf die dünne Prägung oder den geringen Wert bezog, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Sicherlich aber wurde der Münzname falsch verstanden, als man ihn im Tessin und Norditalien mit dem Dialektwort für «sich ängstigen» (spagurás, spagüras) übersetzte. Mit einer charmanten Schweizer Endung versehen, findet sich diese nun als «Spagürli» bezeichnete Kleinmünze in Schweizer Schriftquellen des 15. Jahrhunderts wieder. Spagürli wurden in der Folge auch in Luzern und im Bistum Sitten geprägt.
Mit Absicht hingegen wurden Münzen aus der Münzstätte in Freiburg im Breisgau missverstanden: Ein nicht so sehr geglücktes Münzbild sollte dort den Reichsadler wiedergeben, wurde aber aufgrund seines Aussehens als Rabe beschimpft. Dieser Rabe (beziehungsweise Rappen) wurde – nunmehr nur noch Münzname, das Münzbild wurde von Ort zu Ort angepasst – dank des sogenannten Rappenmünzbundes auch in Schweizer Münzstätten geprägt und fand schliesslich als Hundertstel des Franken seinen Weg in die Münzprägung der modernen Schweiz. Einen noch schwierigeren Start hatte der erstmals 1492 in Bern geprägte Batzen: Aufgrund einer aufgezwungenen Abwertung um 21 Prozent Rollbatzen (Dreck- oder Kotklumpen) genannt, wurde er in Bern aber bald als Bätz (Bär) umgedeutet, was sicher auch mit der zwischenzeitlichen Akzeptanz dieser weit herum imitierten Münzsorte zusammenhängt.
Sie sehen, die Schweiz und ihr Geld, das war schon früher eine spannende Sache. So gesehen ist es fast schon langweilig, wenn wir heute nur noch mit Franken und Rappen bezahlen. Ein bisschen schmunzeln dürfen Sie aber dennoch, wenn Sie das nächste Mal beim Einkaufen mit Franzosen und Rabenvögeln bezahlen.