
Desinfizierte Briefe
Von Cholera bis Corona – Epidemien hatten stets auch Auswirkungen auf den Postbetrieb in der Schweiz. Ein Blick in die Archive der PTT zeigt, wie vergangene Krisensituationen bewältigt wurden.
Machtlos gegen die Grippe
Tatsächlich war, aller Massnahmen zum Trotz, gegen die Grippe kein Kraut gewachsen. Die Krankheit, die landesweit schätzungsweise 25'000 Menschenleben kostete, traf auch die Postdienste mit voller Härte. Die durch ihre Tätigkeit stark exponierten Pöstler fielen reihenweise aus: Insgesamt rund die Hälfte des gesamten Personals dürfte sich bis im Sommer 1919 mit der Grippe angesteckt haben. Trotz Einstellung zahlreicher Aushilfen – sogar Kinder wurden mancherorts zu Temporärpöstlern –, gelang es nicht überall, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Manche Poststellen mussten auf dem Höhepunkt der Pandemie zeitweise schliessen. Betroffen war unter anderem die Stadt Solothurn. Am 19. Oktober 1918 ging bei der Kreispostdirektion die Meldung ein, dass für die Aufrechterhaltung des Betriebs in der Poststelle Solothurn Industriequartier mindestens drei Beamte fehlen würden. Eine fieberhafte Suche nach Ersatz blieb erfolglos, zwei Tage später wurde die Poststelle geschlossen. Und selbst auf der Solothurner Hauptpost mussten die Öffnungszeiten reduziert werden.


Die Seuche und das liebe Vieh
Mancherorts sorgte die Maul- und Klauenseuche aus heutiger Sicht für unvorstellbare Zustände, so etwa im bernischen Suberg: Da ein betroffener Bauer gleichzeitig auch Posthalter der Gemeinde war, wurde mit dem Bauernhof gleich auch das Postbüro samt Pöstler Baumann für drei Wochen unter Bann gesetzt. Eine temporäre Poststelle wurde daraufhin im örtlichen Schulhaus installiert, zum Briefträger kurzerhand der Landjäger bestimmt. Improvisieren war einige Monate später auch in der Seeländer Gemeinde Finsterhennen gefragt. Da das Dorf über keine eigene Poststelle verfügte, die Nachbarsgemeinde Siselen, wo sich die zugehörige Post befand, jedoch zur Bannzone erklärt wurde, musste eine temporäre Postablage geschaffen werden. Fündig wurde man wiederum im Schulhaus, die Postgeschäfte besorgte in diesem Fall jedoch der Dorflehrer. Wie der Landjäger in Suberg galt er als vertrauenswürdig genug, wenn es etwa um die Wahrung des Postgeheimnisses ging.
Bannzonen und Dorfpolizisten als Aushilfspöstler – auch wenn die Post gegenwärtig erneut durch eine Pandemie herausgefordert wird: Solch spektakuläre Massnahmen wie vor 100 Jahren waren bislang glücklicherweise nicht nötig.

