Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester

Der Fechtmeis­ter mit dem pädago­gi­schen Flair

Wie der Basler Handwerker Joachim Meyer (1537–1571) ein Lehrbuch zum Schwertkampf herausgibt, das seiner Zeit in Sachen Didaktik einiges voraus ist.

Dr. Daniel Jaquet

Dr. Daniel Jaquet

Historiker, Forscher beim Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

Damit du aber bei solchem umso geübter werdest, so sollst du mit dem ersten Hieb immerfort abwechseln. Also, wenn du einmal deinen ersten Hieb zur linken oberen Blösse und den anderen zu seiner rechten unteren Blösse und so weiter wie oben gelehrt (wie es die äussersten Ziffern in der nebenstehenden Figur anzeigen) gehauen hast, so sollst du demnach auch den ersten gegen seine Linke unten hauen, und den andern gegen seine Rechte oben und dann weiter wie die zweite Zahl in der Figur es lehrt. Danach haue den ersten Hieb zu seiner Rechten unten, den nächsten zu seiner Linken oben und so weiter, wie dich die dritte Zahl anweist. Zuletzt haue deinen ersten Hieb gegen seine Rechte und weiter, wie es die innerste Zahl aufzeigt. Unterweisung mit dem Langschwert (Buch 1, Kap. 10)
Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Österreichische Nationalbibliothek
Ende des Mittelalters ist die Kunst des Schwertkampfes nicht nur den «Rittern» vorbehalten, sondern wird mit unterschiedlichen Praktiken in allen Gesellschaftsschichten ausgeübt – vom Bürgerlichen in der städtischen Miliz über den Studenten, den Soldaten oder auch den bescheidenen Handwerker bis hin zum jungen Aristokraten. Joachim Meyer war Handwerker aus Basel und erlangte durch Heirat Zugang zur Strassburger Bourgeoisie. Er war nicht nur Messerschmied, sondern auch «Freyfechter», Fechtmeister und Autor der besten Fechthandbücher seiner Zeit. 1537 wird Joachim Meyer als Sohn eines Papierhändlers geboren. Er macht die Lehre zum Messerschmied. Seine Gesellenbruderschaft schickt ihn nach Strassburg, wo er 1560, kurz nach seiner Heirat mit Appolonia Rülmann, in die städtische Bourgeoisie aufsteigt. Nachdem er sich als Messerschmied etabliert hat, zeigt er parallel auch sein Können als «Freyfechter» und dann als Fechtmeister. Mit Genehmigung des Stadtrates organisiert er Fechtwettkämpfe (genannt «Fechtschul») in den Jahren 1561, 1563, 1567 und 1568. 1570 publiziert er beim Strassburger Verleger Thiebolt Berger mit kaiserlichen Privilegien ein Werk mit dem Titel «Gründtliche Beschreibung der freyen Ritterlichen und Adelichen Kunst des fechtens» (digitale Version). Das Werk ist Johan Casimir gewidmet, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern. Es beinhaltet 64 Holzschnitte des Schweizer Künstlers Tobias Stimmer, der für seine Gestaltung der astronomischen Uhr von Strassburg bekannt ist (obwohl diese Zuschreibung in der Forschung umstritten ist). Joachim Meyer verschuldet sich durch die Veröffentlichung der Schnitte und verpflichtet sich, seine Schulden bis Weihnachten 1571 zu begleichen. So willigt er ein, Strassburg 1570 zu verlassen und als Fechtmeister in den Dienst des Herzogs Johann Albrecht I. zu Mecklenburg in Schwerin zu treten. Davon erhofft er sich bessere Einkünfte und gute Verkaufsmöglichkeiten für sein Buch. Er stirbt mit 34 Jahren, vermutlich an den Folgen der winterlichen Reise durch das Kaiserreich, und erlebt damit nicht mehr, wie sein Werk berühmt wird und einen grossen Nachhall hinterlässt.
Titelseite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Titelseite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570.
Kolorierte Seite aus Meyers Lehrbuch. Strassburg, 1570. Michael Chidester
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In vielerlei Hinsicht sind seine Schriften sehr modern: Er beschreibt eine Kunst, die «schwierig zu Papier zu bringen» ist, mit Präzision, Geduld und Intelligenz. Den Inhalt gestaltet er als Wechsel zwischen Text und Bildanleitungen, sodass der Leser das Buch – nach ordnungsgemässer Unterweisung durch einen Meister – als Erinnerungsstütze verwenden kann. Das Buch beschreibt die Lehre mit dem Langschwert (als grundlegendes Fechtgerät jener Zeit), mit dem Dussak (einhändige Waffe mit gebogener Klinge), mit dem Rapier (Übergangswaffe, später Schwert der Musketiere), mit dem Dolch, im Ringkampf, mit der Stange, der Hellebarde und dem Langspiess. Sein Handbuch hat jene Zeit mitgeprägt und spätere Autoren markant beeinflusst (einige haben ihn auch plagiiert). Ausserdem hinterlässt er der Nachwelt wenigstens zwei Manuskripte, von denen eines eine Anthologie von früheren Werken mittelalterlicher Autoren enthält.
Zweihänder (Langschwert) aus Deutschland, um 1580 (oben), Rapier (Stossdegen), um 1550 – 1600 (Mitte), Halbarte (Hellebarde), um 1525 – 1550 (unten).
Zweihänder (Langschwert) aus Deutschland, um 1580 (oben), Rapier (Stossdegen), um 1550 – 1600 (Mitte), Halbarte (Hellebarde), um 1525 – 1550 (unten). Schweizerisches Nationalmuseum

Serie: 50 Schweizer Persönlichkeiten

Die Geschich­te einer Region oder eines Landes ist die Geschich­te der Menschen, die dort leben oder lebten. Diese Serie stellt 50 Persön­lich­kei­ten vor, die den Lauf der Schweizer Geschich­te geprägt haben. Einige sind besser bekannt, einige beinahe vergessen. Die Erzählun­gen stammen aus dem Buch «Quel est le salaud qui m’a poussé? Cent figures de l’histoire Suisse», heraus­ge­ge­ben 2016 von Frédéric Rossi und Christo­phe Vuilleu­mier im Verlag inFolio.

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