
König der Bauern
Wie sich Niklaus Leuenberger (1615–1653) zum Anführer der Bauern im Aufstand gegen die Obrigkeit aufschwingt und dafür mit dem Leben bezahlt.
Fünf Jahre zuvor war der Dreissigjährige Krieg zu Ende gegangen und obwohl die Schweiz nicht unter dem Konflikt gelitten hatte, schaffen es die eidgenössischen Bauern seither kaum mehr, ihre Erzeugnisse auf der anderen Seite des Rheins zu verkaufen. Schweizer Lebensmittel, Vieh und Rohstoffe waren während den Jahren der Plünderungen und der Verwüstung in Süddeutschland hochgeschätzt gewesen. Nun wurde das Geld sowohl auf dem Land als auch in den Städten knapp. Im Dezember 1652 setzte Bern im Kampf gegen die Inflation den Wert seines Kupfergelds um die Hälfte herab – bald folgten auch andere Städte wie Luzern diesem Beispiel. Nachdem der wirtschaftliche Rückgang in Deutschland sie bereits voll getroffen hatte, verloren die Bauern innerhalb von Stunden einen Grossteil ihres Vermögens. In den bernischen und luzernischen Tälern schlug der Unmut in Wut um. Es waren sogar Vertreter in die Städte entsandt worden, doch sie wurden dort nicht angehört. Empört beriefen die kriegslustigsten Bauern nach der Messe vom 10. Februar 1653 rasch eine Landsgemeinde in Heiligkreuz ein, um den Widerstand zu organisieren. Von Bern bis Luzern wehte ein kriegerischer Wind.

Dann die plötzliche Wendung: Die Städte schafften es, einen Teil der Aufständischen zu überzeugen, die Waffen niederzulegen. Allerdings wichen diejenigen aus dem Entlebuch keinen Millimeter von ihrer Position ab und konnten ihren Bund mit dem Emmental aufrechterhalten.
Die Städte waren isoliert und hatten nur mässig motivierte Streitkräfte, da diese vor allem auf dem aufständischen Land rekrutiert worden waren. So baten sie die anderen Kantone erneut um militärische Hilfe, um die Revolte in den Griff zu bekommen. Hoffnungsvoll erwarteten Bern und Luzern die Hilfe der anderen Schweizer Städte und lehnten das Ultimatum der Bauern vom 18. Mai ab. Angesichts der Sturheit des städtischen Patriziats teilte Niklaus Leuenberger seine Streitkräfte. Er selber führte am 22. Mai 1653 eine Armee vor die Tore von Bern, den Rest der Rebellen vertraute er Hans Emmenegger an, der Luzern belagerte.
Niklaus Leuenberger hob die Belagerung auf und zog sich zurück. Seine unilaterale Entscheidung wurde jedoch nicht von der Bauernschaft mitgetragen. Sie weigerte sich, den Huttwilerbund aufzulösen. Zürich wusste nichts von den neuesten Entwicklungen und erhob gemäss der Entscheidung der Tagsatzung am Tag nach der Schliessung dieses wackligen Friedens eine Armee aus den Untertangebieten Zürichs, aus dem Thurgau und Schaffhausen und stellte sie unter das Kommando von Conrad Werdmüller. Das Bundeskontingent aus 8000 Mann, einer Kavallerie mit 800 Pferden und 18 Kanonen zog in Richtung Aargau, wo die verbündeten Streitkräfte sich zwei Monate zuvor zurückgezogen hatten. Innerhalb von drei Tagen kontrollierte Werdmüllers Armee die Schlüsselstelle in Mellingen, die Reuss, einige Kilometer vom Schloss Lenzburg entfernt. Leuenberger hatte sich mit 24'000 Aufständischen in den nahen Hügeln verschanzt und schickte eine Delegation zu Werdmüller, um ihn über das Abkommen mit Bern zu unterrichten. Der Zürcher Hauptmann verlangte jedoch die bedingungslose Kapitulation der Bauern und provozierte so, dass die Aufständischen zu den Waffen griffen. Am 3. Juni führte Niklaus Leuenberger den Angriff auf die Armee der Tagsatzung zwischen den Hügeln von Wohlenschwil, infolgedessen ein Teil des Dorfes zerstört wurde. Die besiegten Streitkräfte des «Bauernführers» zogen sich nach Westen zurück. Vier Tage später setzte das Berner Korps unter Sigmund von Erlach den letzten Rest von Leuenbergers Armee während einer Strafexpedition in den Rebellendörfern, bei welcher das Korps Bauernhöfe plünderte und die Stadtmauern von Wiedlisbach einriss, in der Umgebung des Dorfes Herzogenbuchsee 60 Kilometer entfernt fest. So beendete Sigmund von Erlach das Abenteuer der Emmentaler Bauern und des Huttwilerbunds.

Serie: 50 Schweizer Persönlichkeiten
Die Geschichte einer Region oder eines Landes ist die Geschichte der Menschen, die dort leben oder lebten. Diese Serie stellt 50 Persönlichkeiten vor, die den Lauf der Schweizer Geschichte geprägt haben. Einige sind besser bekannt, einige beinahe vergessen. Die Erzählungen stammen aus dem Buch «Quel est le salaud qui m’a poussé? Cent figures de l’histoire Suisse», herausgegeben 2016 von Frédéric Rossi und Christophe Vuilleumier im Verlag inFolio.


