Das Palais von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais und seiner Frau in der Nähe der Bastille, um 1788
Das Palais von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais und seiner Frau in der Nähe der Bastille, um 1788. Gemälde von Jean-Baptiste-François Génillion (1750–1829). Musée Carnavalet

Harfe, Literatur und Revolution

Wie Marie-Thérèse Willermaulaz (1751–1816) zur Waise wurde, das Harfenspiel lernte, sich in einen grossen Literaten verliebte und bei der Französischen Revolution hautnah dabei war.

Alain-Jacques Tornare

Alain-Jacques Tornare

Historiker, emeritierter Lehrbeauftragter der Universität Freiburg.

Marie-Thérèse Amélie Willermaulaz (Vuillermaulaz) war Schriftstellerin und die Ehefrau eines der berühmtesten und beneidenswertesten Männer Frankreichs: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (1732–1799), Autor von Der Barbier von Sevilla und Die Hochzeit des Figaro. In Paris war Marie-Thérèse Willermaulaz bekannt für ihre Schönheit und ihren Verstand. Ihre Briefe wurden für Meisterwerke befunden und ihre Freunde nannten sie die «zweite Sévigné». Die revolutionären Zeiten, die die Grundlage für das heutige Frankreich legten, erlebte sie hautnah mit.
Portrait von Madame Beaumarchais, née Willermaulaz, in jungen Jahren.
Portrait von Madame Beaumarchais, née Willermaulaz, in jungen Jahren. FALKENSTEINFOTO / Alamy Stock Foto
Ihr Vater François-Joseph Willermaulaz war 1725 in Charmey geboren worden und arbeitete in Lille als Portier im Stadthaus der Familie Dreux-Brézé. 1751 heiratete er die sechs Jahre jüngere Marie-Thérèse Werquin. Ihre erste Tochter Marie-Thérèse-Amélie wurde am 14. November 1751 geboren. Die Mutter verschied am 20. Januar 1756 mit nur 24 Jahren in Paris und François-Joseph folgte ihr kurz darauf, am 25. Januar 1757 im Alter von 31 Jahren ins Grab. Marie-Thérèse-Amélie wurde mit sechs Jahren zur Waise. Die Familie Dreux-Brézé kümmerte sich um das Mädchen, ermöglichte ihr eine gute Bildung und Harfenunterricht – ein Instrument, das sie wunderbar beherrschte und in verschiedenen Stilen zu spielen wusste. Ihren Ehemann Caron de Beaumarchais lernte die junge Dame unter besonderen Umständen kennen. Am 26. Februar 1774 war er bei einem denkwürdigen Korruptionsprozess vor dem Pariser Parlament gerügt worden. Marie-Thérèse Willermaulaz war von diesem Schiedsspruch bewegt und wollte ihn um jeden Preis treffen, um ihm ihre Bewunderung auszudrücken. Unter dem Vorwand, für Musik sorgen zu wollen, bat sie ihn, ihr für ein paar Augenblicke seine Harfe auszuleihen.
Pierre Augustin Caron de Beaumarchais im Alter von 23 Jahren. Gemälde von Jean-Marc Nattier.
Pierre Augustin Caron de Beaumarchais im Alter von 23 Jahren. Gemälde von Jean-Marc Nattier. Wikimedia
Sie verliebten sich sofort. Marie-Thérèse Willermaulaz wurde die Geliebte von Beaumarchais und brachte am 5. Januar 1777 ein Mädchen, Amélie Eugénie, zur Welt. 1783 heiratete das Paar. Für Beaumarchais war es bereits das dritte Mal – mit dieser Ehefrau würde er aber um einiges glücklicher werden, als er es mit den beiden vorherigen war. Beaumarchais’ literarisches Leben begann 1767 mit «Eugénie» und erreichte 1775 mit seinen zwei Meisterwerken Der Barbier von Sevilla und 1784 mit Die Hochzeit des Figaro zum Höhepunkt, also in der inoffiziellen Zeit der Liaison von Beaumarchais und Marie-Thérèse Amélie Willermaulaz. Dabei war sie ihm nicht einfach eine zarte Ehefrau, sondern diejenige, die ihm ermöglichte, das Beste aus sich hervorzubringen. Die junge Frau beeinflusste den 50-Jährigen entscheidend und blieb ihm bis zum Schluss eng verbunden. Als er nach der Vorstellung seines Figaro auf Befehl von Ludwig XVI. ins Gefängnis Saint-Lazare gesteckt wurde, beharrte er darauf, erst nach einem begründeten Urteil wieder herauszukommen. Marie-Thérèse Amélie konnte ihn überreden, wieder zu ihr zurückzukehren.
Caron de Beaumarchais wird auf Befehl von Ludwig XVI. ins Gefängnis Saint-Lazare gesteckt.
Caron de Beaumarchais wird auf Befehl von Ludwig XVI. ins Gefängnis Saint-Lazare gesteckt. Druckgrafik um 1785. Bibliothèque nationale de France
In einem Haus an der Rue Vieille-du-Temple richtete er sein Sekretariat ein, das unter der Aufsicht seiner liebenswerten Hausfrau, wie er sie oft nannte, ab da quasi als Organisationszentrale diente. Anfang 1789 richtete sich Beaumarchais mit seiner Frau, seiner Tochter, seiner Schwester Julie und seinem Freund Gudin de la Brenellerie im prachtvollen Stadtpalais gegenüber der Bastille am Eingang zum Ortsteil Sant-Antoine ein. Unsere Musikerin und brillante Intellektuelle wurde zur Gastgeberin und besuchte oft die Thelusson in Paris. Mit dem Bankier Jean-Frédéric Perregaux pflegte sie eine freundschaftliche Verbindung.
Das «Fête de l’Unité» auf dem Place de la Révolution in Paris, um 1793. Gemälde von Pierre-Antoine Demachy (Ausschnitt).
Das «Fête de l’Unité» auf dem Place de la Révolution in Paris, um 1793. Gemälde von Pierre-Antoine Demachy (Ausschnitt). Musée Carnavalet
Nachdem Beaumarchais im September 1792 während den Wirren der Revolution emigriert war, stellte Marie-Thérèse Amélie ihre Entschiedenheit und Tatkraft unter Beweis. Sie kehrte nach Paris zurück, wo sie – ihr Leben riskierend – ihre Interessen besser verteidigen konnte. Sie ging sogar auf Konfrontationskurs mit dem Wohlfahrtsausschuss, um die Aufhebung des Beschlagnahmungsbeschlusses über ihre Immobilien zu erwirken. Sie wehrte sich geschickt, mit Händen und Füssen, lehnte sich mit Entschlossenheit auf und wandte sich am 22. März 1794 mit einem energischen Protest an die «Vertreter des Volkes, die den Sicherheitsausschuss des Nationalkonvents bilden». Dennoch wurde «Marie-Thérèse Hémélie (sic) Willermaulas, Frau von Caron Beaumarchais, emigriert» am 6. Juli 1794 festgenommen, nach dem Sturz Robespierres jedoch wieder freigelassen. Sofort unternahm Marie-Thérèse Amélie alles, um die Rückkehr ihres Mannes voranzutreiben, und sorgte dafür, dass er nicht vergessen wurde: Sie liess mehrere seiner Stücke aufführen und frischte sie bei Bedarf ein wenig auf. Nach vier Jahren Abwesenheit kehrte Beaumarchais am 5. Juli 1796 nach Frankreich zurück und konnte im Sommer 1797 wieder in sein früheres Domizil im Vorort Saint-Antoine einziehen.
Bühnenbild Beaumarchais’ Figaro, um 1785.
Bühnenbild Beaumarchais’ Figaro, um 1785. Schweizerisches Nationalmuseum
Marie-Thérèse Amélie war nicht nur die dritte Frau des Schriftstellers, sondern auch seine vierte. Während der Terrorherrschaft war sie gezwungen gewesen, sich scheiden zu lassen, um nicht verdächtig zu wirken. Doch gleich nach seiner Rückkehr 1796, heiratete sie den Man ihres Lebens erneut. Nach seinem Tod hielt sie die Erinnerung an ihn hoch. Um 1806 kehrte sie auf das Drängen ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes eine Zeit lang in die Pracht des weltlichen Lebens zurück. Das Palais wurde zu einem Ort der Begegnung.
Portrait von Madame Beaumarchais, née Willermaulaz, basierend auf einer Miniatur aus dem 18. Jahrhundert.
Portrait von Madame Beaumarchais, née Willermaulaz, basierend auf einer Miniatur aus dem 18. Jahrhundert. Bibliothèque nationale de France
Marie-Thérèse Amélie hatte ein angenehmes, einnehmendes Gemüt und besass einen von den Philosophen und Literaten des 18. Jahrhunderts geformten Geist. So hatte sie keine enge Verbindung zum katholischen Glauben und suchte keine Hilfe in der Religion, im Gegensatz zu ihrem Mann, der in der Seele skeptisch und im Herzen deistisch war. Die elegante und unabhängige Schriftstellerin, die zudem auch geschickt Geschäfte machen konnte, blieb ohne Anerkennung: Sie stand immer im Hintergrund. Sie starb am 1. August 1816 in Paris und hinterliess eine umfassende, zum grössten Teil unveröffentlichte Korrespondenz in eleganter, gleichmässiger Handschrift, die von ihrer Sensibilität und Charakterstärke zeugt. Erst zweihundert Jahre später kam man auf die Idee, sie zu veröffentlichen. 1996 spielte die Schauspielerin Sandrine Kiberlain die Rolle der Franko-Greyerzerin im Film Beaumarchais – Der Unverschämte von Édouard Molinaro mit dem Bühnenstück von Sacha Guitry als Vorlage.

Serie: 50 Schweizer Persönlichkeiten

Die Geschich­te einer Region oder eines Landes ist die Geschich­te der Menschen, die dort leben oder lebten. Diese Serie stellt 50 Persön­lich­kei­ten vor, die den Lauf der Schweizer Geschich­te geprägt haben. Einige sind besser bekannt, einige beinahe vergessen. Die Erzählun­gen stammen aus dem Buch «Quel est le salaud qui m’a poussé? Cent figures de l’histoire Suisse», heraus­ge­ge­ben 2016 von Frédéric Rossi und Christo­phe Vuilleu­mier im Verlag inFolio.

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