
«Videospiel bis zum Exzess»
Mit dem Boom der Konsolen und Computerspielen in den 1990er-Jahren entdeckt auch die Presse das Thema. Ein Blick in die Westschweizer Zeitungen jener Zeit zeigt, wie kontrovers über Videospiele diskutiert wurde.
Wachsende Beliebtheit von Videospielen
Die sogenannten «stationären Spielkonsolen» von Nintendo und Sega sorgen in der Schweiz für grosse Begeisterung, sodass Videospiele 1992 sogar auf Platz eins der meistverkauften «Spielzeuge» landen. Durch die Einführung der PlayStation von Sony, die einen Anteil von 80 Prozent am Markt für Videospiele erobern wird, verstärkt sich dieser Trend weiter.
Eine Beschäftigung für die männliche Jugend
Einige Journalistinnen und Journalisten schliessen zwar auch Erwachsene in die Kategorie der Konsumenten ein, meist heisst es dann jedoch, dass die älteren Semester das Spiel nicht richtig beherrschen. Ein Redakteur der Tageszeitung La Liberté spricht seine Leserschaft direkt in diesem Ton an: «Ihr versteht nicht, worüber sich eure Kinder unterhalten. Ihr kennt weder ‹Super Mario›, den coolen italienischen Klempner, noch ‹Sonic› den frechen blauen Igel. Keine Panik! Ihr seid eben einfach nicht auf Draht, elektronisch noch nicht in den Neunzigern angekommen.»
Die Eigenschaften von Videospielen
Ist die Rede von Computerspielen anstatt von Konsolen, schlagen die Zeitungen oft einen noch positiveren Ton an. 1991 schreibt Le Nouveau Quotidien, Konsolenspiele seien «Lichtjahre von der pädagogischen Welt entfernt», wie sie Lernspiele auf Mikrocomputern wie Atari und Amiga bieten.
Gefährliche Gewalt
Kampfspiele wie Mortal Kombat Trilogy erregen die Gemüter. Als das Spiel auf den Markt kommt, ist in L’Express von «Massloser sadistischer und grausamer Gewalt» die Rede und in La Gazette de Lausanne lautet ein Titel sinngemäss: «Das Blut spritzt regelrecht über die Bildschirme».
Wiederholte Hinweise auf die Abhängigkeit
In einer 1993 in La Liberté publizierten Studie erklärt ein Pädagogikprofessor, er als Vater verbiete «abends jeglichen Konsum solcher Spiele». Zur Bestätigung mahnt eine Expertin für Nervosität, dass «übertriebener Konsum von Videospielen […] schädlich ist.» Im selben Text werden die Spielenden sinngemäss als «Spielsüchtige», «Nintendofreaks», «Konsolenjunkies», «Abhängige» und die Videospiele als «neue Form des elektronischen Rausches» bezeichnet.
Ein Diskurs, der bis heute vorherrscht
Obwohl inzwischen auch eingehende journalistische Studien über die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte von Videospielen sowie damit verbundenen Praktiken wie E-Sport publiziert worden sind, stehen Gewalt und Sucht in der medialen Behandlung von Videospielen noch immer im Vordergrund.


