
Die Genfer NSDAP
Anfang der 1930er-Jahre war Genf tief zwischen Rechts und Links gespalten. Das waren gute Voraussetzungen für die Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe.
Natürlich liess die Gründung der Partei die linken Kämpfer um Léon Nicole nicht kalt. Einige legten bei der Gendarmerie Protest ein. Am 18. Februar 1933 berichtete die Gendarmeriebrigade von Saint-Jean, dass Kommunisten das Hakenkreuz mit einem sowjetischen Propagandaplakat überdeckt hatten und dass die Tür des Parteilokals häufig mit Farbe beschmiert und bespuckt wurde. Der umstrittene Ort wurde fortan unter Beobachtung gestellt. Die Gendarmen führten Buch über das Kommen und Gehen von Männern und Frauen in brauner Kleidung mit Naziabzeichen am Arm.
Die Schweiz liess sich durch die Umverteilung der Machtverhältnisse in Deutschland nicht täuschen. Einige fühlten sich an den Bürgerkriegszustand erinnert, die das Nachbarland am Ende des Ersten Weltkriegs 14 Jahre zuvor erschüttert hatten. Man fürchtete die Radikalisierung einer ganzen Gruppe der deutschen Bevölkerung. Den Generalstaatsanwalt des Bundesgerichts beunruhigte besonders die Entstehung nationalsozialistischer Bewegungen aus Deutschland. Am 2. März 1933, drei Tage vor der Reichstagswahl, bei der die nationalsozialistische Partei einen Sieg davontragen würde, teilte die Schweizerische Bundesanwaltschaft daher allen Kantonen mit, dass jede öffentliche Versammlung im Zusammenhang mit ausländischen Wahlen verboten sei.
Genfer NSDAP lässt nicht locker
Ratlos fragte der Genfer Staatsrat den Bundesrat, welche Haltung einzunehmen sei, woraufhin der Bundesanwalt an das Verbot des braunen Hitler-Hemds erinnerte, wie es im Amtsblatt des Bundes von 1932 stand. Zudem bat er den Staatsrat, die Aktivitäten der Genfer Nazipartei aufmerksam zu beobachten, was dann auch geschah. Im ersten Bericht wird beispielsweise erwähnt, dass sich das Zentralkomitee der schweizerischen NSDAP-Gruppe unter der Leitung des Deutschen Wilhelm Gustloff in Davos traf.


Die Tätigkeiten von Eugen Link wurden minutiös überwacht. Schweizerisches Bundesarchiv
Auf der am 23. Juni 1933 vom deutschen Konsulat veranstalteten Konferenz im Hotel Métropole hielt Schneider einen langen Vortrag über die Vorzüge der neuen deutschen Ordnung. Rund 150 Personen, allesamt Angehörige der deutschen Gemeinschaft in Genf, einschliesslich des Generalkonsuls Deutschlands, nahmen an dieser Konferenz teil. Der redegewandte, forsche und kühle Schneider kritisierte Schweizer und Genfer Behörden dafür, dass sie aus Deutschland vertriebene Juden auf ihrem Territorium duldeten, und stellte den Völkerbund als zu schwach und zu erfolglos dar. Seine Rede kam gut an. Schneider löste Eugen Link ab Oktober 1933 als Vorsitzender der Genfer NSDAP-Ortsgruppe ab. Die Partei und Goebbels, der im Vormonat für eine Rede vor dem Völkerbund nach Genf gereist war, hielten Link für zu weich.
Erst kurz zuvor hatte die Berner Tagwacht einen Artikel mit dem Titel «Oltramare als Hitler-Agent» veröffentlicht. Einen weiteren Grund zur Sorge würde dem Bundesrichter später die Konferenz über die Angliederung der Schweiz an Deutschland bereiten, die im Beisein von 80 Nazis in den Räumen von Balland abgehalten und mit dem als Parteihymne genutzten Horst-Wessel-Lied beendet wurde. Natürlich leugneten die Nazis dies. Die Untersuchungen der kantonalen Behörden sollten zum Schluss kommen, dass zwischen der Union nationale und der NSDAP keine Verbindung bestand, sondern dass es sich bei den Vorwürfen um einen persönlichen Angriff Léon Nicoles auf Georges Oltramare als Anführer der Union nationale handelte. Hatten sich die Quellen der Berner Tagwacht geirrt? Jahrzehnte später bestätigten Historikerinnen und Historiker, dass Georges Oltramare ein Agent der Abwehr gewesen war und griffen damit die Behauptung der Berner Tagwacht wieder auf.




