Die Glockenschläger («Jacquemarts») von Jean-François Reyff in den Farben des Staates und der Stadt Freiburg, um 1643.
Die Glockenschläger («Jacquemarts») von Jean-François Reyff in den Farben des Staates und der Stadt Freiburg, um 1643. Museum für Kunst und Geschichte Freiburg

Hölzerne Zeitzeu­gen in einer Auszeit

Seit dem 17. Jahrhundert stehen zwei stattliche Holzfiguren auf dem Uhrturm des Rathauses von Freiburg als Glockenschläger im Einsatz. Die Renovation des Gebäudes gewährt ihnen jetzt eine Auszeit – und bietet Gelegenheit für besondere Einblicke.

Guido Balmer

Guido Balmer

Guido Balmer ist Kommunikationsbeauftragter der Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt des Kantons Freiburg und freischaffender Kommunikationsprofi.

Ihr Arbeitsplatz ist hoch oben auf dem Uhrturm am Rathaus von Freiburg im Üechtland. Ihr Auftrag: Die Glocken schlagen und Eindruck machen. Der erste Teil dieses Auftrags erweist sich bei genauer Betrachtung als «Fake News»: Die beiden Figuren schlagen die Glocken mit ihrem Hammer nämlich nicht selber. Es ist vielmehr ein versteckter Hammer, der sie schlägt. Aber immerhin: Die rechte Hand der beiden Figuren fährt mit dem Hammer dank eines beweglichen Arms gut synchronisiert in Richtung der Glocken, wenn diese ertönen. Für alle, die unten am Turm stehen, entsteht so der Eindruck, die zwei seien wirklich das, was ihre Funktionsbezeichnung verspricht: Glockenschläger.
Das Freiburger Rathaus, vor 1966.
Das Freiburger Rathaus, vor 1966. © Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds Benedikt Rast.

Ausdruck grossen Wagemuts

Damit sind wir beim zweiten Teil des Auftrags der beiden Figuren: Eindruck machen. Alles an ihnen ist darauf angelegt: Die farbige Uniform, die dicken Rüstungselemente mit goldenem Gepränge, die nicht zu übersehende Schamkapsel (oft auch als «Renommiersuspensorium» bezeichnet), der schmucke Hut, der rauschende Bart, die Leichtigkeit des lockeren, gar einfüssigen Standes – hoch oben auf dem Turm ein Ausdruck grossen Wagemuts. Die beiden Figuren stammen aus der Werkstatt von Jean-François Reyff (ca. 1614-1673). Reyff war ein gefragter Ingenieur und Bildhauer. Er hatte vor allem religiöse, aber auch weltliche Skulpturen in seinem Repertoire.
Jean-François Reyffs Skulptur «Vierge à l’Enfant», um 1640.
Jean-François Reyffs Skulptur «Vierge à l’Enfant», um 1640. Schweizerisches Nationalmuseum

Wie die Galions­fi­gur am Bug eines Schiffes

Im Jahr 1600 war in Freiburg das Stadtrecht (französisch: «Municipale») eingeführt worden. Die Stadt gab sich damit eine neue rechtliche und administrative Ordnung. Ein Zeichen für die Dynamik in dieser Stadt, die in jener Zeit zu den grössten, reichsten und stärksten der Schweiz zählte. Und diese Kraft sollte sehen, wer in die Stadt kam. Deshalb liess man um 1640 den bis dahin bescheidenen Uhrturm am Rathaus aufstocken und mit einem neuen Geläut samt Glockenschlägern (französisch: «Jacquemarts») ausstatten. Das Rathaus liegt am obersten Ende des Burgquartiers, also des historischen Kerns der Stadt, auf einer steil abfallenden Plattform hoch über der Saane. Dort ragt der Turm wie eine Galionsfigur am Bug eines Schiffes denen entgegen, die von Westen her ankommen. Er drängt sich förmlich vor den Turm der St. Niklaus-Kathedrale, der etwa 150 Meter weiter hinten steht. Eine Inszenierung weltlicher Macht. Welch wichtige Rolle dabei den beiden Glockenschlägern zugedacht war, zeigt der Umstand, dass Reyff auf Geheiss der Obrigkeit keine anderen Aufträge annehmen durfte, bis er die Figuren geliefert hatte. Sie sollten also möglichst bald allen zeigen können, was es geschlagen hat.
Das Rathaus und die steil abfallende Plattform zur Saane. Druckgrafik von 1822.
Das Rathaus und die steil abfallende Plattform zur Saane. Druckgrafik von 1822. Schweizerisches Nationalmuseum

Drei Monate Arbeit für einen Holzbildhauer

Als Zeugen jener Zeit stehen die Originale der beiden Glockenschläger heute im Museum für Kunst und Geschichte Freiburg, und zwar seit 2003. Die Kopien, die zum Ersatz auf den Turm kamen, wurden damals mit Computertechnologie aus verleimtem Holz gefräst. Sie hielten der Witterung aber nur schlecht stand und müssen bei der laufenden Gesamt-Renovation des Rathauses ersetzt werden. Diese Auszeit bietet Gelegenheit für einen besonderen Blick auf die beiden Figuren, die jetzt in Handarbeit nachgebildet werden. Wie einst in der Werkstatt von Reyff wird dafür wieder Eiche verwendet, wegen der Beständigkeit. Die Härte des Holzes beschert dem Holzbildhauer drei Monate Arbeit für jede der beiden originalgetreuen Kopien. Voraussichtlich noch im Jahr 2021 sollen die beiden «Jacquemarts» an ihrem vorgesehenen Platz angebracht werden. Die mannshohen Figuren wiegen etwa 150 Kilogramm. Alles wird aus einem Stück Holz gehauen, ausser der rechte Arm. Dieser entsteht aus einem zweiten Stück. Er wird schliesslich mit einem Gelenk am Torso angebracht, damit er sich bewegen kann – und es nach der Auszeit dann wieder ganz so aussieht, als ob die beiden Glockenschläger die Glocken schlügen.
Glockenschläger («Jacquemart») von Jean-François Reyff in den Farben des Staates Freiburg, um 1643.
Glockenschläger («Jacquemart») von Jean-François Reyff in den Farben der Stadt Freiburg, um 1643.
Die Glockenschläger («Jacquemarts») von Jean-François Reyff in den Farben des Staates und der Stadt Freiburg, um 1643. Museum für Kunst und Geschichte Freiburg

Weitere Beiträge