
Ein Pass für alle Eventualitäten
In den 1940er-Jahren wurde die Lage von Jüdinnen und Juden in Europa immer gefährlicher. Davon profitierten einige, die falsche Pässe exotischer Länder wie Honduras oder Paraguay ausstellten.
So schrieb am 5. Mai 1943 Johanna Gundelfinger-Nahm, genannt Jenny, an Alfons Bauer, den bestechlichen Generalkonsul von Honduras in Bern. Für einen Betrag zwischen 700 und 2000 Franken stellte er Jüdinnen und Juden honduranische Pässe aus – das entsprach damals zwei bis sechs Monatslöhnen einer Sekretärin. Dies allerdings ohne die Möglichkeit, nach Honduras auszureisen, denn 1943 nahm kein Land der Welt Jüdinnen und Juden auf, auch nicht Honduras. Die «Eventualitäten», gegen die der Pass helfen sollte, bedeuteten Lebensgefahr: 1943 wurden Millionen von Jüdinnen und Juden aus deutschbesetzten Gebieten in Vernichtungslager abtransportiert und ermordet.


Jenny Gundelfinger setzte von Zürich aus alle Hebel in Bewegung, um ihre Familie zu retten. Im August 1942 hatte sich Irene im Schweizer Konsulat in Amsterdam um die Wiederanerkennung der britischen Nationalität bemüht, was hätte gelingen können, denn sie wurde in Südafrika geboren. Eine Einreisemöglichkeit in die Schweiz hatte Jenny Gundelfinger im November 1942 für sie beschafft, aber die Einreise war nicht geglückt. Am 30. April 1943 gelang es ihr schliesslich, der Familie einen honduranischen Pass zu besorgen.
«Für die Leihgabe und für die Auskunft gilt mein herzlicher Dank Dina Wyler und ihrer Familie (Winterthur/Zürich).»
Naomi Lubrich
Naomi Lubrich
Erika und Marion Neuburger gründeten in der Schweiz Familien. Sie blieben ihr Leben lang miteinander verbunden. Erika sprach als Überlebende über den Holocaust an Schweizer Schulen. Marion sprach darüber nicht einmal im Familienkreis.


