
Schweizer Baumeister und die Barockisierung Europas
Architekten aus dem Tessin und dem Misox trugen den Baustil des Barock in die ganze Welt. Sie sind für das heutige Aussehen einige der wichtigsten Kirchen und Schlösser Europas verantwortlich, darunter der Petersdom in Rom.
Die Anregung zur gesamten Bewegung kam im Grunde genommen also vom Papst in Rom. Dort sollte der Barock auch in besonders prominenter Weise auftreten. Durch einen Umstand, der schwer zu ergründen ist, kamen dort drei Tessiner in führende Rollen: Domenico Fontana (1543-1607), sein Neffe Carlo Maderno (um 1556-1629) und dessen entfernter Verwandte Francesco Borromini (1599-1667). Diese drei drückten der Ewigen Stadt den neuen barocken Stempel auf. Domenico Fontana wurde unter Papst Sixtus V. päpstlicher Baumeister. In dieser Funktion hat er in das Gefüge der Stadt eingegriffen. Die grossen Pilgerkirchen, Sankt Peter, San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore, San Paolo fuori le Mura und Santa Croce in Gerusalemme wurden durch ein Netz vollkommen gerader Strassen miteinander verbunden. Sie nahmen auf Steigungen und Gefälle im Geländer keinerlei Rücksicht, sondern bildeten eine Art «Autobahn» für die Pilger, die wegen dieser Hauptkirchen die Heilige Stadt besuchen wollten. Vor den wichtigsten Zentren, St. Peter, Lateran und Santa Maria Maggiore, wurden Platzanlagen geschaffen, vor St. Peter und vor San Giovanni in Laterano wurden Obelisken aufgestellt. Fontana hat zudem die wichtigsten Papstpaläste, jenen von St. Peter und jenen vom Lateran, neu errichtet. In den architektonischen Details hielt er sich dabei an das grosse Vorbild jener Tage, den 1564 verstorbenen Michelangelo.





Besonders präsent waren sie im Donauraum und in Bayern. Ihr Aufstieg lässt sich über verschiedene Persönlichkeiten nachzeichnen. Den Gipfel bildeten Enrico Zuccalli (um 1642-1724) und sein Mitarbeiter und späterer Gegenspieler Giovanni Antonio Viscari (1645-1713). In den Händen von diesen beiden lagen um 1700 die zwei obersten Bauämter am Bayrischen Hof, jenes des Oberarchitekten und jenes des Hofmaurermeisters. Es ist deswegen nicht erstaunlich, dass die grosse barocke Residenz des Kurfürsten von Bayern, Schloss Schleissheim, durch den genannten Zuccalli errichtet wurde. Er hat auch für einen österreichischen Adeligen, den Grafen Kaunitz, gearbeitet und war massgeblich an der Planung von dessen Wiener Palais, dem heutigen Palais Liechtenstein, mitbeteiligt. Von ihm ist die Idee ins Habsburgerreich gekommen, wie am römischen Palazzo Chigi-Odescalchi die Palastfassade in drei Glieder zu unterteilen und den mittleren Teil besonders auszuzeichnen, indem er die seitlichen leicht überragt und mit den grossen Pilastern über zwei Stockwerke geschmückt ist. Das machte in Wien und letztlich im gesamten Habsburgerreich Schule und hat den dortigen Palastbau nachhaltig geprägt.

