
Die Retterin der Volksmusik
Mit eisernem Willen und einem Tonbandgerät bewahrte die Baselbieterin Hanny Christen in den 1950er-Jahren die Volksmusik vor dem Aussterben.
 
  
 Während die meisten Musiksammler, die wie auch Christen, aus gutem Hause und urbanem Umfeld stammten, mit dem Sammeln der ländlichen Volksmusik eine Sehnsucht nach der heilen Welt und der «reinen» Musik stillten, war für Christen unter anderem ein anderer Treiber Motivation. Für sie war die Flucht in die Weiten der Schweizer Kantone ein emanzipatorischer Akt. Die Intention der Familie war es, die unverheiratete Tochter an ein Leben im Haushalt zu binden. Der Vater, seit 1915 Inhaber des Familienbetriebes «J. J. Christen & Söhne», bezahlte Hanny eine Lebensrente und nahm ihr im Gegenzug das Versprechen ab, standesgemäss keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach dem Tod des Vaters 1927 (ihre Mutter starb bereits, als sie elf Jahre alt war) übernahm ihr Bruder Walter sowohl die Zementwarenfabrik als auch die Auszahlung der Lebensrente an seine Schwester und damit die Erwartung, dass diese sich als Frau der damaligen sozialen Norm entsprechend zu verhalten hätte. Christen entzog sich trotz Anfeindungen und Kritik mit ihren Musikforschungsreisen diesem familiären und letztlich gesellschaftlichen Ansinnen.
 
 Christen liess sich bereits früh wenig von gesellschaftlichen und traditionellen Normen einschränken. Obwohl sie in Basel aufwuchs und lebte, identifizierte sie sich sehr mit dem Baselbiet. Dies spiegelte sich auch in ihrer Sprache wider, die von einem starken Baselbieter Einschlag geprägt war. Im Alltag trug sie mehrheitlich eine Baselbieter Tracht. Dies führte zum Ausschluss aus ihrer Basler Trachtentanzgruppe, die nicht darüber erfreut war, dass Christen auch am Rigi-Trachtenfest konsequent ihre traditionelle Kleidung aus der Basel-Landschaft trug. Mit diesem Eigensinn gestaltete die Tochter aus gutem Hause ihr Leben auch weiterhin und begann 1938 mit ihrer Sammlertätigkeit.
 
  
 

