Der Mann am Herd, ein ewiger Kampf?
Der Mann am Herd, ein ewiger Kampf? Illustration von Marco Heer.

Mann am Herd

Welche Männerbilder wurden in den 1950er-Jahren in populären schweizerischen Bildmedien verbreitet? Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren offenbar Alternativen zum traditionellen Familienvater gefragt und der Mann fand an den heimischen Herd.

Anna Lehninger

Anna Lehninger

Anna Lehninger ist Kunsthistorikerin und lebt in Zürich.

Ein flotter Junggeselle in Ringelsocken und einem schicken Hut auf dem Kopf, eine adrette karierte Schürze etwas nachlässig umgebunden, schupft er abenteuerlustig den Teig aus der Pfanne – wer weiss, wo dieser landen wird. Lustig scheint das Unterfangen jedenfalls zu sein, und das soll Kochen laut dem Hauswirtschaft-Sonderheft der Schweizerischen Familienwochenzeitung sein: lustig und lustvoll.

Kleiner Mann – grosser Koch

Der für seine Werbeplakate bekannte Schweizer Grafiker Donald Brun (1909-1999) schuf das Titelbild, die Zeichnungen im Inneren stammen von der Malerin und Illustratorin Hanny Fries (1918-2009). Diese weisen auf unterhaltsame Weise den Kochunkundigen in die Kunst der Küche ein. Mit einfachen bis zu anspruchsvolleren Kochrezepten wird in witzigem Tonfall das ABC des Kochens erklärt: Von Blumenkohl bis Wienerschnitzel reicht das Spektrum, die Geheimnisse des Eierkochens werden ebenso erforscht wie die Kunst, Salat zu waschen. «Variationen über das Schnitzel» scheint der nach reiflichem Studium gut ausgebildete Koch zu beherrschen, der auch über eine perfekt ausgestattete Küche verfügt. Allerdings wird ihm nahegelegt, beim Wenden eines Omelettes mit Hut und Handschuhen gewappnet zu sein, falls dieses bei zu viel Schwung an der Decke kleben und wieder herunterfallen sollte. Kochen als Kinderspiel, das der Mann souverän und elegant zugleich beherrscht, ohne jegliche Berührungsängste mit Heim und Herd.
Kleiner Mann - grosser Koch, Hauswirtschafts-Sonderheft, Umschlagbild von Donald Brun, Dezember 1950.
Kleiner Mann - grosser Koch, Hauswirtschafts-Sonderheft, Umschlagbild von Donald Brun, Dezember 1950, Schweizerisches Nationalmuseum

Selbst­ver­sor­ger auf der Insel

Einen kompetenten Vorgänger findet der Hausmann in einem damals über 250 Jahre Älteren: Robinson Crusoe. Jenem wurde 1951 ein Sammelalbum des Silva Verlags gewidmet, ausgestattet mit Bildern von Hugo Laubi (1888-1959), das heute zu den Klassikern der Schweizer Sammelbilderalben zählt. Der aufgrund der äusseren Bedingungen zur Häuslichkeit gezwungene Schiffbrüchige lernt alles, was ein einsamer Mann auf einer Insel können muss: Getreide anpflanzen, ernten, mahlen und Brot daraus backen, natürlich im selbst gebauten Ofen. Auch Waschen, Nähen und Kochen muss der auf sich gestellte unfreiwillige Eremit: Kleider aus Fellen anfertigen, den berühmten Schirm und Hut zum Schutz gegen die brütende Sonne. Ganz unproblematisch ist die Aneignung dieser Fertigkeiten für den in Hausarbeit ungelernten Insulaner nicht, doch eignet er sich diese Kompetenzen trotz Rückschlägen nach und nach an. Alternativen gibt es schliesslich nicht.
Der Ur-Hausmann: Robinson Crusoe illustriert von Walter Paget, 1896.
Der Ur-Hausmann: Robinson Crusoe illustriert von Walter Paget, 1896. Wikimedia / British Library
Laubi setzt den nähenden Robinson ganz heimelig ins Bild: Gemütlich rauchend, in Gesellschaft seines Hundes, werkt er in seiner Höhle, umgeben von häuslichen Gegenständen, ganz selbstverständlich an der Felljacke. Dass ein Gewehr ebenfalls in Griffweite hängt, fällt zwar optisch nicht aus dem Bild, erinnert jedoch an die gefährlichen Lebensumstände des einsamen Mannes in unwirtlicher Umgebung. Die Kreativität, mit der Robinson ans Werk geht, wurde auch in anderen Kinderbüchern immer wieder ins Bild gesetzt und es entstanden ikonische Bilder eines Selbstversorgers – trotz, oder vielleicht gerade wegen seiner Fähigkeit, aus damaliger Sicht «unmännliche» Arbeiten zu übernehmen, wird er zum Allrounder. Erst durch Bewältigung von Aufgaben wie Nahrungsversorgung, Bekleidung und Hygiene, die jahrhundertelang dem «weiblichen» Bereich zugeordnet wurden, kann er überleben.
Robinson Crusoe aus einem Sammelalbum des Silva Verlags, 1951.
Robinson Crusoe aus einem Sammelalbum des Silva Verlags, 1951. Silva Verlag /Hugo Laubi

Ein Puppen­heim

Wenige Jahre später zeichnet aber ein Bild von der «Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit» (SAFFA) ein gänzlich anderes Bild von Mann und Herd. Dem Haushalt entrückt wird der Mann in einem Puppenhaus in Szene gesetzt: Abwartend sitzt er in Hemd und Krawatte, heimgekehrt von der Arbeit, am Tisch einer schicken Wohnküche und sieht tatenlos zu, wie Frau und Tochter sich am Herd zu schaffen machen. Von einer Anwendung der im Hauswirtschaftsheft erlernbaren Fertigkeiten oder einer Selbsttätigkeit à la Robinson ist hier nichts zu sehen. Die Message ist klar – Hausarbeit wie Kochen ist Frauenarbeit, der Mann sitzt bestenfalls daneben und schaut zu. Was ist passiert? War der Mann – in den 1950er-Jahren längst aus dem Grenzdienst des Zweiten Weltkriegs zurückgekehrt – spätestens jetzt auch wieder in sein traditionelles Rollenbild als Versorger und Familienvater geschlüpft? Hatte das patriarchale Frauen- und Familienbild der 1950er die während der kriegsbedingten Absenz der Männer errungene weibliche Emanzipation wieder eingeholt? Dass dieses Bild gerade an einer programmatischen Schau zur Frauenarbeit inszeniert wurde, ist kein Zufall, sondern bewusster Fingerzeig auf einen Missstand.
Modell einer Küche an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, 1958.
Modell einer Küche an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, 1958. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL
Gemäss dieser Puppenszene ist die männliche Haushaltssympathie wie ein Pendel gegen Ende des Jahrzehnts von zaghaft-neugieriger Annäherung an den Herd jedenfalls wieder auf Distanz gegangen. Iris von Rotens Buch Frauen im Laufgitter mit der Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen erschien 1958: kein Zufall. Ein Jahr später feierte die SAFFA die Frauenarbeit in der Schweiz und stellte unter anderem Hausarbeit als das dar, was sie ist: Arbeit. Die gegenüber männlicher Arbeit ausser Haus nicht bezahlt wird. Das Pendel schlug erst zehn Jahre später wieder um, als der «neue» Vater (und Hausmann) 1968 die Bühne der Gesellschaft betrat und ein neues Männlichkeitsbild ins Spiel brachte.

Der erschöpf­te Mann

Seit Jahrhunderten pendeln Ideale der Männlichkeit zwischen unverletzlicher Stärke und offen gezeigter Schwäche. Die vierte Schau der beiden Gastkuratoren Stefan Zweifel und Juri Steiner im Landesmuseum unternimmt einen Streifzug durch die europäische Kulturgeschichte des Mannes. Seine Spuren finden sich durch die Jahrhunderte in Kunst, Geschichte, Literatur oder Kino.

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