
Geld scheffeln bis zum Untergang
Kaspar Stockalper hat im Wallis einen Konzern aufgebaut, der die Krisen des 17. Jahrhunderts geschickt ausnutzt. Geld scheffeln ist für ihn ein religiöser Auftrag und die Eintrittskarte zur ewigen Seligkeit. Das bewahrt ihn jedoch nicht vor einem politischen Komplott, mit dem Konkurrenten seinen Sturz herbeiführen.

Mit den Grundstücken verfügt er über einen immensen Kapitalpuffer und kann riesige Summen bargeldlos absichern. Und dank dem Hartgeld, das seine Sölderkompanien und der Salzhandel einbringen, ist er trotz der chronischen Münzknappheit seiner Zeit immer liquide. So erweitert sich sein Multiunternehmen zur Handels- und Kreditbank mit privater Geldschöpfung. Seine Finanzkraft übersteigt bald jene aller noblen Sippen im Wallis zusammen und die Landeskasse um ein X-Faches, so dass er als Privatmann die umlaufende Geldmenge kontrolliert und wie eine Zentralbank agieren kann.

Stockalpers «Haus und Kapelle der drei Könige» ist damit das weit herum sichtbare Zeichen finanzieller Solidität und eine imperiale Geste. Der 48 Meter hohe Hauptturm, der nach dem ältesten der drei Könige «Kaspar» genannt wird, trägt als Symbol die Sonne, um die alles kreist. Dieser egozentrische Turm ist das Zentrum seines Universums und eine direkte Verbindung zu Gott. So kommt in der Architektur zum Ausdruck, dass sich hier ein einzelner kraft seiner wirtschaftlichen Potenz zu absolutistischer Souveränität aufschwingt – zum ungekrönten Sonnenkönig von Gottes Gnaden.



Nun entlädt sich der ganze aufgestaute Groll der übergangenen Führungsschicht. Stockalper wird wochenlang inhaftiert, verliert alle Ämter und Monopole, Kommissäre inventarisieren seinen Besitz. Er muss hohe Strafzahlungen an die Zenden leisten. Gleichzeitig rollen Zivilprozesse an, in denen Gläubiger, Schuldner, Gegner, Neider, ehemalige Freunde und Verwandte sich an der Vermögensmasse gütlich tun. 1679 wird erneut der Vorwurf des Majestätsverbrechens erhoben und Haftbefehl erlassen. Unter Todesdrohung setzt sich Stockalper nach Domodossola ab, wo er einen Palazzo besitzt und Wertsachen in Sicherheit gebracht hat. Fünf Jahre bleibt er im Exil, wo er als Grossgrundbesitzer und Mäzen die Protektion des Mailänder Hofs geniesst. Darben muss er nicht, auch seine in Brig verbliebene Familie nicht, der ansehnliche Vermögensteile und das Schloss gelassen wurden. Nach fünf Jahren darf er zurückkehren, nachdem die Regierung im Wallis gewechselt und er versprochen hat, sich nicht mehr einzumischen. Er lebt noch sechs Jahre zurückgezogen auf seinem Schloss und stirbt 1691 im Alter von 82 Jahren.


Der König von Brig
In einer dreiteiligen Serie beleuchtet Historiker und Autor Helmut Stalder Aufstieg und Fall von Kaspar Stockalper, des «Königs von Brig»:
Teil 1: Der Geopolitiker aus Brig
Teil 2: Neutralität als Geschäftsmodell
Teil 3: Geld scheffeln bis zum Untergang
Mehr zu Stockalper gibt es in Helmut Stalders Buch «Der Günstling. Kaspar Stockalper – Reichtum, Macht und der Preis des Himmelreichs», das 2022 erschienen ist.
Teil 1: Der Geopolitiker aus Brig
Teil 2: Neutralität als Geschäftsmodell
Teil 3: Geld scheffeln bis zum Untergang
Mehr zu Stockalper gibt es in Helmut Stalders Buch «Der Günstling. Kaspar Stockalper – Reichtum, Macht und der Preis des Himmelreichs», das 2022 erschienen ist.