Die Frau hinter der Maske: Jeanne de France
Die exquisite Totenmaske der Jeanne de France (1464-1505) spiegelt Anmut, Stärke und moralische Überzeugung einer leidgeprüften Frau mit Beeinträchtigung, die kurzzeitig Königin von Frankreich war und später heiliggesprochen wurde.
Heirat im Namen der Politik
Ich habe mich entschlossen, meine kleine Tochter Jeanne mit dem kleinen Herzog von Orléans zu vermählen, weil ich glaube, dass die Kinder, die sie zusammen haben werden, nichts kosten werden. Ich ermahne euch meiner Hoffnung auf diese Eheschliessung und dass diejenigen, die sich ihr widersetzen, ihres Lebens in meinem Reich nicht sicher sein werden.
Sollte hingegen der Sohn und Erbe Ludwigs XI., Karl, ohne Nachkommen sterben, würde Jeanne nach der Thronbesteigung ihres Mannes Königin von Frankreich werden. Ihre Stellung wäre somit auch gesichert. Der clevere Ludwig XI. war entschlossen, Ludwig von Orléans auf die eine oder andere Weise enger an seine Familie zu binden. Ludwig XI. drohte Ludwig von Orléans und seiner Mutter, Marie von Kleve, mit schwerwiegenden Konsequenzen, sollten sie zögern, der Verbindung zuzustimmen. So wurde schliesslich im Jahr 1473 ein Ehevertrag unterzeichnet.
Als Ludwig von Orléans 1475 in Tours zum ersten Mal einen Blick auf seine Verlobte erhaschte, soll er gesagt haben: «Ich hätte nicht gedacht, dass sie so hässlich ist!» Die 12-jährige Jeanne heiratete den 14-jährigen Ludwig von Orléans 1476 im Schloss von Montrichard. Ludwig XI. war nicht anwesend. Die stattliche Mitgift von Jeanne in Höhe von 100'000 Goldkronen trug allerdings wenig dazu bei, dass sich Ludwig von Orléans um seine neue Frau kümmerte. Er soll während des gesamten Hochzeitsfestes geschluchzt und ihr in den nächsten sieben Jahren so gut wie möglich aus dem Weg gegangen sein. Während der häufigen Abwesenheit ihres Mannes residierte Jeanne in Lignières, in der Nähe von Saint-Amand-Montrond. Sie widmete sich der Armenfürsorge und der religiösen Nächstenliebe – ein starker Gegensatz zum ausschweifenden Lebensstil ihres Mannes.


Turbulente Zeiten
Die Furcht vor einer erneuten Festigung der königlichen Macht veranlasste Ludwig von Orléans und andere Feudalherren 1485 zu einer offenen Rebellion, welche den sogenannten Guerre folle («verrückter Krieg») auslöste. Während des gesamten Konflikts und sogar nach der Gefangennahme von Ludwig von Orléans im Jahr 1488 bat Jeanne wiederholt und bestimmt um Gnade für ihren Mann.
Ich bitte Sie, den Fall meines Mannes zu bedenken und darüber an unseren Bruder zu schreiben […].
Aufstieg zum Thron
Doch Ludwig von Orléans, jetzt Ludwig XII., wollte Jeanne wegen einer ungewöhnlichen Klausel im Ehevertrag von Anne de Bretagne absetzen. Karl VIII. hatte nämlich festgelegt, dass Anne de Bretagne sofort seinen Nachfolger heiraten sollte, falls er ohne Erben sterben sollte. Auf diese Weise wollten die Franzosen die Kontrolle über die Bretagne halten.
Bald darauf wurde ein päpstliches Tribunal einberufen. Zuerst proklamierte Ludwig XII., dass Jeanne «missgebildet» – und somit Geschlechtsverkehr mit ihr unmöglich – sei. Er argumentierte weiter, er sei gezwungen worden, Jeanne zu heiraten, und habe dies nur aus Angst vor Ludwig XI. und Jeannes Geschwistern getan. Als Jeanne an der Reihe war, sprach sie mutig und gelassen. Sie erklärte, dass sie zwar wisse, dass sie nicht attraktiv sei, dass sie aber dennoch Kinder haben könne. Sie bestritt vehement, dass ihre Ehe das Ergebnis eines Zwangs war und schwor, dass sie rechtmässig vollzogen wurde. Da zudem eine Bulle von Papst Sextus IV. einen Dispens erteilt hatte, stand der Verbindung angesichts des Blutsverwandtschaftsgrads zwischen Jeanne und Ludwig XII. ebenfalls nichts im Wege.
Als Jeanne schliesslich aufgefordert wurde, sich einer gründlichen körperlichen Untersuchung zu unterziehen, lehnte sie dies ab. Schliesslich sei sie eine gebürtige königliche Prinzessin. Ausserdem fügte sie hinzu, dass sich niemand einer derartigen Behandlung unterziehen müssen sollte.
Hätte ich gedacht, dass es keine echte Ehe zwischen dem König und mir gibt, würde ich ihn anflehen, mich zu verlassen, um in ewiger Keuschheit zu leben, denn das ist es, was ich mir am meisten wünsche […] geistig mit dem ewigen König zu leben und seine Ehefrau zu sein.
Doch durch geheime diplomatische Bemühungen konnte Ludwig XII. die Annullierung der Ehe erwirken. Er besänftigte das Papsttum mit einem anti-milanesischen Bündnis und dem Versprechen, dem berüchtigten unehelichen Sohn von Papst Alexander VI. einen französischen Titel zu verleihen und ihn mit der Erbin Charlotte d'Albret zu vermählen. Jeanne hatte den Kampf verloren. Ludwig XII. verlieh Jeanne den Ehrentitel Herzogin von Berry und gab ihr die Mitgift zurück.
Von der Königin zur Heiligen: Jeannes Vermächtnis
Jeanne starb 1505 und wurde mit allen Ehren beigesetzt. Die katholische Kirche sprach sie 1950 heilig. Kurz vor ihrem Tod bat Jeanne um ein letztes Porträt – eine Totenmaske aus Gips. Wenn man die Totenmaske von Jeanne betrachtet, ist man von ihrer Anmut und Gelassenheit beeindruckt. Sie erinnert an die modischen bronzenen Porträtmedaillen, Masken und Büsten des kroatisch-venezianischen Bildhauers Francesco Laurana, dessen Werke Jeanne aus erster Hand gesehen haben muss, als Laurana in Frankreich arbeitete.




