
Mit Skiern und Schneeanzügen gegen die Rote Armee
Marschall Carl Gustav Mannerheim führte das kleine Finnland durch mehrere Kriege gegen die übermächtige Sowjetunion. Dafür erhielt er in der Schweiz viel Zuspruch.
 
 Der blutige Kampf für ein geeintes Finnland
Während des Ersten Weltkriegs kämpfte Mannerheim erneut für das Zarenreich. Die Februarrevolution von 1917 beendete jedoch seinen Dienst und er konnte in sein Heimatland zurückkehren. Auch hier war die Lage chaotisch, hatte die Regierung doch die Gunst der Stunde genutzt und Finnland für unabhängig erklärt. Gleichzeitig stellte Lenin weitere Gebiete in Aussicht, sollten die Bolschewisten die Macht ergreifen.
Mit einem Aufstand der bolschewistischen «Roten» wurde der Bürgerkrieg mit den regierungstreuen «Weissen» entfacht. Mannerheim wurde zum Oberbefehlshaber der Weissen ernannt. Der vier Monate dauernde Bürgerkrieg, den die «Weissen» schliesslich gewannen, wurde aussergewöhnlich brutal geführt, forderte Tausende von Toten auf beiden Seiten und entzweite die Gesellschaft auch nach dessen Ende. Danach zog sich Mannerheim aus der Öffentlichkeit zurück und widmete sich unter anderem humanitären Tätigkeiten. In dieser Zeit entdeckte Mannerheim die Schweiz und verweilte häufig in Lausanne, um die Natur zu geniessen und sich medizinisch behandeln zu lassen.
Wenn es einen Ort auf der Erde gibt, der dem Nichtstun, der Ruhe und der Erholung gewidmet ist, dann ist es die Schweiz, […] die Schönheit der Landschaft, aber vor allem die Berge, die Alpen, die einem das Gefühl geben, in der Atmosphäre über den Wolken zu schweben, zwischen Himmel und Erde.
«Eines kleinen Landes grösste Kraft ist die Einigkeit»
Im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts wurde Finnland der sowjetischen Einflusssphäre zugeschlagen. Kurz darauf nahm Stalin erneut Verhandlungen über Gebietsabtretungen auf, die jedoch scheiterten. Die Sowjetunion sah sich nicht mehr verpflichtet, den Nichtangriffspakt mit Finnland einzuhalten und nur wenige Tage später startete die Rote Armee eine grosse Offensive. Der Winterkrieg begann.
Trotz der deutlichen Überlegenheit an Soldaten und Waffen, gelang es der Sowjetunion nicht, Finnland zu besetzen, im Gegenteil – die Rote Armee erlitt schwere Verluste. Die finnische Armee zeigte taktisches Geschick und wurde kreativ. Sie verteidigten nicht direkt an der Grenze, sondern da, wo es eine gut zu verteidigende Linie gab. Die Soldaten tarnten sich mit weisser Kleidung und bewegten sich auf Skiern durch den hohen Schnee, wodurch sie flexibler waren als die Sowjets in ihren schweren Stiefeln.
 
  
 Die Rote Armee lernte aus ihren Fehlern und bereitete sich für eine Grossoffensive im Februar 1940 besser vor. Finnland musste sich geschlagen geben und einschneidende Kapitulationsbedingungen akzeptieren. Trotz der Niederlage erlangte Mannerheims Führungsstil international Anerkennung, da er gegen einen überlegenen Gegner beachtliche Siege erringen konnte. In der Schweiz diente der Winterkrieg der Armee als Beispiel dafür, wie ein Kleinstaat gegenüber einer Grossmacht standhalten kann. Auch Geschichtslehrmittel für die Sekundarstufe griffen den finnischen Abwehrkampf auf, wodurch der Winterkrieg bis in die 1970er-Jahre im kollektiven Gedächtnis präsent blieb.


Ausschnitt aus einem Leseheft zum Zweiten Weltkrieg für die Sekundarstufe im Kanton St. Gallen, herausgegeben 1970. Zentralbibliothek Zürich
 Vom Fortsetzungskrieg zum Separatfrieden
In der Schweiz herrschte vorwiegend die Ansicht, dass Finnland keinen festen Bund mit dem Deutschen Reich eingegangen sei, sondern eigenständig gegen die Sowjetunion kämpfe. Dennoch zeigten sich einige enttäuscht, dass das zuvor bewunderte Finnland mit dem Deutschen Reich «gemeinsame Sache» machte – einige gingen sogar so weit, ihre während des Winterkriegs gespendeten Gelder zurückzufordern.
Ein Jahr nach dem wiederholten Kriegsausbruch kam ein Offiziersaustausch zu Stande. Zwei Schweizer Offiziere verweilten mehrere Wochen in Finnland und berichteten in Rapporten über das Land und seine Geschichte, aber auch über die Aufstellung an der Front und die militärische Ausbildung.
1943 begann sich abzuzeichnen, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen würde. Finnland wollte sich aus dem Krieg zurückziehen und mit der Sowjetunion Frieden schliessen. Mannerheim betonte später immer wieder, dass er die Ideologie des Dritten Reiches nicht geteilt und Finnland sich nur zu Verteidigungszwecken verbündet hätte. Schliesslich wurde er mit der Mammutaufgabe betraut, einen Separatfrieden mit der Sowjetunion zu verhandeln. Zur Überraschung vieler war er erfolgreich: Trotz weitreichenden Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen gelang es dem Land, nicht zu einem Satellitenstaat der Sowjetunion zu werden.
 
 

