
Zürichs erste «Photographistin»
Die frühe Fotografie gilt oft als Männerdomäne. Doch auch in der Schweiz gab es im 19. Jahrhundert Pionierinnen dieser neuen Kunstform. Eine von ihnen war Regula Rathgeb, die sogar ein eigenes Fotoatelier errichten wollte.
Für Grossstädte wie Berlin oder Wien gab es im Handbuch schon damals knapp hundert Einträge. Für die Stadt Zürich wurden elf Namen aufgeführt, nebst zehn Männern auch «Frau Rathgeb». Dank verschiedenen Dokumenten, die im Nachgang zur Ausstellung «Fotoateliers in Zürich» aufgetaucht sind, kann das Leben der wohl ersten professionellen Fotografin der Stadt Zürich in Teilen nachgezeichnet werden.
Eine turbulente Ehe
Eiffert bekannte sich schuldig und musste Regula Rathgeb eine Entschädigung von 500 Franken zur «Erleichterung ihres Fortkommens» zahlen. Auch die Prozesskosten von knapp 50 Franken gingen zu seinen Lasten.
Projekt mit Hindernissen
Dass die Fotografin in ihrem Metier Erfolg suchte, zeigt ein interessanter Fund in den Akten der Baupolizei: Rathgeb plante im Herbst 1864 den Neubau eines Fotoateliers aus Glas. Solche Fotoateliers kamen ab Mitte der 1850er-Jahre auf, da sich die Berufsleute vermehrt in den Städten niederliessen. Nur mit viel natürlichem Licht konnten gute Ergebnisse erzielt werden, da künstliches Licht noch nicht vorhanden war. Die gewächshausartigen, vollends aus Fensterglas bestehenden Kleinbauten wurden direkt am Boden oder auf Dachzinnen von mehrstöckigen Häusern errichtet.


In der Stadt Zürich sind für die Zeit von 1855 bis 1915 mehr als 100 Standorte von Fotoateliers bekannt. Sie wurden hauptsächlich für Personen- und Portraitaufnahmen genutzt. e-pics
Wie Ihnen bekannt, hat der Eigenthümer Herr Linsi sein Haus No. 341, während die Bauordnung in Kraft getreten, und entgegen den gemachten Einsprachen, das Maximum der Hohe der Baute seines Hauses bedeutend überschritten. Was für Rücksichten hier obwalteten, wissen wir nicht; nun kommt eine uns unbekannte Frau Rathgeb und stellt ein Gespann auf der Plattform des genannten Hauses auf, gegen welcher wir glauben mit vollem Recht Einsprache erheben zu dürfen […]
Letztendlich wurde das Baugesuch abgelehnt, weil das Haus bereits zu hoch war. Dabei hatte Rathgeb überaus Pech, weil das Gutachten der Baupolizei die Pläne zur Ausführung freigab, die übergeordnete Baukommission aber die Empfehlung an den Stadtrat gab, die Zustimmung zu verweigern. Verzweifelte Versuche, das Vorhaben durch Verkleinerung oder Beschränkung auf zwei Jahre zu retten, scheiterten im Rekursverfahren.
Ob Regula Rathgeb zu einem späteren Zeitpunkt auf einem anderen Haus ein Atelier errichten konnte oder wie lange sie noch als Fotografin arbeitete, ist ebenso wenig wie ihre Fotos überliefert. Dass sie 1867 nicht bei den «Photographen» im Zürcher Adressbuch gelistet ist, lässt darauf schliessen, dass sie bei einem anderen Atelier angestellt war und nicht selbständig eines führte. In den Akten der Niedergelassenen von 1868 war sie jedoch als «Photographistin» verzeichnet. Ab 1879 war sie im Adressbuch durchgehend mit der Berufsbezeichnung «Weissnäherin» eingetragen. Regula Rathgeb verstarb am 26. März 1899 in Zürich im Alter von 71 Jahren.


