
Geadelt von der Kaiserin
Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sisi, war neun Mal in der Schweiz und fand Gefallen an Schweizer Kunst, die sie erwarb – mit unerwarteten Folgen bis ins Bundeshaus in Bern.
Gleich links des monumentalen Wandbilds ist im Nationalratssaal Wilhelm Tell als Skulptur zu sehen. In einer Wandnische sitzt er auf einem Felsen, sein Blick geht in die Weite, die Armbrust hat er locker übers Knie gelegt und ist nicht aufgespannt. Diese Figur hat der Tessiner Bildhauer Antonio Chiattone ebenfalls 1902 geschaffen, bevor das Bundeshaus eröffnet wurde.


Charles Giron (1850–1914) führte damals ein Kunstmalatelier in Territet (VD). Im März 1898 kam Sisi zu ihm und kaufte ihm das Ölbild La nourrice ab. Es zeigt eine italienische Amme beim Säugen eines Babys. Giron bildete hier einen besonders intimen Moment ab, der sonst eher selten dargestellt wird. Das könnte Sisi interessiert haben, auch wenn sie selbst ihre Kinder nie gestillt hat und mit Kleinkindern überhaupt ihre liebe Mühe hatte.

Statue, Schemen und Schlafzimmer

Chiattone, zuvor nur ein regional bekannter Künstler, wurde durch den kaiserlichen Ankauf zu einer Nummer im internationalen Kunstbusiness, die plötzlich auch in Mailand oder Paris ausstellen konnte. Der Kaiserin blieb der Tessiner künstlerisch verbunden. Denn sie erteilte ihm einen gewichtigen Auftrag. Er sollte für ihre kaiserliche Villa Achilleion in Korfu ein Denkmal gestalten, gewidmet ihrem Sohn Rudolf, dem 1889 durch Suizid verstorbenen Kronprinzen und Thronfolger.
Das war eine grosse Ehre, ein solch persönliches Monument für die Kaiserin entwerfen zu dürfen. Ihre Majestät zog den Tessiner Chiattone vielen bekannten österreichischen Künstlern vor. Die Neue Zürcher Zeitung lobte nur schon die Bestellung als einen «Erfolg für das schweizerische Kunstwesen im allgemeinen und tessinisches Künstlertum im speziellen». In der Folge arbeitete Antonio Chiattone drei Entwürfe aus und legte Sisi ausgefeilte Skizzen vor. Sie zeigte sich begeistert davon. Nach mehreren Monaten war das Monument im Luganeser Bildhaueratelier erstellt, Chiattone zerlegte es und reiste damit nach Korfu, um das Denkmal passend aufzustellen und bei der Einweihung anwesend zu sein. Das Werk des Tessiners war gleichermassen wuchtig und gross: Es mass in der Höhe sechs Meter und in der Breite drei Meter.

Helfer, Hände und Hofstaat
Darauf hielt Elisabeth von Österreich dem Tessiner Bildhauer ihre Hand hin, damit er diese küssen könne, wie es sich gehörte. Chiattone wusste jedoch nicht, wie er standesgemäss mit der hingestreckten Hand umgehen sollte. Stattdessen packte er die kaiserliche Hand unzimperlich in seine ziemlich grossen, kräftigen Bildhauerhände und drückte sie mit einem überströmenden Glücksgefühl fest, was den zusehenden Hofstaat peinlich berührt haben dürfte. Die Kaiserin liess sich trotz des Fehltritts des Tessiners nichts anmerken.
Später, als nach ihrem gewaltsamen Tod 1898 am Genfersee ein Erinnerungsdenkmal erstellt werden sollte, bekam Chiattone den Auftrag für das Sisi-Monument im Rosenpark in Montreux-Territet. Es zeigt die Kaiserin in Überlebensgrösse auf einer Bank sitzend, sie stützt das Kinn auf dem linken Arm ab und blickt etwas wehmütig auf den Genfersee.

Die These sei erlaubt: Hätte die Kaiserin nicht Girons und Chiattones Kunst gekauft, wären deren Karrieren nicht so steil nach oben verlaufen und sie hätten nicht den Nationalratssaal schmücken können. Das ist quasi eine Ironie der Geschichte: Erst die kaiserliche Adelung führte zu den Ausstattungsaufträgen im Nationalratssaal, der symbolischen Walhalla der schweizerischen Demokratie.
Royals zu Besuch – von Sisi bis Queen Elizabeth
Obwohl die Schweiz keine royale Tradition hat, faszinieren die Geschichten der Königshäuser auch hierzulande. Ob Kaiserin, Königin oder Prinzessin: Eines hatten die königlichen Besuche gemeinsam, egal ob sie aus politischen, wirtschaftlichen oder privaten Gründen erfolgten. Sie lösten – damals wie heute – eine immense Begeisterung und Faszination in der Schweizer Bevölkerung aus. Dies zeigt die Ausstellung anhand von zahlreichen Bildern und exklusiven Objekten der Blaublütigen.