Die Schlacht bei Bicocca zwischen den Truppen des Kaisers Karl V. und des Königs Franz I. am 27. April 1522.
Die Schlacht bei Bicocca zwischen den Truppen des Kaisers Karl V. und des Königs Franz I. am 27. April 1522. schulbild.ch

Die Schlacht bei Bicocca

Die Schlacht bei Bicocca war ein Wendepunkt der langen Italienkriege (1494–1559). Die Unfähigkeit der Franzosen, ihre Schweizer Söldner zu kontrollieren, trug zu ihrer Niederlage bei, während der Erfolg der spanischen Arkebusiere den Aufstieg Spaniens als europäische Grossmacht ankündigte. Ausserdem war die Schlacht der Anfang vom Ende einer Ära, in der die Schweizer Pikeniere ihren Feinden auf den mittelalterlichen Schlachtfeldern Europas Angst und Schrecken einjagten.

James Blake Wiener

James Blake Wiener

James Blake Wiener ist Historiker, Mitbegründer der World History Encyclopedia, Autor und PR-Spezialist, der in Europa und Nordamerika als Dozent tätig ist.

Webseite: worldhistory.org

Marigna­nos Schatten

In den Jahren nach der Schlacht bei Marignano (1515) durchlief die Alte Eidgenossenschaft einen enormen sozialen Wandel und wechselnde politische Strömungen. Obwohl die Schweizer wacker gekämpft hatten, führte ihre schmachvolle Niederlage bei Marignano zu einer Reihe von hitzigen innenpolitischen Debatten über die langfristige Tragbarkeit des Söldnerwesens. Die an die Politik bezahlten Schmiergelder hatten dazu geführt, dass die politische Korruption ungezügelt um sich griff. Die frankreich- und papstfeindliche Stimmung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und erreichte einen Höhepunkt; die ländliche Bevölkerung prangerte die Gier der ausländischen Anwerber und der städtischen Patrizierfamilien an, die am stärksten vom Söldnerwesen profitierten. Tatsächlich hatte das Söldnerwesen die Eidgenossenschaft ihrer Arbeitskräfte und ihres sozialen Zusammenhalts beraubt. In grösseren Schweizer Städten wie Luzern führte die Bereitschaft junger Männer, als Söldner zu dienen, zusammen mit einer hohen Sterblichkeit zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Derweil streiften Banden von Ex-Söldnern und gesetzlosen Milizsoldaten – die man an ihren zerschlissenen Hosen und zerfetzten Ärmeln erkannte – auf der Suche nach schnellem Geld, Sex und Alkohol durchs Land und verbreiteten Angst und Schrecken. Die Schweizer Landbevölkerung musste wehrlos zusehen, wie ihre Lebensgrundlage vernichtet wurde.
«Der Rückzug der Schweizer bey Marignan», Lithographie von ca. 1822.
«Der Rückzug der Schweizer bey Marignan», Lithographie von ca. 1822. e-rara
Besonders schlecht war die Stimmung in Zürich, wo sich Meuten bildeten, die Entschädigungen für ihre Verluste forderten. Zwingli, der den Horror von Marignano aus eigener Erfahrung kannte, teilte die Verachtung und Frustration des gemeinen Volkes. In den Jahren 1520 und 1521 verglich er die französischen und päpstlichen Anwerber in seinen Predigten mit dem Teufel, der Eva im Garten Eden verführte. Zwinglis söldnerfeindliche Haltung fand breite Unterstützung in der Zürcher Bevölkerung – nur eine Handvoll Dörfer im Kanton Zürich war an einer Erneuerung des alten Bündnisses mit Frankreich interessiert – aber nicht überall in der Eidgenossenschaft war man seiner Meinung. Die mächtigen Patrizierfamilien hatten ebenso wie die katholischen Prälate kein Interesse daran, das Söldnerwesen gänzlich aufzugeben. Mit dem zunächst in Freiburg (1516) und dann Luzern (1521) geschlossenen Ewigen Frieden wurde die französisch-schweizerische Zusammenarbeit bestätigt und wiederbelebt, auch wenn sich Zürich weigerte, das Bündnis und die Söldnerverträge mit Frankreich zu verlängern. Stattdessen verfolgte die Stadt, anders als die anderen Kantone, eine isolationistischere Politik.

So einer ein wyss krütz an sich näyet, so verzeich­net er sich, das er ein Eidgenoss welle sin.

Zwingli, «Von dem Touff» (1525)

Erneuter Krieg zwischen den Königs­häu­sern Valois und Habsburg

Aus Sicht der europäischen Machtpolitik betrachtet wurde Frankreich nach dem Sieg des französischen Königs Franz I. (reg. 1515–1547) bei Marignano zur herrschenden Macht in Italien. Mit dem Herzogtum Mailand fest in französischer Hand träumte der gerissene Franz I. davon, die Ansprüche seiner Vorgänger auf das Königreich Neapel wieder aufleben zu lassen. Dieses wurde damals von Spanien kontrolliert. Der alte Traum eines franko-italienischen Reiches, sprich eines französischen Imperiums in Italien, erschien in Reichweite. Aber wie seine Vorgänger sah sich auch Franz I. dem direkten Widerstand der Habsburg-Dynastie gegenüber, die sich gegen die französischen Ansprüche auf die Oberhoheit wehrte. Zur Eindämmung der Gefahr, die von den Habsburgern ausging, versuchte Franz I., sich den Kaisertitel des Heiligen Römischen Reiches zu sichern, indem er nach dem Tod des bejahrten Kaisers Maximilian I. im Jahr 1519 mehrere der sieben Kurfürsten bestach. Ein kühnes Vorhaben, aber die Unkosten von Franz I. waren vergeblich. Die Kurfürsten wählten in Frankfurt am Main den Enkel von Maximilian I., den jugendlichen Karl V. (reg. 1519–1556), zum neuen Kaiser. Als König Carlos I. regierte dieser bereits seit 1516 Spanien. Seine volleren Geldbeutel und sein unerschütterlicher Glaube an die Vorrangstellung des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches vor den anderen europäischen Herrschern machten Karl V. und Franz I. mit der Zeit zu unerbittlichen Widersachern.
Erzfeinde: Karl V. von Habsburg (links) und Franz I. von Frankreich (rechts).
Erzfeinde: Karl V. von Habsburg (links) und Franz I. von Frankreich (rechts).
Erzfeinde: Karl V. von Habsburg (links) und Franz I. von Frankreich (rechts). Wikimedia
Franz I. hatte allen Grund zur Sorge: Karl V. herrschte über das grösste Reich in Europa seit der Herrschaft von Karl dem Grossen. Es bestand nicht nur aus dem Heiligen Römischen Reich, sondern auch aus dem Spanischen Kolonialreich in Europa und Amerika, der Burgundischen Niederlande und den Österreichischen Kronländern. Zudem wusste auch Karl V., dass die politische Vormachtstellung in Europa davon abhing, wer über Italien herrschte. Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis sich die schwelende Rivalität zwischen den Häusern von Valois und Habsburg einmal mehr entlud und die Italienkriege wieder entfachte.
Die eingefärbten Gebiete zeigen den europäischen Herrschaftsbereich (Kastilien, Aragon, Neapel, die burgundischen Besitzungen, die Österreichischen Erblande und das Heilige Römische Reich) von Karl V. nach seiner Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1519.
Die eingefärbten Gebiete zeigen den europäischen Herrschaftsbereich (Kastilien, Aragon, Neapel, die burgundischen Besitzungen, die Österreichischen Erblande und das Heilige Römische Reich) von Karl V. nach seiner Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1519. Wikimedia
Die existenzielle Bedrohung, die Karl V. innerhalb und ausserhalb seines Reiches darstellte, liess Franz I. seine Optionen abwägen. Da Karl V. ein enger Verwandter oder Verbündeter der Oberhäupter der führenden Reiche Europas – Portugal, Savoyen, Dänemark, England, Polen und Ungarn – war, fühlte sich Franz I. von allen Seiten umzingelt. Dennoch hatte Franz I. erfolgreich mit den Schweizern verhandelt und einmal mehr begann ein steter Fluss von Schweizer Söldnern in den französischen Dienst zu treten. Den richtigen Augenblick abwartend trieb Franz I. ein wohlbedachtes Spiel der bewaffneten Zurückhaltung, bis sich die richtige Gelegenheit bot, Karl V. zu schlagen. Denn so gross das Reich von Karl V. war, so schwierig war es auch zu verwalten. Ein günstiger Moment kam im Sommer 1521, als Karl V. durch einen andauernden Bauernaufstand im Friesland, zwei grosse Rebellionen in Spanien und dem Abschluss des unruhigen Reichstags zu Worms in Deutschland abgelenkt war. Franz I. befahl seinen Streitkräften, Luxemburg und Navarra anzugreifen, und läutete damit den Beginn des Italienischen Kriegs von 1521–1526 ein. Aber auch wenn Frankreich entlang der französisch-spanischen Grenze kleinere Erfolge verzeichnete, war es für die kaiserlichen Truppen in den Niederen Landen ein Leichtes, die französischen Streitkräfte zurückzuschlagen.

Anfäng­li­che Scharmüt­zel und der «Schweizer» Faktor

Nach dem Ausbruch der Auseinandersetzungen verlor Karl V. keine Zeit und ging mit Papst Leo X ein Bündnis gegen Frankreich ein. Mailand als Reichslehen und Zentrum der französischen Macht in Italien wurde zum Ziel eines koordinierten Angriffs. Es darf nicht vergessen werden, dass Karl V. für seine Eroberung Mailands von der Schweiz Soldaten und finanzielle Hilfe angefordert hatte, die ihm aber verweigert wurde: Die Eidgenossenschaft wollte möglichst vermeiden, dass Schweizer Söldner als Gegner auf dem Schlachtfeld aufeinandertrafen. Schlussendlich rekrutierte Karl V. stattdessen Landsknechte aus Schwaben und aus dem Tirol. Derweil schlüpften päpstliche Truppen aus Mantua und spanische Heere von Neapel, angeführt vom ehrwürdigen Condottiere Prospero Colonna, durch die venezianischen Linien, um in der Nähe von Valeggio sul Mincio auf das kaiserliche Heer und die schwäbischen Landsknechte zu treffen. Colonna hatte das Glück auf seiner Seite, denn die Lage in Mailand war alles andere als stabil: Obwohl dem französischen Generalgouverneur und Vizegraf von Lautrec, Odet de Foix, 10’000 Schweizer Söldner zur Verfügung standen, reichten seine Mittel nur für 6000 von ihnen. Die Schweizer forderten denn auch bald eine zusätzliche Zahlung für ihre rasche Mobilisierung. Lautrec musste sein Hab und Gut, darunter seine Kette des Michaelsorden, verkaufen und von Freunden Geld leihen, um den Forderungen der Schweizer nachzukommen. Nachdem Colonna Kontakt mit den frankreichfeindlichen Gruppierungen innerhalb von Mailand aufgenommen hatte, die ihm erzählten, wie viele Schweizer Söldner desertierten, startete er einen Überraschungsangriff. Mit den verbleibenden Schweizer Söldnern und den venezianischen Verbündeten konnten die Franzosen Mailand nicht halten. Lautrec trat mit 12’000 Männern den Rückzug an.
Die Landsknechte hatten schon oft gegen die Schweizer gekämpft (Video in Englisch). Youtube, SandRhoman History
Anfang 1522 hatten Colonna und die kaiserlichen Truppen einen Grossteil der Lombardei zurückerobert, wozu auch die wichtigen Städte Como, Alessandria, Monza und Pavia gehörten. Der wieder als Herzog von Mailand eingesetzte Francesco II. Sforza schloss sich Colonna an und brachte über Bergamo zusätzliche Verstärkung aus Schwaben und Tirol mit. Colonna erkannte, dass es trotz der materiellen Unterstützung nur eine Frage der Zeit war, bis die Franzosen und die Schweizer in der neuen Feldzugsaison einen Gegenangriff starten würden. Er ging folgerichtig davon aus, dass Frankreich eine zahlenmässige Überlegenheit zusammenziehen würde: Im Dezember 1521 warb Franz I. 16’000 Schweizer Söldner aus der ganzen Eidgenossenschaft ausser aus Zürich sowie 3000 italienische Condottieri an. Franz I. sandte mehrere Truppen der berühmten französischen Gendarmerie in die Lombardei und forderte zusätzlich Truppen aus Venedig auf, sich dem französischen Heer anzuschliessen. Zu Beginn des Frühjahrs 1522 versuchten Lautrecs französisches Heer und die Schweizer Söldner, die kaiserlichen Truppen aus Mailand heraus in eine offene Feldschlacht in der Nähe von Pavia oder Novara zu locken. Der zahlenmässig unterlegene, aber nicht überlistete Colonna machte einen geschützten Ort ausfindig, an den er sich zurückziehen konnte, bis ein Kampf notwendig wurde. Er verlegte seine Truppen zunächst südwärts in die befestigte Sicherheit des Klosters von Certosa, ungefähr 24 km ausserhalb von Mailand in Richtung Pavia. Colonna hoffte, Lautrec dazu zu verleiten, ihn dort anzugreifen, aber Lautrec liess sich nicht täuschen. Ihm war klar, dass Colonna dort in jeder hypothetischen Schlacht einen strategischen Vorteil hatte. Lautrec hielt es für klug, Colonnas Kommunikationswege mit Mailand sowie seinen Zugang zu den Alpenpässen abzuschneiden und marschierte mit seinen Truppen Richtung Monza. Colonna sah diese Reaktion voraus und verlegte seine eigenen Truppen rasch zum Park von Bicocca, der sich an einer idealen, sicheren Lage nur 7 km nordöstlich von Mailand entfernt befand. Mit Umfassungsmauern, sumpfigem Gelände, einem Hohlweg und tiefen Wassergräben war der Park gut befestigt. Hier konnte Colonna nicht nur eine weitläufige Artillerieverschanzung errichten, sondern über eine Brücke im Süden des Parks auch die Kommunikationswege mit Mailand verteidigen und halten. Entlang des Festungswalls positionierte Colonna seine spanischen Arkebusiere, die vom neapolitanischen Markgrafen von Pescara, Fernando d’Àvalos, befehligt wurden, und seine spanischen Pikeniere und schwäbischen Söldner unter dem Befehl des legendären Vaters der Landsknechte, Georg von Frundsberg. Hinter ihnen wartete die kaiserliche Artillerie auf ihren Einsatz. Die von Antonio de Leyva angeführte kaiserliche Kavallerie bewachte den südlichen Teil des Parks.

Diese Herren sind so verblen­det, dass sie selbst den Verlust ihres eigenen Fleisches und Blutes nicht mehr schmerzt.

Zwinglis Kommentar über die Schweizer Söldner, als er von der Schlacht bei Bicocca im Mai 1522 erfuhr

Blutbad bei Bicocca

Nachdem er am 26. April 1522 sein Lager in der Nähe der kaiserlichen Stellung bei Bicocca bezogen hatte, sandte Lautrec Späher aus, um das Gelände auszukundschaften. Lautrec hatte zwar entschieden, dass es das Beste wäre, die kaiserlichen Truppen in ihrer Stellung auszuhungern, aber die ungeduldigen Schweizer verlangten die sofortige Zahlung, das Recht, nach Hause zurückzukehren oder den Beginn der Auseinandersetzungen. Wie bei früheren Ausbrüchen der Italienischen Kriege hatte Frankreich die Schweizer nicht rechtzeitig bezahlt. Bereits früher in der Feldzugsaison waren Streitereien und Missverständnisse zwischen den Franzosen und ihren Schweizer Söldnern zu Tage getreten, als die Schweizer im März 1522 nicht wie von Anne de Montmorency (1493–1567), dem Generalkapitän des Schweizer Kontingents im französischen Heer, befohlen die Stadt Novara stürmten. Der harte Wettstreit zwischen den Schweizer Anführern Albert vom Stein (ca. 1484–1522), Arnold Winkelried aus Unterwalden (ca. 1480–1522) und Ulrich von Sax aus St. Gallen (ca. 1463–1538) war eine weitere Quelle der Verärgerung für die Franzosen. Aufgrund ihrer grossen Zahl hatten die Schweizer dennoch – und trotz ihrer Unnachgiebigkeit – eine starke Verhandlungsposition. Der Berner Albert vom Stein, der Anführer der Schweizer Söldner im französischen Dienst, bestand darauf, dass die Schweizer die kaiserlichen Truppen am nächsten Morgen angriffen; andernfalls würden sie über die Alpen nach Hause zurückkehren. Lautrec blieb keine andere Wahl als in die Forderungen einzuwilligen.
Im Lager von Bicocca forderten die Schweizer Lohn, Abschied oder Kampf. Illustration von Albert Robida, 1909.
Im Lager von Bicocca forderten die Schweizer Lohn, Abschied oder Kampf. Illustration von Albert Robida, 1909. Britannica Imagequest, © Bridgeman Images
Am Morgen des 27. Aprils 1522 begann die Schlacht bei Bicocca. Montmorency befehligte die Schweizer Söldner, die aus zwei grossen Kolonnen mit je 4000 Mann bestanden, beim Angriff auf Colonnas verschanzte Landsknechte und Arkebusiere. Hinter ihm stand eine bewaffnete Linie französischer Infanterie und die Gendarmerie, angeführt von Lautrec, während die venezianischen Soldaten, angeführt von ihrem Generalkapitän Francesco Maria della Rovere, weiter hinten eine eigene Linie bildeten. Montmorency befahl den Schweizern, zu warten, damit die französische Artillerie auf die kaiserliche Verteidigung schiessen konnte. Diese weigerten sich aber, dem Befehl zu folgen und marschierten schnurstracks in die Schusslinie der spanischen Arkebusiere. In rascher aber ordentlicher Abfolge mähten die spanischen Arkebusiere und die kaiserliche Artillerie tausend Schweizer aus ihrer Verschanzung nieder, noch bevor diese den Hohlweg vor dem Festungswall von Bicocca erreicht hatten. Einige Schweizer schafften es, durch das Blutbad zu waten und den Festungswall hochzuklettern, um in den Nahkampf einzutreten. Dies erwies sich als aussichtslos, da dort die Landsknechte auf sie warteten. Als Folge ihrer intensiven Rivalität auf den Schlachtfeldern Europas und den schmerzlichen Erinnerungen an den Schwabenkrieg (1499) liessen die Landsknechte ihre Wut an den Schweizern aus und metzelten alle nieder, die sie fanden. Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass bei Bicocca zwischen 3000 und 4000 Schweizer starben; in der Schlacht fielen auch 22 Schweizer Anführer, darunter Albert vom Stein und Arnold Winkelried aus Unterwalden.
Schematische Darstellung der Schlacht bei Bicocca. Die französischen Bewegungen sind blau, die kaiserlichen Bewegungen rot eingezeichnet.
Schematische Darstellung der Schlacht bei Bicocca. Die französischen Bewegungen sind blau, die kaiserlichen Bewegungen rot eingezeichnet. Wikimedia
Nach einer halben Stunde pfiffen die Schweizer zum Rückzug. Die Legende besagt, dass die kaiserlichen Truppen nur einen Toten verzeichneten, der von einem Esel getreten worden war. Tatsächlich lagen die kaiserlichen Verluste bei rund 200 Mann. Während die Schweizer ihren desaströsen Versuch unternahmen, die kaiserlichen Truppen zu überwältigen, versagte die französische Kavallerie bei ihren Bemühungen, die Brücke im Süden von Bicocca zu erobern. Obwohl Lautrec den überlebenden Schweizern befahl, wieder anzugreifen, weigerten sie sich. Als er erkannte, dass die feindliche Stellung uneinnehmbar war, zog sich Lautrec vom Schlachtfeld zurück. Die kaiserlichen Befehlshaber wollten die französischen Truppen auf ihrem Rückzug verfolgen, aber Colonna zögerte. Der Grossteil von Lautrecs Truppen hatte nicht gekämpft und blieb gefährlich. Colonnas Entscheid, einen weiteren Kampf zu vermeiden, erwies sich als weise; die Schweizer kehrten am 30. April 1522 nach Hause zurück.

Sie kehrten an Zahl, aber vor allem an Kühnheit verrin­gert in ihre Berge zurück; denn es steht sicher, dass die Verluste, die sie bei Bicocca erlitten, sie so in Mitlei­den­schaft gezogen hatten, dass sie ihre vielbe­schwo­re­ne Kraft in den kommenden Jahren nicht mehr zur Schau stellten…

Francesco Guicciardini über die Schweizer in der Zeit nach Bicocca

Ein folgen­rei­ches Vermächtnis

Die Schlacht bei Bicocca bedeutete das Ende der Blütezeit der spätmittelalterlichen Schweizer Pikeniere. Sie zeigte zudem auf, wie stark das Verhalten der Söldner zum Ausgang der Schlachten während den Italienischen Kriegen beitrug. Nie wieder würden Schweizer Söldner Spiesse und Hellebarden schwingend versuchen, in der Schlacht feindliche Linien zu übermannen. Bicocca zeigte zudem den Nutzen auf, auf dem Schlachtfeld Europas Männer und Schiesspulver zu kombinieren. Die Reform des spanischen Heeres mit der Entwicklung neuer Kampftechniken und Militärtechnik schuf die Voraussetzung für den spanischen Sieg in den Italienischen Kriegen. Dadurch wurde Spanien zur führenden Macht im Europa des 16. Jahrhunderts. Forthin konnten nicht einmal mehr die stolzen Schweizer dem Reiz der spanischen Militärmacht und des politischen Machtgefüges entkommen. Das Gespenst von Bicocca wirkte sich auch auf die Innenpolitik der Eidgenossenschaft aus. Zwinglis Ablehnung des Söldnerwesens trug zu seinem eigenen Verderben bei. Zürich fehlte nicht nur das Geld, das aus dem Söldnerwesen floss, sondern auch die jungen Männer mit jahrelanger Militärerfahrung. Als zwischen 1529 und 1531 religiöse Zwiste ausbrachen, war Zürich den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Die 2000 Mann starken Zürcher Truppen, die am 11. Oktober 1531 in Kappel am Albis mindestens 7000 Kämpfern aus den katholischen Kantonen gegenüberstanden, hatten keine Aussicht auf Sieg. Die Katholiken, die in ihren Reihen zahlreiche Veteranen von Bicocca zählten, gewannen die Schlacht bei Kappel und Zwingli bezahlte mit seinem Leben.

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