
Judith Müller – die vergessene Berner Künstlerin
Geboren in einem Künstlerumfeld, prägte Judith Müller über Jahrzehnte die Berner Kunstszene. Trotz öffentlicher Wandbilder, zahlreichen Ausstellungen und künstlerischem Engagement verschwand ihr Schaffen aus dem kulturellen Gedächtnis.
Typhus und entartete Kunst
Auch Albert Müllers Kinder und seine Frau Anna (geborene Hübscher) steckten sich an der tödlichen Krankheit an. Anna, Judiths Mutter, erlag der Krankheit nur ein paar Wochen nach ihrem Mann und verstarb 1927. Die Kinder überlebten, waren nun Vollwaisen und wuchsen fortan bei ihrer Tante in Bern auf.
1940 besuchte Judith die Gewerbeschule und ein Jahr später die Malschule von Max von Mühlenen in Bern. Von 1947- 48 liess sie sich zur Glasmalerin bei Paul Wüthrich, ebenfalls in Bern, ausbilden. Ein ungewöhnlicher Umstand für die damalige Zeit – nicht viele Frauen befanden sich in einer künstlerischen Ausbildung, denn diese Fächer wurden von Männern dominiert.
Bereits 1941/42, mit 19 Jahren, stellte sie ihre Bilder zum ersten Mal an der jährlich stattfindenden Ausstellung «Weihnachtsausstellung bernischer Maler und Bildhauer» aus. Ihre Bilder waren danach drei Dekaden lang fast jährlich zu sehen.
Einsatz für die Schweizer Frauenbewegung
Der Ausschluss der Frauen aus der offiziellen Künstlervereinigung hatte zur Folge, dass sie nicht Teil der offiziellen nationalen Ausstellungen waren. Aus dieser existentiellen Not gründeten die Frauen 1902 in der Romandie unter der Gründungspräsidentin Berthe Sandoz-Lassieur die Societé romande des femmes peintres et sculpteures. Weitere regionale Sektionen kamen dazu, die Vereinigung wurde später in Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen GSMBK (heute SGBK) umbenannt. Sie besteht bis heute, obwohl die GSMBA mit der Einführung des Frauenstimmrechts genötigt war, auch Künstlerinnen aufzunehmen.
Judith Müller war seit 1953 Mitglied der GSMBK. Um ein Zeichen für die Sache der Frau zu setzen und auch weil sie mit vielen anderen Künstlerinnen und Frauen vernetzt war, stellte Müller an der zweiten Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit 1958 aus. Das Bild hiess «Le Poète» und stellt wohl eines ihrer schönsten Werke dar.
Vergessen, versteckt und unsichtbar



