Prämierte Werbung
Von 1941 bis 2001 wurden von einer Jury im Auftrag des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) jeweils die besten Plakate des Jahres prämiert. Ein Blick auf einige der besten Plakate aus der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums.
Erholung mit einem Buch
1954 zählte das erste Buchplakat von Celestino Piatti zu den 28 prämierten Arbeiten.
Vom Leser sieht man nur die Nase, das Auge, die qualmende Pfeife und die Hand mit dem aufgeschlagenen Buch. Er liest im Liegestuhl. Im Freien. Das Blau des Himmels scheint durch die Konturen von Nase und Hand. Das Buch ist eine blendend weisse Fläche. Der Liegestuhl besteht aus drei roten und drei weissen Streifen.
«Erholung mit einem Buch» steht im Bildvordergrund. Das Wort «Buch» sticht ins Auge und erklärt das Bild. Auf den ersten Blick. Mit einfachsten gestalterischen Mitteln und mit feinem Humor bringt der Grafiker die Werbebotschaft auf den Punkt.
Könnte der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) heute noch mit der Karikatur eines Pfeife rauchenden Lesers und einem rot-weiss-gestreiften Liegestuhl für Bücher werben? Kaum. Celestino Piatti konnte es 1954 noch.
Die Werbung für das Buch zieht sich während vier Jahrzehnten wie ein roter Faden durch sein Plakatschaffen. Piatti gehört neben Donald Brun, Herbert Leupin, Josef Müller-Brockmann und Ruedi Külling zu den Grafikern mit den meisten vom EDI prämierten Plakaten. Und während der Zeit seines Schaffens für den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) zu den bekanntesten Grafikern Europas.
Mit dem Leser im Liegestuhl zitiert Piatti ein im Vorjahr prämiertes Plakat von Alois Carigiet, das eine Frau in einem roten Liegestuhl unter luftigem Berghimmel zeigt und für die Schweiz als Ferienland wirbt: «für geruhsame Ferien die Schweiz» – «repos et détente en Suisse» – «vacance riposanti in Svizzera» – «rest and relax in Switzerland». Carigiet spielt seinerseits auf die berühmte «Passagère» von Henri de Toulouse-Lautrec an.
Aus dem Jahresbericht der Schweizerischen Verkehrszentrale 1953 geht hervor, dass das malerische Tourismusplakat von Alois Carigiet in fünf Sprachen (dt., frz., ital., engl. und spanisch) mit einer Gesamtauflage von 15 000 Stück gedruckt wurde. Im sogenannten Englischformat (64x102 cm), wegen des Aushangs in den Büros der Verkehrszentrale im Ausland. Dazu kamen 20 000 Stück als Stellplakat im Kleinformat.
Alois Carigiet und der PKZ-Gockel
Der heute vor allem als Autor der Kinderbücher Schellen Ursli und Flurina bekannte Alois Carigiet gehörte ebenfalls zu den ganz grossen Plakatkünstlern der Schweiz. Zwischen 1928 und 1959 entwarf der gelernte Dekorationsmaler über 100 Plakate. Sein eigenwilliger Plakatstil zeichnet sich durch Humor, Einfallsreichtum und pointierte Aussagen aus. Sein Markenzeichen waren die vermenschlichten Tierfiguren. Besondere Berühmtheit erlangte der mit hellblauem Veston, Stock und Handschuh an den Passanten vorbeistolzierende PKZ-Gockel (1935). Man stelle sich die Wirkung dieser farbigen und augenfälligen, weder durch Farbfotografie noch durch Werbefernsehen, geschweige denn Internet-Reklame konkurrenzierten Bilder an den Litfasssäulen und Plakatwänden der 1930er-Jahre vor! Der Ausflug zu den neuen Plakaten am Zürcher Bellevue und am Central war damals ein beliebter Familien- und Sonntagsspaziergang.
OLMA und Kugelschreiber
Wir bleiben beim Gockel. Nicht als Werber des Jahres, sondern als Werbefigur. Ruedi Külling setzt ihn auf einem prämierten Plakat für die OLMA 1990 als einen der Bremer Stadtmusikanten ins Bild.
Mit dem krähenden Hahn als Sujet für ein OLMA-Plakat experimentierte Külling bereits 1965. Zahlreiche Ideenskizzen und Entwürfe des hervorragenden Zeichners befinden sich in der Grafischen Sammlung des Nationalmuseums. Eine ganze Geflügelfarm. Eingereicht hat Külling den Entwurf nicht.
Furore machte Ruedi Külling 1961 mit dem Plakat für den damals neuen Billigkugelschreiber der Marke Bic. Die zündende Idee bestand darin, mit dem Produkt selber für das Produkt zu werben, den Namen des Produktes mit einem Bic-Kugelschreiber auf ein Blatt Papier zu kritzeln. Rasch und ohne «Tolggen», wie das beim neuen Kugelschreiber im Gegensatz zum bisher gebräuchlichen Füllfederhalter möglich war. Die gestalterische Qualität des Plakates besteht aus der Reduktion auf das Wesentliche.
Ikonen der Schweizer Plakatkunst
Külling liess fast alle Plakate in der Graphischen Anstalt J. E. Wolfensberger in Zürich drucken. Auf den 1956 in Betrieb genommenen, modernen Offsetpressen. Ruedi Wolfensberger, der damalige Leiter der Druckerei, hatte sein Handwerk noch auf den Steindruck-Schnellpressen aus dem Jahr 1905 gelernt.
Die Geschichte des Schweizer Künstlerplakates ist aufs Engste mit dem Namen Wolfensberger verbunden. Der Firmengründer, Johann Edwin Wolfensberger, war einer seiner wichtigsten Förderer. Die Pioniere der Schweizer Plakatkunst, der Basler Burkhard Mangold, der Zürcher Otto Baumberger und der Berner Emil Cardinaux, gehörten zu seinen Mitarbeitern der ersten Stunde.
Die bei Wolfensberger auf einer Steindruckschnellpresse mit Baujahr 1905 gedruckten Tourismusplakate von Emil Cardinaux für das Palace Hotel in Sankt Moritz (1920) und von Cuno Amiet für das Bahnhofbuffet Basel (1921) zählen zu den Ikonen der Schweizer Plakatkunst, die einst weltweites Ansehen genoss und in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York gut vertreten ist.
Der freundliche Berggeist
Die wohl bekannteste Werbefigur der Schweiz ist das Knorrli. Seinem Schöpfer, dem Grafiker und Maler Hans Tomamichel, schwebte bei der Gestaltung ein freundlicher Berggeist aus seinem Heimatdorf Bosco Gurin im Tessin vor. Die ersten Zeichnungen entstanden 1947. Die Plakate der 1950er-Jahre wurden bei Wolfensberger gedruckt, ebenfalls auf den alten Steindruck-Schnellpressen. Zu den als beste Plakate des Jahres ausgezeichneten Arbeiten gehörten sie nie. Aber zu den beliebtesten.