Geburts­stun­de der modernen Kartografie

Guillaume-Henri Dufour verdiente sich nicht nur als General im Sonderbundskrieg zahlreiche Lorbeeren, sondern auch als Kartograf und Mitbegründer der modernen Kartografie.

Andrej Abplanalp

Andrej Abplanalp

Historiker und Kommunikations-Chef des Schweizerischen Nationalmuseums.

Die Schweiz ist bekannt für verlockende Schokolade, präzise Uhren, rassigen Käse und für genaue Landkarten. Begonnen hat die topografische Vormachtstellung der Eidgenossen Mitte des 19. Jahrhunderts. Unter der Leitung von Guillaume Henri Dufour entstand zwischen 1845 und 1864 im Kanton Genf das erste geometrisch korrekte Abbild der Schweiz.

Die sogenannte Dufour-Karte besteht aus 25 Blättern und wurde im Massstab 1:100’000 hergestellt. Mit Schattenschraffen, speziell angeordneten Strichen, schafften Dufour und seine Mitarbeiter vom «Topographischen Bureau» eine besonders plastische Reliefwirkung und Felszeichnung. Diese Darstellungsform wurde «Schweizer Manier» genannt und international mehrfach ausgezeichnet.

Das entging auch dem Bundesrat nicht. Er taufte 1863 das Gornerhorn, mit 4634 m ü.d.M. der höchste Gipfel der Schweiz, in Dufourspitze um. Eine besondere Ehre für den General und seine Kartografen.

Kupferplatte der Dufourkarte. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

Dufour-Karte, 1845 - 1864, topographische Karte der Schweiz, hergestellt unter der Leitung von Guillaume-Henri Dufour. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

Virtuelle Dufour-Karte: Auf dem Geoportal des Bundes kann die Erstausgabe der Dufour-Karte virtuell entdeckt werden: map.geo.admin.ch

Das Ende einer Ära

Es fiel ihm nicht leicht, den letzten Brief als «Directeur de la Carte Suisse» zu unterschreiben. Seine Hand zitterte, die Feder blieb hängen, und auf dem Papier bildeten sich Tintenflecken. «Pardon pour ces taches qui se sont faites au moment de clore ma lettre. Je n’ai pas eu le courage de la recommencer.» Der einstige Mut verliess ihn in diesem grossen Moment. Während mehr als 30 Jahren hatte er mit flinker Schrift Tausende von Briefen geschrieben, Entwürfe korrigiert, Berichte seiner Mitarbeiter kontrolliert und eigene Berichte verfasst, Kritiken abgewehrt, Allianzen auf dem Korrespondenzweg gebildet sowie andere verhindert. Aber nun war sie fertig, die Topographische Karte der Schweiz, vermessen und herausgegeben auf Befehl der eidgenössischen Behörden, aufgenommen und reduziert durch eidgenössische Ingenieure unter der Aufsicht des Generals Guillaume-Henri Dufour.

«Voici la dernière lettre que j’aurai l’honneur de vous adresser en qualité de directeur de la Carte topographique de la Suisse,» schrieb der bald 78-jährige General Ende Mai 1865 an den Vorsteher des Militärdepartements. «Le Bureau de Genève est fermé, Mons. le L. Colonel Siegfried en a reconnu le matériel et a signé l’inventaire.»

Die kartographische Inventarisierung der Schweiz war mit einem detaillierten Inventar über jene Instrumente und Einrichtungen besiegelt worden, welche bei der Landesvermessung Verwendung gefunden hatten: Theodoliten, Messtische, Druckplatten, Rechenschieber, Equerren, Sextanten, optische Distanzmesser, Zirkel, Zeichenstifte, Pantographen, Planimeter, Lampen, Boussolen, Logarithmentafeln, Bücher, Karten, Zeitschriften und vieles mehr. Zwei ganze Eisenbahnwagen voll, die nun von Genf in die Bundeshauptstadt geschickt wurden. «Tout ce matériel, contenu dans deux fourgons, a dû arriver à Berne, par la voie du chemin de fer.» Jetzt liess sich nichts mehr ändern, die Kontrolle hatten andere übernommen. Dufour blieb einzig noch die Hoffnung, man werde in Bern sorgfältig mit seinem Werk umgehen. «(…)  j’espère que Mons. Siegfried en aura fait retirer immédiatement le rouleau de la grande Carte fédérale pour le transporter au palais national. Le reste peut rester dans les fourgons jusqu’au moment où Mons. Steinmann arrivera à Berne et les en retirera en procédant à l’installation du nouveau Bureau.»

Er habe seinem Nachfolger noch gezeigt, wie man die grosse Karte der Schweiz anordnen müsse. Auch habe er ihm sehr empfohlen, sorgfältig mit ihr umzugehen und auf gutes Licht zu achten. Siegfried sei sich wohl bewusst gewesen, was er da in Empfang nahm: «Il a bien senti l’importance de ce document pour lequel la Confédération s’est imposé de si grands sacrifices pécuniaires.»

David Gugerli ist Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich.

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