Das Schloss Chillon am Genfersee war ab dem 12. Jahrhundert im Besitz der Savoyer. 1536 wurde es von den Bernern erobert. Das Aquarell des Schlosses entstand im 19. Jahrhundert.
Schweizerisches Nationalmuseum

Expansion nach Westen

Lange war Savoyen in der Westschweiz eine Macht. Doch an Genf und seinen Verbündeten bissen sich die Savoyer die Zähne aus. Schliesslich zogen sie sich zurück und überliessen den Eidgenossen grosse Gebiete im Westen.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor.

26. März 1536: Für die Savoyer auf Schloss Chillon wird es ungemütlich. Über den See nähern sich mehrere Kriegsschiffe mit Genfer Flagge, von Norden her ziehen Berner Truppen heran und aus dem Süden rücken die Walliser vor. Eine erdrückende genferisch-eidgenössische Übermacht. Die Geschichte begann 17 Jahre zuvor am anderen Ende des Genfersees. Damals waren es die Savoyer, die Genf bedrohten. Das Reich des Herzogs von Savoyen umschloss den gesamten See – mit Ausnahme Genfs. In ihrer Not wandten sich die Genfer den Eidgenossen zu, was zunächst wenig half: 1519 besetzte Savoyen die Stadt. Daraufhin drohte Freiburg mit einer Attacke – und die Besatzer zogen sich zurück.

Der Rückzug hatte zwei Gründe: Erstens war Savoyen ein taumelnder Riese. Das Herzogtum war gross, aber instabil und der Herzog war nicht auf einen Konflikt mit den Eidgenossen aus. Zweitens bestimmten die Savoyer weiterhin das Geschehen in der Rhonestadt – und zwar über den Bischof. Dieser gehörte zum Haus Savoyen, agierte als verlängerter Arm des Herzogs und regierte fortan als Gewaltherrscher in Genf.

Berner Truppen erobern die Waadt. Holzschnitt von Johannes Stumpf von 1548.
Zentralbibliothek Zurich

Die Eroberung der Waadt 1536 in einem Holzschnitt von Johannes Stumpf. Das Bild war Teil der Chronik der Eidgenossenschaft, welche 1548 in Zürich erschienen ist.
Zentralbibliothek Zürich

Aber auch dagegen regte sich Widerstand: 1526 erreichten revolutionäre Genfer aus dem Untergrund ein Bündnis mit Bern. 1530 zogen Berner und Freiburger sowie ein kleines Kontingent an Solothurnern bewaffnet nach Westen. Die beiden Schwesterstädte – eine reformiert, eine katholisch – erreichten einen raschen Frieden. Savoyen musste die Waadt an Bern und Freiburg verpfänden und der despotische Bischof floh daraufhin aus Genf. Die befreiten Genfer hingegen fielen wenig überraschend vom Glauben ab und wandten sich der Reformation zu.

Daraufhin erklärten die katholischen Freiburger den Bund mit Genf für erloschen und die Stadt kam erneut unter Druck aus Frankreich und – wieder – Savoyen. Es folgte das turbulente Jahr 1536: Um ihre protestantischen Glaubensbrüder zu schützen, marschierten bernische Truppen in Genf ein. Ebenfalls eroberten die Eidgenossen das Schloss Chillon sowie (vorübergehend) das Südufer des Genfersees. Die Eidgenossenschaft gewann durch die Expansion nach Westen deutlich an Terrain und erhielt mit Genf einen neuen Verbündeten. Im selben Jahr kam ausserdem ein Theologe namens Jean Calvin in die Stadt, dessen Ideen Genf in den nächsten Jahren prägen und weit über die Stadt hinaus für Schlagzeilen sorgen sollten.

Für die Savoyer auf Schloss Chillon ging die Sache übrigens glimpflich aus. Sie entkamen im Schutz der Dunkelheit über den See – verfolgt, aber nicht eingeholt von den Genfer Schiffen.

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