Eine Schatztruhe im Bergwerk
Es ist eines von neun Bergwerken im Kanton Zürich und sicher das originellste. Das Quarzsandbergwerk im zürcherischen Buchs entstand 1898 aus einem Zufall heraus und sorgte im April 1910 für Schlagzeilen.
Eigentlich sollte es ein Unterstand für einen Treibstofftank hinter dem Haus werden. Der von Johannes Spühler dafür ausgehobene Sand fiel einem zufällig anwesenden Mitarbeiter der Bülacher Glashütte auf. Der Mann erkannte den wertvollen Rohstoff für die Glasproduktion sofort. In der Folge trieben Spühler und sein Sohn Hans, zusammen mit Knechten und Taglöhnern, einen rund 100 Meter langen Stollen in den Berg. Dazu kamen Quergänge, die ebenfalls rund 80 Meter lang waren.
Während sie auf die Rückkehr der Fuhrwerke warteten, die den Sand zum nahe gelegenen Bahnhof Buchs bringen sollten, von wo er weiter nach Bülach transportiert wurde, vertrieben sich die Arbeiter die Zeit mit allerlei neckischen Bildhauerarbeiten.
Galerie des gewöhnlichen Arbeiters
So entstanden ungefähr 40 teilweise kuriose Statuen und Reliefs, die die Besucher auch heute noch von den Felswänden herunter anstarren. Da ist beispielsweise Gabriel, der Erzengel mit Blütenzweig. Seine Wangen leuchten immer noch frisch rosa. Oder Adam und Eva in stämmiger Postur samt lüsterner Schlange, Märchenfiguren wie Rotkäppchen oder Schneewittchen im roten Kleid, samt bunter Zwergenschar. Die meisten Figuren wurden zusätzlich mit blasser Wasserfarbe coloriert. Ihren Patriotismus signalisierten die Bergwerkarbeiter unter anderem mit der eigenwilligen Helvetia, deren Gesichtszüge eher an einen Helvetio erinnern.
Unterhaltung für die Städter
Bei einer konstanten Temperatur von neun Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit scheinen die Farben auch heute noch wie neu. Spühler und seine Angestellten bauten weiter auch den Eingang zum Simplontunnel, wie auch das Löwendenkmal nach. Getreu dem Luzerner Vorbild liegt das stolze Tier schwer verletzt am Wasser und stirbt nun schon seit über 100 Jahren.
Der Sandstein eignete sich dank seiner Härte hervorragend zur Glasherstellung. Der Betrieb war ein Familienunternehmen, welches neben der Landwirtschaft einherging. Johannes Spühler entschied sich ganz bewusst für diese Art des Abbaus, dies entgegen des damals üblichen, und auch in anderen Gemeinden praktizierten, Tagabbaus. Er erhielt so den obigen Rebberg und die Wiese. Ausserdem waren er und seine Männer bei der Arbeit vor dem garstigen Wetter sicher.
Der Betrieb war zu Beginn so rentabel, dass das Bergwerk wöchentlich bis zu fünf Bahnwagen voll mit bestem Quarzsand nach Bülach schickte. Wohlgemerkt, es war harte Knochenarbeit und früher oder später klagten alle über Rheuma. Ein Arbeiter brachte es auf ungefähr sechs Franken Tageslohn. Trotzdem liessen sich die Beteiligten ihren Humor nicht nehmen.
Der clevere Spühler war auch ein Spassvogel. Er erkannte schon früh, dass sich nicht nur mit dem Sand Geld machen liess, sondern auch mit den düsteren Höhlengängen und den sich darin befindenden gemeisselten Kunstwerken. 1906 eröffnete er eine «Sommerwirtschaft», in der sich das Volk der nahen Stadt nur zu gern unterhalten liess. Er fertigte Postkarten an, die Ansichten aus dem Innern des Berges zeigten, teilweise mit gestellten Szenen, auf welchen Trinkgelage von einer «Zigeunerbande» und Meuchelmörder bei der Arbeit zu sehen waren.
Der Schatz der Russen
Im Frühling 1910 machte folgendes Gerücht die Runde. Es sei just am 1. April eine Schatztruhe gefüllt bis an den Rand mit russischen und französischen Banknoten im Bergwerk gefunden worden. Die zahlreichen Bittsteller, die auch aufgrund einer Reportage, die in der Neuen Illustrierten Zeitung erschienen war, bei Spühler anklopften, verwies er an einen gewissen Doktor Lirpa. Den Schlauen Leserinnen und Lesern fiel allerdings schnell auf, dass Lirpa rückwärts April hiess...
Während des Ersten Weltkrieges drosselte die Glashütte Bülach ihre Produktion. Ausserdem wurde der Bahnbetrieb zwischen Buchs und Dällikon wegen Kohlenmangels für insgesamt drei Jahre eingestellt. Diese Ereignisse bedeuteten das Ende des Bergwerkes, da in der Folge auf den Quarzsand aus Buchs weitgehend verzichtet wurde.