Fabrik für Strohhüte in Hütwangen, Ende 19. Jahrhundert.
Fabrik für Strohhüte in Hütwangen, Ende 19. Jahrhundert. Dorfmuseum Hüntwangen

Der Hut tat der Wirtschaft gut

Im 18. Jahrhundert hatten Strohflechter und Hutmacher in der Schweiz einen schlechten Ruf. Sie seien faul, hiess es. Ein Jahrhundert später entstand aus der Hutmacherei ein florierendes Geschäft.

Katrin Brunner

Katrin Brunner

Katrin Brunner ist selbstständige Journalistin mit Schwerpunkt Geschichte und Chronistin von Niederweningen.

Landarzt Johann Caspar Hirzel galt als Menschenfreund und stand neuen Ideen aufgeschlossen gegenüber. Bei Strohhut allerdings waren seine Grenzen erreicht. Mitte des 18. Jahrhunderts prangerte er das Aufkommen des Strohflechtens und der damit zusammenhängenden Hutmacherfabrikation aufs Schärfste an. Wenn die Bauern in seinen Augen lieber in ihren Stuben herumsassen und etwas Stroh flochten, statt sich, wie es sich gehörte, auf dem Feld abrackerten, fand Hirzel klare Worte wie «Luderei» oder «Müssiggang».

Import aus dem Süden

Vom 16. Jahrhundert an begann die Strohflechterei in der Schweiz zu florieren. Im Tessin, im Aargau, in Obwalden und im zürcherischen Rafzerfeld, um nur einige Regionen zu nennen, stellten viele Familien, aber auch oft sogenannte «Tauner», Taglöhner, die wenig besassen und vom Tagwan, dem Tageslohn lebten, Bordüren für Kleidung, Schmuck oder Strohhüte her. Damit verdienten sie sich einen Zustupf zum kargen Lohn aus der Landwirtschaft. Wie dieses zum Teil filigrane Handwerk in die Schweiz kam, darüber kann nur spekuliert werden. Vermutet wird, dass Schweizer Söldner, welche im 16. Jahrhundert in Norditalien Kriegsdienst taten, die Strohflechtkunst zurück in die Heimat brachten. Begünstigt durch die Modeströmung, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts Strohhüte propagierte, konnte von Luderei und Müssiggang keine Rede mehr sein. Auch wenn es die Arbeiter in den sogenannten Lichthäusern sicher auch lustig hatten. Künstliches Licht war eine rare und teilweise kostspielige Sache. Aus diesem Grund fanden sich die Menschen in öffentlich zugänglichen bereits beleuchteten Räumen, aber auch in privaten Stuben ein, um zu arbeiten und teilten sich das dort vorhandene Licht, dass meist von Kerzen und Leuchtern kam.
Hutmode des Sommers 1931.
Hutmode des Sommers 1931. Dorfmuseum Hüntwangen
Hutproduktion in Hüntwangen, Anfang 20. Jahrhundert.
Hutproduktion in Hüntwangen, Anfang 20. Jahrhundert. Dorfmuseum Hüntwangen

Innova­ti­ver Sohn der Familie Ritz

Heinrich Ritz kam 1838 im zürcherischen Hüntwangen zur Welt. Der Sohn eines Huthausierers war lernbegierig und clever, sodass er bereits mit 14 Jahren Hutflechter und Händler war. Heinrich schien ein guter Beobachter der aktuellen Hutmode gewesen zu sein und das Geschäft lief so gut, dass er für seine erste Hutfabrikation das Lager im Treppenhaus einrichtete und zuhause arbeitete. 1880 erstand er eine Hutpresse und eine Strohhutmaschine, obwohl bereits zu dieser Zeit nebst den kunstvollen Strohhüten auch Filzhüte im Ort produziert wurden. 1890 baute Heinrich Ritz eine Fabrik, die in ihren besten Zeiten zwischen 80 und 100 Personen beschäftigte. Der Patron informierte sich oft direkt vor Ort über die neusten Trends in Sachen Hutmode. Sei es in Paris oder Mailand. Ob Panama- Canotier- oder Florentinerhut, die Lizenz zum Hut brachte Heinrich Ritz jeweils nach den Besuchen der internationalen Modemessen nach Hause mit. Dort entwarfen Modistinnen teilweise eigene Kreationen. Die Besten dieser Modistinnen holte sich Ritz aus Berlin, Wien oder Dresden.

Todesstoss mit Perücke und Frisuren

Heinrich Ritz legte grossen Wert darauf, dass «Mann» einen Hut trug. Und mit dieser Meinung stand er nicht alleine. Zeitweise war die Strohhutproduktion die grösste Exportindustrie der Schweiz. Doch das Hoch hielt nur kurz an, oder anders gesagt, es war ein Strohfeuer. Mit dem Aufkommen von Perücken und neuen Frisuren, sank die Nachfrage bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wieder. Während sich die Frisöre mit immer aufwändigeren Damenfrisuren profilierten, kam die Hutindustrie in Bedrängnis. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zu den kunstvoll frisierten Damenköpfen auch noch Perücken hinzu. Die Haare waren nun der eigentliche Schmuck.
Dieser Hut wird wegen seiner Form auch Kreissäge genannt.
Dieser Hut wird wegen seiner Form auch Kreissäge genannt. Pixabay

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