
Im Coiffeursalon der Türkenprinzessin
Der letzte Vertreter des osmanischen Grossreichs war Rachid Osman. Er verbrachte seinen Lebensabend in einem kleinen Glarner Dorf. Seine Gattin Rosa Osman-Keller verdiente als Dorffriseuse Geld, um sich und ihren einst so reichen Mann durchzubringen.
Rosa Keller kommt 1908 im zürcherischen Dielsdorf als Tochter eines Polizisten zur Welt. Im gleichen Jahr steigt ein 20-jähriger türkischer Prinz für ein paar Tage mit seinem Gefolge im noblen Hotel Baur au Lac in Zürich ab. Dass sich deren Wege dereinst kreuzen werden, scheint fast unmöglich und doch ist genau das passiert.

Im Ersten Weltkrieg zog der Sultan den aufstrebenden Rachid, mittlerweile 26-jährig, für politische Missionen bei. Zuerst wirkte der junge Politologe im türkischen Aussenministerium als juristischer Berater – obwohl er gar kein Jurist war. Dann fungierte er als bevollmächtigter Minister im osmanischen Teil Griechenlands und trat damit in die Fussstapfen seines Vaters.

Auf Augenhöhe mit Europas Mächtigen
Die Familie suchte Unterstützung für den Haushalt und stellte 1927 eine junge Schweizerin ein: Rosa Keller. Hier verbinden sich die Lebensgeschichten des türkischen Prinzen und der mittlerweile 19-Jährigen Dielsdorferin. Bei der Ankunft wusste Rosa, dass sie als Kindermädchen arbeiten sollte, doch sie hatte keine Ahnung, um wen es sich bei der Gastfamilie handelte. Erst in der noblen Villa an der Avenue Georges Clemenceau in Nizza realisierte sie, dass sie für eine türkische Prinzenfamilie arbeiten sollte!

Als Gattin des osmanischen Prinzen verkehrte Rosa in Nizza mit Magistraten und gekrönten Häuptern, sie lernte zum Beispiel den schwedischen König Gustav VI. Adolf kennen, aber auch den letzten türkischen Kalifen Abdul Medijd II., den verwegenen Kurdenführer Mustafa Barzani oder den Maharadscha von Hyderabad.
Bei einem grossen Prozess um das Erbe des Sultans bekam Rachid einen Anteil von 100 Millionen Franken des riesigen Vermögens mit Ölfeldern, Ländereien und Minen zugesprochen. Doch als gestürzter Osmane im Exil erhielt er keinen Rappen. Das Ehepaar Osman-Keller lebte fortan in Armut – gemessen an Rachids Vorleben in Palästen mit Dutzenden von Hofangestellten war das ein tiefer Fall. Rosa organisierte den Umzug in eine günstigere Wohnung und behalf sich mit dem Bemalen sowie dem Verkauf von Emaille-Broschen, damit sie ein Auskommen hatten.
Ein Leben wie im Film


Ihre letzten Jahre verbrachte sie im Altersheim von Mollis, wo sie 1994 im Alter von 84 Jahren starb. Der «Schweizer Illlustrierten» sagte sie 1979: «Manchmal habe ich das Gefühl, als sässe ich in einem Kino. Und das Leben, das an mir vorbeizieht, sei irgendeines, aber nicht mein Leben gewesen.» Doch es war echt. Und damit besser als jeder Film.

