Schlacht zwischen Germanen und Römer am Rhein, gemalen von Friedrich Tüshaus, 1876.
Die Germanen waren bei den Römern gefürchtet. Der Rhein konnte die Nordländer aufhalten. Zumindest eine Weile lang. Wikimedia

Des Kaisers neue Grenze

Vor rund 1600 Jahren liess der römische Kaiser Valentinian I. die Rhein- und Donaugrenzen massiv ausbauen. Er wollte das Reich so vor den heranstürmenden Völkern des Nordens schützen.

Katrin Brunner

Katrin Brunner

Katrin Brunner ist selbstständige Journalistin mit Schwerpunkt Geschichte und Chronistin von Niederweningen.

Kaiser Valentinian I. war wütend. Seit Jahrzehnten zahlten die Römer Schutzgeld an einige barbarische Stämme der Alemannen, um die eigene Grenze abzusichern. Barbarenstämme als bezahlte Verteidiger des römischen Reichs? Nicht mit Valentinian. Er strich die Zahlungen und bereitete seine Truppen auf einen Konflikt vor. Die Zeichen standen im Jahr 365 n. Chr. auf Krieg. Äusserst detailliert beschreibt der antike Schriftsteller Ammianus Marcellinus die damalige Zeit und ihre Probleme. Aus heutiger Sicht überraschend, schrieb er seine Texte – obwohl gebürtiger Grieche – grösstenteils in Latein.
Porträt von Valentinian I.
Porträt von Valentinian I. Wikimedia
Als die Germanen zwischen 213 bis 259 den im heutigen Deutschland gelegenen Limes durchbrachen und gen Süden vorstiessen, verschob die damalige römische Führung die Grenze an den Rhein. So befestigten und optimierten die Truppen des Kaisers ab 369 n. Chr. die maroden und vernachlässigten Wehranlagen früherer römischer Baumeister entlang des strategisch wichtigen Gewässers. Im Gegensatz zum britischen Hadrianswall oder dem rätischen Limes bestand die Rheinbefestigung nicht aus einer durchgehenden Mauer und dazugehörenden Kastellen. In kurzen Abständen wurden hier Wach- und Wehrtürme aufgestellt. So entstanden zwischen Basel und Stein am Rhein rund 50 Wehranlagen.  Doch die Bauarbeiten waren mühsam und gefährlich: Die Arbeiter und die Soldaten, die sie beschützten, wurden immer wieder vom anderen Ufer aus beschossen.
Römische Wachtürme entlang des Rheins.
Römische Wachtürme entlang des Rheins. Klassische Bibliothek UZH

Alltag im Wachturm

Nach Fertigstellung der Anlagen begann der Grenzdienst. Dieser konnte mehrere Wochen dauern. Bei einer Grundfläche von rund elf auf zwölf Metern kann man sich ausrechnen, wie eng die Platzverhältnisse waren. Um eine gute Sicht ins Umland zu gewährleisten, war der Turm vermutlich ungefähr zehn Meter hoch. Archäologen gehen davon aus, dass eine Wachmannschaft aus vier Männern bestand, die im Obergeschoss hausten. Dieses war nur durch eine Leiter erreichbar. Um dieses Geschoss lief ein schmaler Wehrgang. Im unteren Teil des Turms lagerten Vorräte und Hausrat. Meist wurden diese Türme durch einen Wall und einen stabilen Palisadenzaun geschützt. Innerhalb der Zone zwischen Turm und Zaun tummelten sich Haustiere, wie Schweine oder Geflügel, welche Teil des Speiseplans waren. Der Tag einer römischen Grenzwache bedeutete vor allem das Beobachten der gegenüberliegenden Uferzone. Daneben mussten die Geräte und Waffen geflickt und gepflegt werden. Auch Rodungen rund um den Turm waren Teil des Alltags. Dies war nötig, um immer eine freie Sicht über den Rhein zu haben.
Rekonstruierter römischer Wachturm.
Rekonstruierter römischer Wachturm. Wikimedia

Jähzornig bis in den Tod

Schriftsteller Ammianus Marcellinus beschreibt Kaiser Valentinianus I. als einen Mann mit «niederer» Bildung. Wie bereits sein Vater geriet der junge Kaiser in innerpolitische Intrigen. Einer Reihe von Todesfällen und Zufällen verdankte der Tribun seine Ernennung zum Kaiser des Westreiches. Valentinianus I. hatte gemäss seinem Zeitzeugen Ammianus «…einen natürlichen Hang zur Grausamkeit und zum Jähzorn…». Erbarmen sei ihm gänzlich fremd gewesen. «…sollte er doch einmal Milde walten lassen, so scheint auch dies aufgesetzt…». Niedere Bildung hin, Jähzorn her, der Kaiser bewies in Sachen Kriegsführung und bei der Befestigung der Rheingrenze grosses Geschick. 368 n. Chr. arrangierte er ein Mordkomplott gegen einen wichtigen Alemannenführer, um den Gegner zu schwächen. Auch das gehörte zur Sicherung der Grenze. Am 17. November 375 n. Chr. starb Valentinian I. an den Folgen eines Schlaganfalls, den einer seiner gefürchteten Wutanfälle ausgelöst hatte. Er wurde nur 54 Jahre alt. Gerüchte hielten und halten sich jedoch, dass der Kaiser vergiftet worden sei. Nur drei Jahre nach seinem Tod überquerten rund 30'000 Alemannen und Franken den Oberrhein. Um 406 n. Chr. zogen sich die römischen Truppen vom Rhein definitiv zurück und richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihr Heimatland Italien, wo sich die eingefallenen Westgoten breitmachen.

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