
Der «Gilberte-Mythos» lebt weiter
Auch im Zweiten Weltkrieg schweisste Gilberte Montavon die Schweiz zusammen. Nun nicht mehr persönlich, sondern auf der Theaterbühne, im Buchladen und auf der Kinoleinwand.

Nach diesem Grosserfolg verwendete Mäglin die mit einer frei erfundenen Romanze ausgeschmückte Geschichte der Gilberte auch noch für einen Roman mit dem gleichen Titel. Den publikumswirksamen Stoff auch noch zu verfilmen, brauchte dann weiss Gott keine Risikobereitschaft mehr. Mut bewies Produzent Lazar Wechsler von der Praesens-Film allerdings trotzdem. Denn für die Regie verpflichtete er den Burgdorfer Franz Schnyder, der bis dahin lediglich als Theaterregisseur bekannt war.


Gilberte versucht, Hasler zu trösten und aufzubauen. Dabei entspinnt sich zwischen den beiden ein dezentes Liebesverhältnis. Als Tilly von den Machenschaften ihres Vaters Wind bekommt, fährt sie umgehend nach Courgenay. Dort platzt sie mitten in die Weihnachtsfeier, an der Hasler gerade das Lied anstimmt, das er zur Ehre von Gilberte komponiert hat. Tilly spürt, dass zwischen Hasler und Gilberte etwas läuft, und ist verzweifelt. Doch Gilberte verzichtet selbstlos auf Hasler. Als die Soldaten abziehen, steht sie mit Tränen in den Augen am Fenster.
Ein Lied, ganz für Gilberte alleine. Filmausschnitt des Streifens von 1941. SRF
Handkuss vom General
Der Premiere im April 1941 in Zürich, der auch mehrere Bundesräte beiwohnten, ging aufgrund der Zensur, wie sie zu Kriegszeiten üblich war, eine Visionierung durch die Armeespitze voraus. Anne-Marie Blanc erzählte mal, dass General Henri Guisan sie anschliessend zum Bahnhof begleitet und mit einem Handkuss verabschiedet habe. «Diese Hand», so Blanc, «habe ich eine Woche lang nicht mehr gewaschen.» Obwohl der Film sicherlich kein Meisterwerk ist, wurde er zu einem der grössten Erfolge der Schweizer Filmgeschichte überhaupt und zu einem Pfeiler der geistigen Landesverteidigung. Für Anne-Marie Blanc bedeutete die Rolle den Durchbruch.

Die Geschwister Schmid, die es im Film sangen, traten später sogar in Las Vegas auf, als «Trio Shmeed» oder «Happy Yodlers». Teddy Stauffer, der es komponiert hatte, wanderte 1944 nach Acapulco in Mexiko aus, das damals ein Fischerdorf mit 8000 Bewohnern war. Er wurde Manager mehrerer bekannter Hotels, vermochte Hollywood-Prominenz anzulocken und machte den Ort weltberühmt.
Das Trio Shmeed vermischte moderne Rhythmen mit Jodelelementen. YouTube
Am 2. Mai 1957 starb Gilberte Schneider-Montavon im Alter von 61 Jahren an Krebs. Beigesetzt ist sie auf dem Friedhof Nordheim in Zürich. Das Grab ist nicht wie üblich nach 20 Jahren aufgehoben worden, sondern besteht noch immer, weil Gilberte zu den prominenten Bestatteten gehört.
Dieser Artikel wurde vom Bieler Tagblatt übernommen. Er ist dort am 10. Juli 2020 unter dem Titel «Wie eine Kellnerin zum Mythos wurde» publiziert worden.
Lesen Sie hier, wie der «Gilberte-Mythos» im Ersten Weltkrieg entstanden ist.
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