Kuppel im Bundeshaus
Wenn es um die Wahl in den Bundesrat geht, leuchten einige Kantonswappen heller als andere... Historic admin

Basel und der Bundesrat

Lange musste der Kanton Basel-Stadt auf eine Vertretung im Bundesrat warten. Nach der Wahl von Hans-Peter Tschudi 1959 dauerte es 64 Jahre bis mit Beat Jans wieder ein Vertreter aus der Rheinstadt gewählt wurde. Entsprechend ausgiebig war jeweils die Feier.

Noëmi Crain Merz

Noëmi Crain Merz

Noëmi Crain Merz ist Historikerin an der Universität Basel.

Nicht einmal 100 Tage im Amt, wird Beat Jans in den Medien zum beliebtesten Bundesrat erklärt. Bis heute hält auch ein Basler den Rekord der meisten Stimmen in einer Bundesratswahl: Mit 220 Stimmen wurde der Sozialdemokrat Hans Peter Tschudi im Dezember 1971 wiedergewählt, niemand hat je ein besseres Resultat erzielt. Und doch fühlt man sich am Rheinknie oft missverstanden von Bundesbern und von der Restschweiz. «Liebe Schweizer, mögt ihr uns nicht?» titelte die Basler Zeitung im Dezember 2023, während die NZZ am Sonntag die Basler Gemütslage als Argwohn gegenüber Bern interpretierte. Ähnlich hatte sie ein Chronist des Basler Jahrbuchs 1959 wahrgenommen – als ein «in weiten Kreisen verbreitetes politisches Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den eidgenössischen Mitständen». Weshalb dieses Unbehagen? Basler Bundesräte sind äusserst rar. Nicht nur vor der Wahl von Jans, sondern auch vor jener Tschudis wartete man jeweils ein halbes Jahrhundert auf einen Sitz in der Landesregierung. Selbst als Ständerätin Eva Herzog, der von allen Seiten grosse Kompetenz attestiert wird, im Dezember 2022 in Begleitung der gesamten Basler Regierung zuversichtlich zur Wahl fuhr, klappte es nicht. Unter den 122 Personen, die bisher die Wahl in den Bundesrat angenommen haben, stammen nur gerade drei aus Basel-Stadt.
Basel und der Rhein. Luftaufnahme von Eduard Spelterini, um 1900.
Basel und der Rhein. Luftaufnahme von Eduard Spelterini, um 1900. ETH-Bibliothek
Es hätte auch anders kommen können. Doch der erste Basler, der 1855, wenige Jahre nach der Gründung des Bundesstaats, in die Landesregierung gewählt wurde, lehnte die Wahl ab. Das Bürgermeisteramt in seiner Heimatstadt reizte Johann Jakob Stehlin mehr als die Landesregierung. So konnte in Basel erst im März 1897 richtig gefeiert werden. Bei der Ersatzwahl für den bis heute einzigen Bundesrat aus Basel-Landschaft, Emil Frey, standen sich zwei Basel-Städter gegenüber. Mit neun Stimmen Vorsprung setzte sich der Freisinnige Ernst Brenner gegen seinen liberalen Konkurrenten Paul Speiser durch. Unter dem «Donner der Geschütze» und der «Begeisterung des ganzen Volkes» traf der 40-Jährige zwei Tage später in seiner Heimatstadt ein. Tausende begleiteten den Festzug, Lobesreden, Männerchöre und Turndarbietungen rundeten die Feier ab.
Porträt von Bundesrat Emil Frey.
Nachfolger von Bundesrat Emil Frey... Museumsverbund Baselland
Bundesrat Ernst Brenner auf einer Fotografie von 1907.
... wurde 1897 der Basler Freisinnige Ernst Brenner. Wikimedia
Bis zur nächsten Bundesratsfeier am Rheinknie vergingen Jahrzehnte. Ein halbes Jahrhundert nach Brenners Wahl standen sich in Bern zwar wieder ein liberaler und ein freisinniger Basler gegenüber. Doch weder Nicolas Jaquet noch Regierungs- und Nationalrat Alfred Schaller, der offizieller Kandidat der freisinnigen Fraktion war, reichte es 1954 zur Wahl. Die Bevölkerung reagierte mit Ironie, die beiden gescheiterten Bundesratsanwärter wurden zum Fasnachtssujet. Aber die Enttäuschung über den «Misserfolg baslerischer Kandidaturen» war nicht zu übersehen. Die Schnitzelbankzeilen «In Bundesroot gheert nundefahne, aendlig au e Basler ane», sprachen den Baslerinnen und Baslern aus dem Herzen. Vier Jahre später hatte das Warten ein Ende. Als der Ständerat und ehemalige Regierungsrat Hans Peter Tschudi ohne Nomination durch seine Partei am 17. Dezember 1959 in den Bundesrat gewählt wurde, kannte die Euphorie in seiner Heimatstadt keine Grenzen, auch keine Parteigrenzen. Der liberaldemokratische Erziehungsdirektor liess zu Ehren des Sozialdemokraten gar die Schulen schliessen. So konnten die Basler Kinder am folgenden Tag die Ankunft des 46-Jährigen miterleben.
Hans-Peter Tschudi beim Interview nach seiner Wahl zum Bundesrat 1959.
Hans-Peter Tschudi beim Interview nach seiner Wahl zum Bundesrat 1959. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL
Begleitet wurde der frisch gewählte Tschudi auf seinem Triumphzug vom Bahnhof zum Stadtcasino nicht nur von Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen und den Basler Nationalräten, sondern auch von Elefanten des Zolli. Die ganze Stadt, über der eine DC-4 der Balair kreiste, war auf den Beinen. Bis Mitternacht zogen pfeifende und trommelnde Fasnachtscliquen durch die Strassen, obschon der neue Bundesrat längst zum Empfang in die Mustermesse entschwunden war.
Bundesrat Hans Peter Tschudi (vorne) wird nach seiner Wahl von einer Elefantenparade begrüsst.
Bundesrat Hans Peter Tschudi (vorne) wird nach seiner Wahl von einer Elefantenparade begrüsst. Staatsarchiv Basel-Stadt
Auch der ehemalige Regierungspräsident Beat Jans wurde am Rhein ausgiebig gefeiert, bevor er die Arbeit in Bern aufnahm. Statt Flugzeuge und exotische Tiere sorgte bei der Feier im Dezember 2023 eine Rap-Einlage des frischgewählten Magistraten für Furore. Die Genugtuung war gross, endlich wieder im Bundesrat vertreten zu sein, hat doch die Basler Präsenz im Bundeshaus seit Tschudis Amtszeit nicht nur in der Exekutive, sondern auch im nationalen Parlament deutlich abgenommen. Von ehemals acht Nationalratssitzen waren 2024 noch vier übrig, in einem Kanton, der auch im Ständerat nur einen Sitz besetzt.
Bundesrat Beat Jans (ganz rechts) mit seinen Amtskolleginnen und Amtskollegen im offiziellen Bundesratsfoto von 2024.
Bundesrat Beat Jans (ganz rechts) mit seinen Amtskolleginnen und Amtskollegen im offiziellen Bundesratsfoto von 2024. Schweizerische Bundeskanzlei
Nähme man die Abstände der vergangenen Wahlen von Basler Bundesräten zum Massstab – zwischen der Wahl Brenners und jener Tschudis vergingen fast 63 Jahre, bis zu der von Jans weitere 64 – würde die nächste Person aus Basel 2088 in den Bundesrat gewählt. Es kann jedoch auch ganz anders kommen: Der Kanton Genf – als Stadtkanton am Rande der Schweiz Basel-Stadt in vielem ähnlich – hat gezeigt, wie schnell man in Bern vom Outsider zum Insider werden kann. Zwischen 1919 und 1993 nie im Bundesrat vertreten, folgte auf die erste Genfer Bundesrätin Ruth Dreifuss mit Micheline Calmy-Rey 2003 direkt die zweite.
Die Bundesversammlung feiert Bundesrat Beat Jans, 50 Jahre nach dem Abgang von Hans-Peter Tschudi. SRF

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