Wenn es um die Wahl in den Bundesrat geht, leuchten einige Kantonswappen heller als andere... Historic admin

Bundes­ba­sel und das ewige Warten

Basel war in der Vergangenheit nur selten im Bundesrat vertreten. Nun hat es wieder nicht geklappt und so bleibt Hans-Peter Tschudi der letzte Bundesrat aus der Rheinstadt. Gewählt wurde er 1959!

Noëmi Crain Merz

Noëmi Crain Merz

Noëmi Crain Merz ist Historikerin an der Universität Basel.

«In Bundesroot gheert nundefahne, aendlig au e Basler ane.» Die Schnitzelbankzeilen aus dem Jahr 1955 könnten aus der Gegenwart stammen – mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass der Vertreter auch eine Baslerin sein kann oder sogar hätte sein müssen. Seit Wochen fieberte der Stadtkanton partei- und geschlechterübergreifend der Wahl von Eva Herzog entgegen. Denn bereits seit einem halben Jahrhundert wartet man am Rheinknie auf einen Bundesrat oder eine Bundesrätin. Im Ständerat mit nur einem Mitglied vertreten, wird der Halbkanton aufgrund des rückläufigen Anteils an der Schweizer Gesamtbevölkerung im Nationalrat bald nur noch vier Stühle besetzen; bis in die 1960er-Jahren schickte Basel-Stadt acht Vertreter in die grosse Kammer. Der Bedeutungsschwund nagt am Selbstwertgefühl und trübt Basels Verhältnis zur Eidgenossenschaft einmal mehr. Regelmässig fühlen sich die Baslerinnen und Basler von Bundesbern übergangen. Nun ein weiteres Mal auch im Bundesrat, in dem der urbane Raum kaum mehr vertreten ist.
Knapp gescheitert: Ständerätin Eva Herzog.
Knapp gescheitert: Ständerätin Eva Herzog. Wikimedia
Nachdem der erste Basler Bundesrat, Ernst Brenner, 1897 sein Amt angetreten hatte, musste der Kanton fast 63 Jahre auf die nächste Vereidigung eines Basler Bundesrats warten: Am 1. Januar 1960 begann Hans-Peter Tschudis Amtszeit. Die erneute Vertretung aus Basel-Stadt hätte dieses Jahr zeitlich perfekt gepasst: Seit Tschudis Wahl sind 63 Jahre vergangen. Dennoch bleibt es vorläufig dabei: Unter den 121 Personen, die bisher die Wahl in den Bundesrat angenommen haben, stammen nur gerade zwei aus Basel-Stadt.
Hans-Peter Tschudi beim Interview nach seiner Wahl zum Bundesrat 1959.
Hans-Peter Tschudi beim Interview nach seiner Wahl zum Bundesrat 1959. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL
Es hätte auch anders kommen können. Der erste Basler, der wenige Jahre nach der Gründung des Bundesstaats in die Landesregierung gewählt wird, lehnt die Wahl jedoch ab. Er zieht es vor, in seiner Heimatstadt zu bleiben, wo er drei Jahre später Bürgermeister wird. Basel vor Bern – Johann Jakob Stehlins Prioritätensetzung im Jahr 1855 ist wohl auch heute manchem Kantonsbewohner nicht ganz unverständlich. Im März 1897 kann erstmals richtig gefeiert werden. Bei der Ersatzwahl für den bis heute einzigen Bundesrat aus Basel-Landschaft, Emil Frey, stehen sich zwei Basel-Städter gegenüber. Mit neun Stimmen Vorsprung setzt sich der Freisinnige Ernst Brenner gegen seinen liberalen Konkurrenten Paul Speiser durch. Unter dem «Donner der Geschütze» und der «Begeisterung des ganzen Volkes» trifft der 40-Jährige zwei Tage später in seiner Heimatstadt ein. Tausende begleiten den Festzug, Lobesreden, Männerchöre und Turndarbietungen runden die Feier ab.
Porträt von Bundesrat Emil Frey.
Nachfolger von Bundesrat Emil Frey... Museumsverbund Baselland
Bundesrat Ernst Brenner auf einer Fotografie von 1907.
... wurde 1897 der Basler Freisinnige Ernst Brenner. Wikimedia
Auch 1954 stehen sich in Bern zwei Basler gegenüber. Wieder handelt es sich um einen Freisinnigen und einen Liberalen. Alfred Schaller gewinnt zwar mehr Stimmen als Nicolas Jaquet, doch zur Wahl reichen sie dem Regierungs- und Nationalrat, der offizieller Kandidat seiner Fraktion ist, nicht. Die Basler reagieren mit Ironie, die beiden gescheiterten Bundesratsanwärter werden zum Fasnachtssujet. Aber die Enttäuschung über den «Misserfolg baslerischer Kandidaturen» ist nicht zu übersehen. Nicht nur die Schnitzelbänkler finden, es gehöre endlich ein Basler in den Bundesrat. Auch in der Bevölkerung vernehmen Chronisten des Basler Jahrbuchs diese Meinung. Man hofft, mit einem Basler Bundesrat «das in weiten Kreisen verbreitete politische Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den eidgenössischen Mitständen zu beheben». Dies wird zur Aufgabe von Hans-Peter Tschudi. Als der Ständerat und ehemalige Regierungsrat ohne Nomination durch seine Partei am 17. Dezember 1959 in den Bundesrat gewählt wird, kennt die Euphorie in seiner Heimatstadt keine Grenzen, auch keine Parteigrenzen. Der liberaldemokratische Erziehungsdirektor lässt zu Ehren des Sozialdemokraten gar die Schulen schliessen. So können die Basler Kinder am folgenden Tag die Ankunft des 46-Jährigen miterleben.
Bundesrat Hans Peter Tschudi (vorne) wird nach seiner Wahl von einer Elefantenparade begrüsst.
Bundesrat Hans Peter Tschudi (vorne) wird nach seiner Wahl von einer Elefantenparade begrüsst. Staatsarchiv Basel-Stadt
Begleitet wird der frisch gewählte Tschudi auf seinem Triumphzug vom Bahnhof zum Stadtcasino nicht nur von Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen und den Basler Nationalräten, sondern auch von Elefanten des Zolli. Die ganze Stadt ist auf den Beinen und nimmt «an däm Wunder Adail», wie an der folgenden Fasnacht zu vernehmen ist. Bis Mitternacht ziehen pfeifende und trommelnde Fasnachtscliquen durch die Strassen, obschon der neue Bundesrat längst zum Empfang in die Mustermesse entschwunden ist.
Rückblick auf das Wirken des letzten Basler Bundesrats. SRF
Gross hätte auch in diesem Dezember gefeiert werden sollen. Mit Eva Herzog ist eine hochqualifizierte, kantonal und national angesehene Politikerin offizielle Kandidatin der sozialdemokratischen Fraktion geworden. Ihr Scheitern ist umso schmerzhafter, als man es am Rhein kaum in Betracht gezogen hat. Vielleicht wird sich wie nach Schallers Nichtwahl in wenigen Jahren ein «Wunder» ereignen. Der Kanton Genf, als Stadtkanton am Rande der Schweiz Basel-Stadt in vielem ähnlich, hat gezeigt, wie schnell man in Bundesbern vom Outsider zum Insider werden kann. Zwischen 1919 und 1993 nie im Bundesrat vertreten, folgte auf die erste Genfer Bundesrätin Ruth Dreifuss mit Micheline Calmy-Rey 2003 direkt die zweite.

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