Darstellung der Verfassung der Eidgenossenschaft von 1848 mit allegorischen Figuren.
Die in der Mitte thronende Helvetia wird von einem Eidgenossen mit einem Lorbeerkranz gekrönt und hält die neue Bundesverfassung. Auf beiden Seiten sind statt der üblichen Allegorien Bürger in Uniform (Milizarmee) und in Zivil dargestellt, die den Souverän verkörpern.   Schweizerisches Nationalmuseum

Die eidgenös­si­sche Politik des Ausgleichs

Seit 1848 hat die Eidgenossenschaft eine Verfassung. Doch die Geschichte dieses bis heute geltenden Rechtsdokuments geht viel weiter zurück. Ohne diese Vorgeschichte wäre der Bundesstaat in der heutigen Form kaum möglich geworden.

René Roca

René Roca

René Roca ist promovierter Historiker, Gymnasiallehrer und leitet das Forschungsinstitut direkte Demokratie fidd.ch.

Die Phase von 1798 bis 1848, also von der Helvetik bis zur Gründung des Bundesstaates, war für die Schweiz eine Phase der politischen Umbrüche. Ein Höhepunkt war der Sonderbundskrieg 1847. Der «Sonderbund» respektive die «Schutzvereinigung» von 1845 verstiess wie das liberale Siebnerkonkordat und der konservative Sarnerbund (beide 1832 gegründet) gegen die Bestimmungen des eidgenössischen Bundesvertrages von 1815. Eklatante Rechtsverletzungen wie die Klosteraufhebungen 1841 und die beiden Freischarenzüge 1844/45 sowie die Untätigkeit der Tagsatzung machen seinen Gründungsakt jedoch verständlich. Gewissen Liberal-Radikalen kam der Sonderbund (wie in der Jesuitenfrage) entgegen, weil sie davon ausgingen, dass ohne Gewalt eine Umgestaltung der Schweiz kaum durchführbar sei. Deshalb trieben sie den Konflikt propagandistisch bis zum Bürgerkrieg weiter. Die Anhänger des Sonderbunds ihrerseits manövrierten sich ins Abseits und verschärften die Konfessionalisierung derart, dass sich unter anderem die reformierten Konservativen, die den politischen Anliegen des Sonderbunds wohl gesonnen waren, abwandten oder neutral verhielten.
Der Sonderbundskrieg von 1847 war der letzte bewaffnete Konflikt auf Schweizer Boden.
Der Sonderbundskrieg von 1847 war der letzte bewaffnete Konflikt auf Schweizer Boden. Schweizerisches Nationalmuseum
Da die Bevölkerung der Sonderbundskantone mehrheitlich einen Offensivkrieg über die Kantonsgrenze hinaus ablehnte, die militärische Führung nicht genügte und Absprachen untereinander fehlten, blieben die Aktionen des Sonderbunds zum Scheitern verurteilt. Die Bewertung der Vorgeschichte des Sonderbundes ist zentral und wird in der Regel zu wenig gewichtet, gerade als entscheidende Grundlage für den späteren Bundesstaat. Der Schweizer Historiker Oskar Vasella (1904–1966) thematisierte in Beiträgen die Gründungsphase des Bundesstaates und die diesbezügliche Rolle der Katholisch-Konservativen. Er konstatiert, dass gerade in der Beurteilung des katholischen Konservatismus «eine grössere Freiheit im geschichtlichen Denken» nötig sei, um die Vorgeschichte der Bundesstaatsgründung wahrheitsgetreuer darzustellen. Bezüglich dieser Vorgeschichte sollen zuerst zwei wichtige historische Entwicklungen der Schweiz näher betrachtet werden, nämlich die Schweizer Neutralität und das Genossenschaftsprinzip. Beide waren für eine «Politik des Ausgleichs» konstitutiv. Danach sollen dann die Versuche einer Revision des eidgenössischen Bundesvertrages während der Regeneration Thema sein und schliesslich die Anstrengungen der Gründungsväter zur Bildung eines Bundesstaates, die stark vom Willen zur Integration geprägt waren.

Politik des Ausgleichs

Die Politik des Ausgleichs besitzt in der Schweizer Geschichte eine reiche Tradition, schon lange vor der Bundesstaatsgründung. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Geschichte der Schweizer Neutralität. Die Neutralität entwickelte sich schrittweise mit dem Wachsen der schweizerischen Eidgenossenschaft seit 1291. Wichtig waren dabei immer innen- und aussenpolitische Gründe. Als zum Beispiel Basel 1501 dem Staatenbund der Eidgenossenschaft beitrat, wurde der neue Bündnispartner für den Fall von Konflikten zwischen den Orten zum «Stillesitzen» und zur Vermittlung verpflichtet. Erfahrungen der Acht Alten Orte führten zu diesen Forderungen, die dem friedlichen Zusammenleben und konstruktiven Miteinander dienten. «Stillesitzen» und Vermittlung, welche beides im menschlichen Miteinander innenpolitisch den Frieden wahrt, wurden mit der Zeit aussenpolitisch wichtig und führten letztlich zur ersten offiziellen Neutralitätserklärung der eidgenössischen Tagsatzung aus dem Jahre 1674. Da die Eidgenossenschaft aber nach wie vor in zahlreiche Allianzen verstrickt war, führte dies zu Widersprüchen und machtpolitische Interessen lähmten immer wieder eine friedliche Entwicklung. Auch das Söldnerwesen förderte nicht gerade eine Aussenpolitik, die auf Vertrauen aufbaute. Trotzdem brachte die erklärte Neutralität der Schweiz zunehmend die angestrebte Einheit und das konfessionell gespaltene, mehrsprachige Land konnte sich nach der völkerrechtlichen Anerkennung der staatlichen Souveränität im Westfälischen Frieden (1648) relativ unabhängig entwickeln. Der Eidgenossenschaft gelang es dann auch gut, sich aus den europäischen Glaubens-, Eroberungs- und Erbfolgekriegen der frühen Neuzeit herauszuhalten. Mit dem Dreissigjährigen Krieg (1618–1648) nahm mit der Defensionale von Wil (1647), der ersten gesamteidgenössischen Wehrordnung, die bewaffnete Neutralität immer mehr Gestalt an. Die Schweiz entwickelte eigenständig Schiedsverfahren zur friedlichen Streitbeilegung, die vorerst innenpolitisch zum Zug kamen und regte später diesbezüglich auch Schutzmacht-Mandate zugunsten anderer Staaten an.
Liste mit Truppenkontingenten gemäss der Defensionale von Wil, 1647.
Liste mit Truppenkontingenten gemäss der Defensionale von Wil, 1647. Schweizerisches Nationalmuseum
Im Zusammenhang mit der Ausgleichspolitik muss zudem die genossenschaftliche Tradition der Schweiz erwähnt werden. In der damaligen Eidgenossenschaft waren zahlreiche gesellschaftliche Bereiche vielfältig genossenschaftlich organisiert. Man sprach von den drei «Selbst», nämlich der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstbestimmung. In immer wieder  vorkommenden Konflikten konnten viele Probleme im genossenschaftlichen Rahmen in der Regel friedlich beigelegt und das Bonum Commune gestärkt werden. Vasella hebt hier besonders die eidgenössische Tagsatzung hervor, die in der frühen Neuzeit eine wichtige «Klammer» für das Land bedeutete: «Für den genossenschaftlichen Geist und den Ausgleichsgedanken charakteristisch [sind] die Entstehung und der Charakter der eidgenössischen Tagsatzung. […] Sie trug Entscheidendes bei zur Vertiefung des Ausgleichsgedankens. […] Ihre Verhandlungen sind das Spiegelbild des steten Ringens um den Ausgleich mannigfachster Ansprüche. Sie hat wie keine andere Institution das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert.» Nach den schwierigen Phasen der Helvetik (1798–1803) und der Mediation (1803–1815), die allerdings durchaus auch wichtige Impulse gesetzt hatten, gelang es der Schweiz, sich wieder eigenständiger zu entwickeln und die Tradition des «Ausgleichs» wieder stärker politisch zu integrieren. Bereits in der Restaurationszeit (1815–1830) kann man die Kantone als «Laboratorien der Freiheit» bezeichnen, was schliesslich auch zur Entwicklung der Demokratie auf Gemeinde- und Kantonsebene beitrug. Mithilfe dieser Prozesse, die zu mehr direkten Demokratie führten, wurde viele wichtige Erfahrungen gesammelt und vermieden, dass Unstimmigkeiten in politische Gewalt ausarteten.

Revisi­ons­ver­su­che des Bundes­ver­tra­ges und Sonderbundskrieg

Als Auftakt der Regeneration (1830–1848) setzten sich in elf Orten 1830/31 liberal-radikale Bewegungen durch und gaben sich mit einem friedlichen revolutionären Akt neue Kantonsverfassungen. Diese Verfassungen waren geprägt durch den Grundsatz der Volkssouveränität, die Gewaltenteilung der politischen Institutionen und ein Demokratieprinzip, das regelmässige Wahlen garantierte. Zusätzlich drängten die Liberal-Radikalen bald auf eine Revision des eidgenössischen Bundesvertrages im Sinne der neuen Kantonsverfassungen. Eine Grundlage dafür gab der «Zuruf» des Luzerners Kasimir Pfyffer. Für die Revision des Bundesvertrages bestand aber eine hohe politische Hürde. Da im Bundesvertrag keine Revisionsbestimmungen integriert worden waren, entstand in der Tagsatzung eine heftige Diskussion, ob für die Revision Einstimmigkeit oder eine einfache Mehrheit genüge.
Kasimir Pfyffer auf einem Visitkartenporträt, um 1850.
Kasimir Pfyffer auf einem Visitkartenporträt, um 1850. Schweizerisches Nationalmuseum
Der Kanton Thurgau brachte schon 1831 den offiziellen Revisionsantrag auf der Tagsatzung ein. 1832 setzte eine Mehrheit der Tagsatzung, nämlich 13½ Stände (von 22), die Durchführung einer solchen Revision durch. Sie beauftragte eine Kommission unter der Führung von Gallus Jakob Baumgartner (1797–1869) mit dessen Erarbeitung. Berichterstatter war der Genfer Abgeordnete Pellegrino Rossi (1787–1848), deshalb wird der ausgearbeitete Entwurf dann auch «Rossi-Plan» oder schlicht «Bundesurkunde» genannt. Der Entwurf der Bundesurkunde umfasste 120 Artikel, der verschiedene Grundrechte und einen modernen Staat in föderativer Form vorsah. Die eidgenössische Tagsatzung sollte in ein Parlament umgewandelt werden, ausserdem war ein fünfköpfiger Bundesrat mit einem Landammann der Schweiz als Präsident vorgesehen. In wirtschaftlicher Hinsicht sollte unter anderem in der Schweiz der freie Personen- und Warenverkehr gelten und eine einheitliche Währung eingeführt werden. Der Entwurf war wohl insgesamt zu ambitioniert, denn bereits anlässlich der Tagsatzung im Mai 1833 wurde er stark überarbeitet. Nachdem die Bundesurkunde von zehn Kantonen angenommen worden war, wurde er in einer Volksabstimmung im Vorort Luzern, wo der Bundessitz vorgesehen war, im Juli 1833 abgelehnt, womit das Projekt gescheitert war. Die Gegner der Bundesurkunde, vor allem katholische und reformierte Konservative sowie Föderalisten hatten sich mit ihrem Anliegen durchgesetzt, dass jede Abänderung des Bundesvertrages Einstimmigkeit erfordere. Auch ein zweiter Anlauf der Revision 1833–1835 scheiterte. Festgehalten werden muss, dass der Rossi-Plan insgesamt, neben drei weiteren nichtamtlichen Verfassungsentwürfen, ein wichtiger Meilenstein in der eidgenössischen Verfassungsgeschichte darstellt. Damit war zwar ein Anfang gemacht, aber den Liberal-Radikalen ging alles zu langsam. Deshalb trieben sie die Revolution voran, auch wenn dies mit Rechtsbrüchen verknüpft war und schliesslich mit den Gegenmassnahmen der Konservativen zum Sonderbundskrieg führte.
Konservative Karikatur zu den Revisionsarbeiten am Bundesvertrag von 1815.
Konservative Karikatur zu den Revisionsarbeiten am Bundesvertrag von 1815. Schweizerisches Nationalmuseum
Der eigentliche Sonderbundskrieg war dann aber kein Bürgerkrieg, sondern lediglich ein «Bruderzwist». So schätzt es der US-amerikanische Historiker Joachim Remak, gerade auch im Vergleich zum Sezessionskrieg der USA, ein. Die Rolle General Dufours war sicher wichtig, doch sollte diese nicht unnötig überhöht werden. Wichtiger war auf der Grundlage historischer Erfahrungen die Stimmung in der Bevölkerung und der Drang zum Ausgleich. Dieser Stimmung wollte auch eine Proklamation der Tagsatzung kurz vor den ersten Kriegshandlungen gerecht werden. Sie richtete ihre Worte explizit an die Bevölkerung der Sonderbundskantone: «Die eidgenössische Tagsatzung will keine Bedrückung von Bundesgenossen, keine Vernichtung der Kantonalsouveränitäten, keinen gewaltsamen Umsturz bestehender Bundeseinrichtungen, keine Einheitsregierung, keine Verletzung Eurer Rechte und Freiheiten, keine Gefährdung Eurer Religion.» Die Politik des Ausgleichs wurde nach Beendigung des kurzen Sonderbundskrieges mit der Ausarbeitung der neuen Bundesverfassung vertieft. Deshalb war dieser Vorgang und schliesslich die Einführung der Bundesverfassung auch keine «Stunde Null», wie es das Buch von Rolf Holenstein als These vertritt. Das Buch ist, davon abgesehen, mit der Erschliessung von Privatprotokollen und Geheimberichten eine Fundgrube für die Entstehungsgeschichte des schweizerischen Bundesstaates und schliesst einige Forschungslücken. Wichtig ist aber die Auffassung, dass die Bundesverfassung insgesamt sowie der Bundesstaat das Resultat einer langen Entwicklung, einer longue durée sind. Vasella führt in diesem Zusammenhang aus, dass «der Geist des Sich-Verstehenwollens, der Wille zur Verträglichkeit» in der Schweizer Geschichte bedeutsam gewesen sei. Und weiter: «Zur Erreichung [dieser] ethischen Grundlagen bedurfte es eines langen geschichtlichen Prozesses.»
General Dufour auf einer Druckgrafik von 1862.
General Dufour auf einer Druckgrafik von 1862. Schweizerisches Nationalmuseum

Die Geniali­tät der Bundesverfassung

Die Bundesverfassung von 1848 war die erste Verfassung der Eidgenossenschaft, die sich die damals Stimmberechtigten, also die Schweizer mündigen Bürger, selbst gaben. Die von der Tagsatzung für die Revision des Bundesvertrages eingesetzte Kommission bestand aus 23 pragmatisch denkenden und kompromissfreundlichen Regierungsmitgliedern der einzelnen Kantone (inklusive liberal-radikalen Mitgliedern aus den ehemaligen Sonderbundskantonen), die nur wenig Wert auf ihre theoretischen Konzepte legten. Holenstein zeigt im Kapitel «Der Part der Intellektuellen» eindrücklich auf, welche geistesgeschichtlichen Ideen und Bezüge für die Verfassungsväter grundlegend waren. Nur fünf Tage, nachdem die Kommission im Februar 1848 erstmals zusammengetreten war, brach in Paris die Revolution aus; rasch griff diese auf die autoritären Monarchien Europas über, die noch im Januar 1848 der Tagsatzung Interventionen im Falle einer Veränderung des Bundesvertrages angedroht hatten. Damit waren die äusseren antiliberalen Kräfte entscheidend geschwächt. Die 23-köpfige Kommission nutzte die Chance: Sie verzichtete auf weitere Ausbesserungen am alten Bundesvertrag und schuf in 51 Tagen die Bundesverfassung.
Die nachfolgende Gründung des Bundesstaates muss als eigentliche Revolution bezeichnet werden. Wie bereits erwähnt, enthielt der Bundesvertrag keine Revisionsbestimmungen und konnte somit nur mit dem Einverständnis aller Vertragsparteien, also den Kantonen, geändert werden. Das alles fegten nun die Verfassungsväter vom Tisch, indem sie sich neue Rechtsgrundlagen mit den sogenannten «Übergangsbestimmungen» erteilten; alle weiteren Schritte waren darauf abgestützt, so die kantonalen Abstimmungen und der anschliessende Entscheid der Tagsatzung. Einstimmigkeit war nicht mehr erforderlich. In diesem Sinne akzeptierte die Tagsatzung im Juni 1848 das neue Verfassungswerk; im Juli und August folgten die Abstimmungen in den Kantonen, von denen 15½ zustimmten, während 6½ ablehnten. Die gesamte Innerschweiz sowie der Kanton Tessin und das Wallis sagten Nein. Uri, Ob- und Nidwalden taten dies anlässlich einer Landsgemeinde. Luzern sagte ja, allerdings galt dort ein besonderes Verfahren: Die Stimmenthaltungen wurden als Ja-Stimmen gezählt. Im ehemaligen Sonderbundskanton Fribourg gab es ebenfalls aufgrund eines Entscheides des Grossen Rates ein Ja. Dies alles war nicht gerade ein gutes Omen für die neue Bundesverfassung und damit auch für Ausgleich und Integration der Verlierer. Allerdings muss betont werden, dass das unterlegene katholisch-konservative Lager dem Projekt nicht per se ablehnend gegenüber stand und die meisten ablehnenden Kantone zähneknirschend auch das Mehrheitsprinzip akzeptierten und erklärten, dass sie sich an die Verfassung gebunden fühlten. Dies nicht  zuletzt deshalb, weil einige ihrer Anliegen in die Verfassung integriert worden waren. Am 12. September 1848 erklärte die Tagsatzung, dass die Bundesverfassung damit angenommen sei und als Grundgesetz der Eidgenossenschaft gelte.
Bundesverfassung von 1848.
Bundesverfassung von 1848. Schweizerisches Nationalmuseum
Die Schweiz wurde damit für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eine demokratisch-republikanische Insel inmitten der europäischen Monarchien. Die Bundesverfassung kann durchaus als «Gesamtkunstwerk» gesehen werden, weil die Schweizer Bevölkerung den Grundsatz des «Ausgleichs», wie anhand der Geschichte der Neutralität und des Genossenschaftsprinzips gezeigt, in praktischer Weise schon länger umsetzte.

Integra­ti­on der Verlierer

Nach der Gründung des Bundesstaats herrschte lange Zeit eine Geschichtsschreibung vor, die den liberal-radikalen Siegern des Sonderbundskriegs alle staatspolitischen Errungenschaften, selbst den weiteren Ausbau der direktdemokratischen Instrumente, zusprach. Trotz der Niederlage des Sonderbunds flossen aber einige seiner Forderungen in die Ausgestaltung der neuen Bundesverfassung von 1848 ein. Die siegreiche Mehrheit nahm Rücksicht auf die Anliegen der Unterlegenen. Dies nahm bereits, wie oben zitiert, die Proklamation der Tagsatzung vor den ersten Kriegshandlungen an die Bevölkerung der Sonderbundskantone vorweg. Insbesondere dem Wunsch nach Souveränität der Kantone, der auch von gemässigten Liberalen geäussert wurde, trugen die Sieger Rechnung. Auch darf das Jesuitenverbot nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bundesstaat mit der Festsetzung der kantonalen Schul- und Kirchenhoheit sowie der Einführung des Ständerats und des Ständemehrs deutliche föderalistische Akzente setzte. Die Bundesverfassung verband das nationale Prinzip mit dem Fortbestand der Stände als souveräne Kantone. Bund und Gliedstaaten erfüllten ihre Aufgabe in einem dualistischen Zusammenwirken auf der Grundlage der Subsidiarität. So half der Sonderbund indirekt mit, eine zentralistische Lösung zu erschweren und weitere revolutionäre Umgestaltungen im Sinn der Radikalen zu unterbinden.

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